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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 18.1900

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Nr. 10
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Die Jahres-Mappe 1900 der Deutschen Gesellschaft für Christliche Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.15905#0098
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91

hiebei kein Eintrag geschehen ist. Blätter von
tief religiöser Auffassung, verbunden mit vollendet
technischem Können, treten uns hier entgegen;
Architektur, Plastik und Malerei find in 12 Folio-
tafeln in Kupferdruck, Phototypie, Zinkographie
und Farbendruck, in 25 Abbildungen iin Text
und einem Titelmedaillon ehrenvoll vertreten.

Was zuerst die Baukunst anlangt, finden
mir in der diesjährigen Mappe drei neue Ver-
treter derselben, die Architekten Angermair, Hertel
und Schurr. Von ersterem treffen wir eine
Skizze des Portals der Gruppenausstellung der
deutschen Gesellschaft für christliche Kunst, welche
1899 zum ersten Male im Münchener königlichen
Glaspalaste stattfand. Der G-esammteindruck, auf
den es hier ankommt, ist ein wirkungsvoller..
Von HilgerHertel (geboren 1860 in Kevelaer)
liegen zwei Kirchenentwürfe vor, die heilige Kreuz-
kirche zu Münster in Grund- und Aufriß und die
kleine Kirche zu Stücklingen, beide im gothischen
Stile. Die erstere Kirche ist für 1600 Sitzplätze
berechnet und erforderte einen Aufwand von
350 000 Mark. Die ganze Konstruktion — das
sieht man auf den ersten Blick ■— setzt einen
tüchtigen Baumeister voraus. Eine eigenartige,
aber architektonisch ganz-glückliche Lösung finden
wir in dem zwischen Chor und Langschiff einge-
fügten Polygon, wodurch hier ein unzweifelhaft
mächtig wirkendes Sterngewölbe geschaffen wird.
Die Außenseite der Kirche zeigt ein schönes, reich
und harmonisch gegliedertes Bild der Architektur.
Die Kirche zu Stücklingen hat 800 Sitzplätze unb
kommt auf 105 000 Mark zu stehen. Der Thurm
zeigt hier in. seinem Uebergange vom Viereck zum
Sechseck keine glückliche, nachahmenswertheLösung.

Ter Münchener Architekt Hans Schurr (geb.
1864) ist mit einem gothischen Entwürfe zur
Kirche in Wolznach im Grund- und Längenschnitt
(nicht Querschnitt, wie es im Texte heißt) ver-
treten. Die überbaute Fläche beträgt hier 1592 m
und die Kosten belaufen sich auf 203 000 Mark.
Der Bau besteht aus Ziegelmauerwerk und ist
verputzt; die Architekturtheile sind aus Muschel-
kalkstein. Der Grundriß zeigt klare und gute Ver-
hältnisfe und das Ganze gibt, wie auf Tafel III
zu sehen, ein schönes lebhaftes Architekturbild.

Professor I. Schmitz, der uns schon aus den
Mappen 1893, 1895 und 1898 vortheilhaft be-
kannt ist, bringt diesmal einen Plan (Innen- und
Außenansicht) der Kirche in Grünmorsbach bei
Aschaffenburg, der zeigt, wie sehr der Meister
auch einfachen Verhältnissen gerecht zu werden
vermag und wie man auch im romanischen Stile
trotz der massiven Formen ein Gotteshaus glie-
dern kann, ohne daß es weder inneir noch außen
schwerfällig wirkt. Von Schmitz hat die Mappe
außerdem noch zwei Tafeln, welche das Portal
für die romanische Kirche in Sanderau-Würzburg
und den romanischen Altar für eine Klosterkirche
daselbst enthalten.

Die Bildhauerei ist durch die fünf Meister
Langenberg, Schiestl, Balth. Schmitt, Taschner
und Waders vertreten. Ferdinand Langen-
berg (geb. 1849 zu Goch), zum ersten Male
in der Mappe erscheinend, arbeitete lange am
Niederrhein und that sich besonders durch Nestau-
ration alter Werke hervor. Das sieht man auch
seiner „Kreuzigungsgruppe" an, bie ganz im Geist

und Technik der Alten gehalten ist und die eine
tiefe Empfindung nicht verkennen läßt. Von
Heinrich Schiestl haben wir diesmal auch
eine mehr profane Arbeit; er hat nemlich den
Frankenapostel Kilian als Büste auf einem Wappen-
schild und in der Art der sogenannten Luster-
weibchen der deutschen Renaissance dargestellt:
außerdem finden wir von ihm das Triumphkreuz
für die neuerbaute romanische Kirche zu Grün-
morsbach. Das Kreuz paßt gut für den Stil,
ist aber im Ausdruck unserm Empfinden nahe
gerückt, d. h. nicht stark archaistisch gehalten.

Professor B a lth. S ch m it t erscheint diesmal,
nachdem seit 1896 nichts mehr von ihm in der
Mappe zu sehen war, mit vier Darstellungen,
dem Grabmal des Kardinals Hergenröther, einer
Pietä, dem „Kopf eines Heiligen" und mit einem
Relief zu dem Marienaltar in der llrsulakirche
in München, wohl dem schönsten Stücke der
ganzen Mappe. Es ist in dem RenaifsancHil
der Kirche (München-Schwabing) gehalten und
speziell in der Art des Luca della Robbia (1400
bis 1481), dessen plastische Arbeiten aus gebranntem
und glasirtem Thon sehr beliebt waren lind
durch eine eigene Schule Nachahmung und Ver-
breitung fanden. Es stellt die heilige Jungfrau
mit dem Kinde zwischen den Heiligen Franziskus
und Dominikus dar. „Gedenken wir," sagt hier
der Text, „bei St. Dominikus des Rosenkranzes,
so bei St. Franziskus der Krippe; Mutter nnb
Kind gehören zusammen wie Spekulation und
Mystik, deren Vertreter die beiden find — Wissen-
schaft und Frömmigkeit aber sind mit den großen
Bekennern eins im Ziel, wie die Engel zu den
Füßen der Madonna. Vom Besondern erhebt
sich so der Geist zum Allgemeinen, der Kunst
höchster Triumph. Man betrachte in diesem
Sinn den verschiedenen Ausdruck des sich Ver-
senkens in das Göttliche bei dem liebeglühenden
Franziskus und spekulirenden Dominikus. Wie
Cherubim und Seraphim vor dem alttestament-
lichen Heiligthum, stehen sie als Wächter nnb
Apostel des Glaubens. Obwohl äußerlich rauh
wie das härene Gewand, ist ein solches Leben
in seinem Kern doch süß, harmonisch und köstlich,
gleich der Umrahmung dieser Figuren."

Einen eigenthümlichen Anblick gewährt die
„hl. Cäcilia" von Ignaz Taschner (geb. 1871
zu Kissingen). Sie ist nicht die geschichtlich be-
glaubigte Patronin der Kirchenmusik, sondern die
. Katakombenführerin aus Kardinal Wisemans „Fa-
biola". Als Jdealgestalt und weil sie um ihres
Glaubens willen geblendet wurde, also die Krone
des MarthyriumD errang, gab ihr der Künstler
die Gloriole. Sie ist in ihrem Liebesdienste dar-
gestellt und ist das Tasten und Hochhalten der
Lampe ganz charakteristisch und überhaupt die
ganze Gestalt in edler Formbildung gegeben.

Eines der schönsten Blätter der diesjährigen
Mappe enthält von Professor H. Waders den
„hl. Georg", Marmorstatue in der St. Georgs-
kirche zu Schlettstatt, eine Figur voll Kraft und
Würde und in der ruhigen statuarischen Haltung
ganz geeignet für eine Nischenfigur. Der Heilige
ist als Siegesheld nach glücklichem Kampfe dar-
gestellt, wie er diesen Sieg Gott aufopfert in
heißem Gebete. Alke Einzelnheiten der Statue
zeige» den vollendeten Meister. Eine eigene Auf-
 
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