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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 18.1900

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Nr. 9
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Detzel, Heinrich: Gebhard Flatz, [1]: zu seinem 100. Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.15905#0085
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am folgenden Morgen zeigte ihm der
Meister seine Arbeiten, woran der Fremd-
ling ein großes Interesse zeigte. Flatz
nahm seinerseits sein Gebetbüchlein hervor
und wies dem Maler seine copirten Hei-
ligenbildchen. Allein ohne Kost- und Lehr-
geld konnte er nicht ausgenommen werden,
da der Meister selbst arm war. Er ging
nun wieder nach Hause und befreundete
sich hier mit dem Faßmaler Lehner von
Haselstanden, der dein Knaben zuweilen
Oelfarben sowie Kupferstiche ginn Copiren
schenkte. An der Frontseite eines Hauses
im Dorfe war auf einer Tafel das Vild
„Maria Hilf" angebracht, welches er co-
pirte und vor dem Stubenfenster ansstellte;
er jubelte, als die Kritiken, welchen er
hinter dem Fenster zuhorchte, gut ausftelen.
Dieses Madonnenbild und die zwei schwar-
zen Seitenaltarblätter in der Pfarrkirche,
vor beiten er oft stundenlang stand,
brachten in dent Knaben den Entschluß
zur Reife, christlicher Maler zu werden.

Die Mutter, obwohl arru und der Stütze
des Sohnes bedürftig — der Vater war
schon am 1. Mai 1809 gestorben — er-
muntert durch das Zureden und Bitten
der Nachbarn, gab endlich dem stäten
Drängen nach und brachte ihren Gebhard
zu dem oben genannten Faßmaler Lehner
nach Haselstauden in die Lehre. Hier lernte
Flatz Anstreichen, Vergolden, Lackiren, Aus-
hängeschilde uitb Grabschriften schreiben,
allein malen und zeichnen lernte er nicht.
Da kam einmal ein Wolfurter Mann von
Wien her auf Besuch, der den jungen
Flatz — er mußte damals gerade den
Helm des Kirchthurms in Haselstauden an-
streichen — mit in die Kaiserstadt nehmen
wollte. Nach vielem Zögern willigte end-
lich die Mutter ein, daß er mit dem Lands-
mann gehen durfte und so verließ er,
16 Jahre alt, die Heimath, hoffend, in Wien
bei einem Zimmermaler nnterznkommen.
Doch es war schon Oktober und Flatz mußte,
um leben zu können, vom November 1816
bis Ostern 1817 Kellner sein. Von dem
erhaltenen Trinkgelde kaufte er sich dann
die nöthigsten Malerrequisiten und arbeitete
den Sommer hindurch bei einem Zinuner-
maler. An Sonn- und Feiertagen be-
suchte er die Zeichnungsschule, welche an
diesen Tagen den Kunsthandwerkern offen
stand; im Winter zeichnete er für seinen

Meister Schablonen, kolorirte für Kunst-
händler u. s. w., um sich dnrchzubringen.
So vergingen zwei Jahre.

Im Jahre 1820 wagte es Flatz, seine
Zeichnungen, die er an Sonn- und Feier-
tagen gemacht, den Professoren an der Aka-
demie vorzulegen und mit einen Platz bei
den Antiken anzuhalten. Allein die Herrn
äußerten ihre Bedenken und meinten, er
werde, da er nur Conturen copirt und nie
nach plastischen Gegenständen gezeichnet
habe, Licht und Schatten nicht zu be-
handeln wissen, er solle noch die Copir-
schule an der Akademie, wo er schattiren
lernen könne, wenigstens einen Kurs be-
suchen. Er erwiderte schüchtern und ver-
legen, daß er das leider nicht könne, denn
er müsse den ganzen Tag Zimmer malen,
um mit dein Erwerb sein Leben zu fristen;
er könnte aber das Zimmermalen fort-
setzen, wenn er die Erlaubniß hätte, zwei
Morgenstunden, von 6 bis 8 Uhr, an der
Akademie zu zeichnen. Die Herrn äußerten
zwar Mitleid, meinten aber, es werde
schwer gehen. Flatz bat, ihn Proben
machen zu lassen, und das bewilligte inan.
Nach 8 oder 10 Tagen legte er die Proben
vor und die Sentenz lautete: „Sie können
den Platz behalten." Durch Vermittlung
eines Kollegen wurde es jetzt Flatz auch
möglich, Lektionen bei einer Familie zu
geben und das Zimmermalen zu unter-
lassen. Allein dieser neue Nebenverdienst
reichte auch für die nothwendigsten Bedürf-
nisse nicht ans, obwohl Flatz des Tages
nur eimnal Speise zu sich nahm, auch nur
einen Anzug besaß. So durch Noth ge-
zwungen, wagte der von Natur sehr schüch-
terne Künstler, den damaligen Kronprinzen
Ferdinand um eine Unterstützung zu bitten,
und er erhielt 60 Gulden, die einzige
Unterstützung, die er jemals genoß. Bald
konnte Flatz mehrere Lektionen übernehmen,
gab Unterricht im Zeichnen bei distinguirten
Familien, z. B. beim Grasen Stadion,
Bout-Schauenstein, Fürst Hatzfeld u. a.

Im Jahre 1826 erhielt Flatz an der
Akademie den zweiten kaiserlichen Preis
mit dein historischen Gemälde „Hektar und
Paris nach Homers Jliade" und im
folgenden Jahre wieder den zweiten Preis
mit einer Zeichnung nach lebendem Modell.
In Wien verkehrte Flatz mit den gelehrten
jungen Männern und Studenten aus Tirol
 
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