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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 18.1900

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Nr. 10
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Rohr, Ignaz: Die christliche Kunst auf den Ausstellungen im Glaspalast und in der Secession in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.15905#0092

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Archiv für christliche Ärmst.

Organ des Rottenburger Diözefcm-Vereins für christliche Kauft.

ksercmsgegeben und redigirt von Pfarrer Detzel in St. Chriftina-Rcivensburg.

Verlag des Rotteuburger Diözesaii-Annstvereins,
für denselben: der Vorstand Pfarrer Detzel in St. Lhristina-Ravensburg.

Erscheint monatlich einmal. Halbjährlich für M. 2.05 durch die württembergischcn (M. 1.90
im Stuttgarter Bestellbezirk), M. 2.20 durch die bayerischen und die Reichspostanstalten,
11^,» T/'*', fl- 1.27 in Lesterreich, Frcs. 3.40 in der Schweiz zil beziehen. Bestellnngen werden

;~tl+L4 rcv. auch angenommen von allen Buchhandlungen soivie gegen Einsendung des Betrags direkt
von der Expedition des „Deutschen Volksblatts" in Stuttgart, Urbanstratze 94, zum
Preise von M. 2.05 halbjährlich.

Die christliche Kunst auf den Aus-
stelluugen im Glaspalast und in
der Secession in Klünchen.

Von Stndtpfarrer vr. R o h r in Geislingen.

I. Die Ausftellang im Glaspalaft.

M a lere i.

Es ist nicht gerade Freude und frohes
Hoffen, was den bewegt, der die christliche
Kunst auf einer modernen Ausstellung
studiren will. Oft kann inan sich eines
gewissen Bangens vor den drohenden
Ueberrafchungen nicht erwehren, und
mancher mag sich schon entsetzt haben,
wenn ihiu sein Katalog eine Flucht nach
Aegypten oder einen Gang nach Bethlehem
oder die Emmausjünger «kündigte,
während sich auf dem Bilde eine ober-
bayerische Holzhackerfamilie oder modern
zerlumpte und degenerirte Gestalten präsen-
tirten, die nicht die leiseste Spur des
idealisirenden Einflusses einer in Gott
lebenden Seele auch ans den äußern
Menschen zeigten. Aber: geradezu nieder-
schmetternd war die Wirkung, wenn man,
wie in München jedes Jahr und z. B. in
Dresden im vorigen Herbst Gelegenheit
geboten war, sich in die Ideale der
Malerei vergangener Jahrhunderte ver-
senkt hatte und dann eine moderne Schau-
stellung betrat. Anstatt des „neuen
Lebens", welches die Ueberschrift über der
Darstellung der modernen Kunst in einer
vielgelesenen Kunstgeschichte kündet, glaubt
man den Moderdust der Decadence ein-
zuathmen. Etwas befriedigter scheidet man
diesninl von München — nicht als ob
man einen neuen Aufschwung der Kunst
konstatiren könnte; sind doch selbst ihre
ergebensten Anbeter diesmal 'ziemlich klein-
laut. Den Eindruck von etwas wesentlich
Neuem hat man überhaupt nicht. Im
Gegeutheil: Man kann sich trotz der 2598

Nummern der beiden Kataloge des Ge-
fühls der geistigen Verarmung nicht er-
wehren, der Armuth allerdings nicht an
Gegenständen, noch an Formen, noch an
Farben. Ist doch die Erde konterfeit vom
schlichten Bächlein im Schwarzwald bis
zur brandenden Hochflnth, die Thierwelt
vom „Froschkönig" bis zum Elephanten
in der Prairie und die Menschheit von
Mutter Eva bis zu Lenbach's Töchterlein
— und die Art, die Natur und das
menschliche Leben wiederzugeben, präsentirt
sich in allen Stadien, vom sklavischen, am
Kleinen hängenden Nachmalen bis zum
kühnen Hinwegsetzen über alles nebensäch-
liche Detail, zum völligen Aufgehen in der
stillen, einsamen, gewaltigen Natur und
dem großzügigen, frei schaffenden Reprodu-
ziren derselben. Das Reich der Formen
hat sich die Kunst erobert und beherrscht
es in manchen ihrer Jünger mit souveräner
Gewalt, aber das Reich der Ideen und
ein gutes Stück der Vergangenheit und
der Liebe zu derselben scheint ihr verloren
gegangen zu sein — drum ist es eben eine
moderne Kunst, und doch auch wieder
nicht modern und nicht zeitgemäß; denn
wenn man die Zugkraft der Kunst nach
der Kaufkraft ihrer Produkte tariren soll,
so muß man konstatiren: abgesehen von
wenigen bevorzugten Sammlungen und
gewissen regierenden oder mediatisirten
Fürstenhäusern, in denen das Kunst-
mäcenat vom Ahn zum Enkel sich fort-
ererbt, geht das Publikum ziemlich kalt
und ungerührt an all' den Herrlichkeiten
vorüber. Doch kann man von der christ-
lichen Kunst auf den Münchener Aus-
stellungen dieses Jahres mit Freuden
sagen, es wird weniger Abstoßendes und
mehr Erfreuliches geboten als in früheren
Jahren. Dazu kommt ein weiterer Vor-
zug. Es gibt auch in der Kunst ein
 
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