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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 18.1900

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Nr. 3
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Detzel, Heinrich: Joseph von Führich, [1]: seine Stiftzeichnungen. Zu seinem 100. Geburtstage
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https://doi.org/10.11588/diglit.15905#0032

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Jünger zuerst aus beut Wege wie sie träll-
ernd das Ereigniß voll Jerusalem be-
sprechen, noch nicht ahnend den Fremd-
iing, der unniittelbar hinter ihnen her-
konnilt. Es ist Abend ilnd sie sind nicht
»lehr ferne von dem Flecken, alls ihren
Gesichtern lind der ganzen Haltung sind
ihre Worte deutlich zll erkennen. Merk-
würdig ist die Gestalt des Heilandes;
feierlich ulld erhaben gleicht feine Beive-
gung mehr einem Schwebell als einem
(befielt in der herrlichen Landschaft. Die
Scene vor der Herberge, das „Herr bleib
bei uns" hat Führich so einfach lilid rüh-
rend loiedergegeben, daß sie uns nngemein
anspricht; man glaubt unmittelbar selbst
anznwohnen lilid das Gespräch lind
Drängen der Jünger zu vernehmen. Xtnb
mit wie wenigem Alifwand ist all' das ge-
geben? Ein schmuckloser Hosraum einer
Herberge, von einigen Bewohnern des
Hanfes belebt, ist die Scene des Bildes.
Eili Weib, beut sich ein kleiner Knabe all
den Rock hängt, schneidet gebückt ein Ge-
richt Kohl ivl Beete, ein junger Bursche
geht mit dem Eimer zum Schöpsen all
den Hausbrnnnell. In der Halle oben
sitzell ein paar Wanderer, bereu einer er-
müdet einzunicken scheint; sie werden von
einem Diener bewirthet. Der Hanshnnd,
dieses Ab- und Zugehens gewohnt, liegt
ruhig im Vordergründe. Am obern Ende
der Treppe, welche in beit Hof und kleinen
Garten herabsührt, leuchtet mit erhobener
Lampe eine Alte dem Anköinmlingell am
Fuße der Treppe. Harmlose Gewühnlich-
keit des menschlichen Lebells und Daseins.
Mit dein verglimmenden abschiednehmen-
den Tage wendet, die Rechte gleichsam
grüßend gesenkt, der Unbekannte sich 311m
Weitergehen, sie aber mit freundlicher ulid
ehrfürchtiger Zudringlichkeit nothigen ihn,
sprechend: „Herr, bleib bei lins, denn es
will Abend iverdeil und der Tag hat sich
geneigt".

Eill bewegter, in der einfachen Land-
herberge unerhörter Vorgang endlich spielt
sich im letzten dieser drei Bilder ab. Anl
Brodbrechell erkennen die Jünger ihrell
Meister — welch ein Eindruck bei Beiden!
Der eine fährt vonl Sitze auf nitb greift
nach seiner Brust, in der ja aus denl Wege
schon durch die Worte des Herrn der hei-
lige Brand gelegt wurde, der andere

stürzt mit ausgebreiteten Armen alls die
Kniee, als wollte er ausrnfen: mein Herr
lllld mein Gott! Wie natürlich, daß auch
die Wirthsleute, tm Begriffe ihre Gäste
zll Abend zu bedienen, verwundert den
Vorgang, von dem sie feine Ahnung
haben, anstaunen!

Wir kollllneli zll Dem originellsten Werke
des Meisters, den Originalzeichnungen zil den
vier Büchern des Thomas voll Kem-
p en. Wie die Schöpfungen Führichs in der
Altlercheliselder Kirche das Genialste sind,
was sein Pinsel gemalt, so hier diese
Bilder das Tiefsinnigste, was sein Stift
gezeichnet hat, lutb im ähnlichen Verhält-
nis;, wie jene großartigen Frescen 31t seinen
Stasseleibildern, stehen die vorgezeichneten
Cpkleli zil seinem „Thomas von Kempen".
Während die zahlreichen Staffeleibilder je
nur eilizelne Punkte aus der heiligen Ge-
schichte ilns vorsühren, geben uns die
monumentalen Schöpfungen Führichs in
der Altlerchenselderkirche eine geniale Ge-
sanlintkonception des ganzen Gebietes der
Offenbarungsthatsachen; die erlösende Wirk-
samkeit des Weltheilandes vor, in ilnd
liach seiner Erscheinung ans Erden wird
uns hier vor Augen geführt. So geben
auch die gezeichneten Bildercpklen nur Be-
trachtungen über einzelne Offenbarnngs-
wahrheiten, lvährend bei seinem „Thomas
von Kempen" uns ein Gesaulmtbild dec'
edlen Meisters aus den Erfahrungen eines
betrachtenden, inneren Seelenlebens ent-
gegentritt; was der gottselige Thomas in
Worte gefaßt hat, bietet uns Führich im
Bilde. Das Buch von der Nachfolge
Christi, sagt er in einem kurzen Vorworte
zu den Bildern selbst, ist für beit ersten
Augenblick völlig bilderlos. Bei näherer
Betrachtung aber umfaßt es die ganze
christliche Welt- und Lebensanschauung.
Bilder zu diesem Buche können also als
Betrachtungen über dasselbe und' an dessen
Geist sich anschließend, nicht iinrner und
überall sich dem Buchstaben fügend, das-
selbe begleiten, sondern müssen aus jener
allgemeinen Anschauung fußen, welche den
Autor bei Abfassung des Buches leitete.
Daß auch die negative Seite der „Nach-
folge Christi" in diesen Bildern vielleicht
sogar mehr als im Buche selbst betont
erscheint, ivird um so weniger der Recht-
fertigung bedürfen, als so viele unserer
 
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