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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 18.1900

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Nr. 9
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Oidtmann, Heinrich: Die Ausstattung einer Taufkapelle mit figürlicher Glasmalerei, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15905#0089

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82

enthält die Aufforderung des Propheten
zur siebemnaligeu Waschung. Aehnlich
wie die Kundschafter ist hier eine andere
Gruppe unvermittelt in das Maßwerk hin-
eiugezeichuet, Elisäns gießt Wasser über
die Hände des Elias. Im Sockel S. Mat-
thäus und S. Simon.

Den Schluß der Reihe bildet der beth-
lehemitische Kindermord, dessen grausiger
Eindruck durch die Maßwerkfüllnng einiger-
nlaßen gemildert wird. Um den Stern
herum, schmiegen sich die Brustbilder der
hl. Dreiköuige in die Blätter des Drei-
passes, während in ben kleinen Zwickeln
die Zeichen des Glaubens, der Hoffnung
und der Liebe die Wirkung der Geburt
des Heilandes verkünden. Bei den Schluß- '
sätzen des Credo die Apostel Judas Thad-
däus und Matthias.

Soviel über den geistigeil Inhalt der
sechs zweitheiligen Fenster, welche ein ebenso
abwechslungsreiches wie in sich abge-
schlossenes Ganze bilden. Es erübrigt
mir noch, kurz einige Bemerkungen über
die Durchführung dcr Glasgemälde anzu-
schließeu. Wie bereits erwähnt, nntrbe
auf ausdrücklichen Wunsch der spätgothische
Stil gewählt, dessen Eigenthnmlichkeiten
sich freilich nur in der allgemeinen An-
lage, in der Architektur, bciu Hintergründe
und dem Faltenwurf der Gewandung be-
merkbar machen; bezüglich der Gesichter,
der Hände, sowie der Haltliug und Zeich-
nuug der Figllren wurde der Auffassllngs-
gabe und dem künstlerischen Können der
Neuzeit wenigstens eilligerluaßeu Rechnung
getragen.

Seit dem Wiederaufleben unserer farben-
sirahlendeu Kunst ist voll berufener lind!
von unberufener Seite gar viel darüber|
geschrieben worden, wie sich dieser neube-
lebte Kuustziveig verhalten soll. Mit ivelcheul
Erfolg? — Mau betrachte nur die Leistungen
bis weit in die 80er Jahre des verflossenen
Jahrhilnderts mtb die über dieselben ge-
fdüten llrtheile seitens angeblicher Kenner.
Seit zwei Jahrzehnten sind dank den that- !
kräftigen Bemühungell wirklicher Kunst-
verständiger erfreuliche Fortschritte gemacht !
wordell. Der eine will die altell Werke
treu uachgebildet wissen, ein anderer ver-
langt ebenfalls NachahlilUllg der Alten,
allerdings unter verständiger Bermeidlmg
der bei jenen vorkommenden Fehler, ein

dritter elidlich beansprucht tu Zeichnung
und Anlage weitgehende Ausnutzung der
heutigen Auffassung und der technischen
Fortschritte, also unbeJüininert um jedwede
lleberlieserung weiche Malweise oder gar
die schwere Linienstihrilng int Stil der
„Jugend".

Strenges Festhalteil ml ben entsprechenden
Stilformen, unter Anlehnung an gute
Vorbilder jener Zeit, ist unter allen lim-
ständen bei der Ausstattung bezw. bei der
Wiederherstellnllg alter Monumentalbauten
geboten; hier ist ill der Regel selbst bei
der großen Masse des Volkes, lveilil auch
llicht gerade Verständniß, so doch ein gc-
wisses Einverständniß lnit ben alten Formen
vorhandeli. Die Genleinde hat durch den
stetell Verkehr mit dem altehrwürdigen
Ban, durch ben immer wiederholten An-
blick alter Tafelgemälde oder Bildschnitze-
reiell sich mit der lilittelalterlichen Eigen-
art vertrant gemacht; infolge der von
ben Vätern hergebrachten Ueberliefernngen
silid ihneil die stilisirten Fornren allgemach
lieb geworden.

Dieselbe strenge Richtung, freilich unter
gänzlicher Verlneidung zeichnerischer Un-
richtigkeiten, läßt sich bei lvirklichbedeutenden
neueren Kirchenbauten vertreten, wenn man
voll der berechtigten Anschauung allsgeht,
daß die strengeil Zeichnungen lnehr sinn-
bildliche Darstellnngsweise, also gewisser-
maßell eine Bilderschrift sein solleli. Noch
leichter wird der Entschluß bei Anwendung
spätgothischer Malerei, da die Arbeiten
jener Zeit unserer heutigen Geschmacks-
richtlilig mehr zusagell, als die strengell
Werke romanischell oder frühgothischeu
Stiles.

Bei bem Elitlvnrf der Tallskapellenseilster
lvurde bezüglich derZeichnling der wichtigste
Gesichtspunkt scharf im Auge gehalten,
nemlich die sorgfältige Berücksichtigling
derjeliigell Eigenthülillichkeiten, welche die
Glaslnaterei all sich verlangt, die Wahrung
des Glascharakters, ben Grundsatz der
Stoffgerechtigkeit. Jeder Stoff verlangt
ill der Kunst eine eigene Behandlung, er
spricht soznsagell feinen besonderen Dialekt.
Anders sind die Fornlen der Holzschnitzerei,
als diejelligell der Bildhauerei ill ©teilt
und Marmor, anders wiederum bei Erz-
guß, Bronce und Silber. Andere Linien-
führung bedillgt das Mosaik mtb die
 
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