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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 19.1901

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Nr. 2
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Osterritter, Theodor: Der Fußbodenschmuck in der christlichen Kirche, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15906#0015

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11

zu Siena. Er ist zum größten Theil von
Beccafnmi ausgeführt inib besteht aus
Marmorplatten, auf beneit Figuren in
den Umrissen eingravirt mtb mittelst
schwarzer Farbe hervorgehoben sind. Ver-
schiedene andere figürliche Darstellungen
dieses Bodens sind aus 2 bis 3 Arten
abgestuftem grauem Ntarmor znsammen-
gesetzt.

Besondere Erwähnung verdienen die
Majo li e a f li esen, welche ihre Bltitezeit am
Ende deS 15. nnb Anfang des 16. Jahr-
hunderts hatten. Sie kamen von den
Arabern in Spanien, welche sie gur Be-
kleidung von Wänden tuib Fußböden ge-
brauchten, über die Insel Majorca, einem
der Hauptsabrikationsplätze von Majolica-
waaren — daher auch der Name Majo-
lica — nach Italien hinüber. Ihre größte
Anwendung fanden sie in Genna, wo
Paläste mtb Kirchen damit geschmückt
wurden. Auch anderweitig, so in Venedig,
Bologna, Florenz und Siena wurden
Kirchen mit Fußböden ans Majolicastiesen
geschmückt.

Da die Majolicastiesen sehr empfindlich
waren, so verwendete man sie besonders
nur an solchen Stellen, die wenig be-
gangen wurden oder doch meistens durch
Teppiche geschützt waren, so hauptsächlich
in den Seitenkapellen der Kirchen. Die
noch erhaltenen Reste von Majolicafnß-
böden weisen einen großen Reichthnm an
wechselnden Motiven und eine ganz eigen-
artige reizvolle Behandlung der Dekora-
tion ans. Hauptfabrikationsorte waren
Siena und Faenza, nach letzterer Stadt
wurde die Majolica in FrWtkreich Faience
genannt.

Einen wesentlichen Unterschied uoit den
Majolicastiesen bieten die g l a s i r t e n s ü d-
i t a l i e n i s ch e n F l i e s e n *) dar. Während
die MajolicafliWe in -der Ornamentirung
ein für sich abgeschlossenes Ganze bildet,
ist die süditalienische Fliese nur ein Theil
der ganzen Figur, um also die ganze
Figur zu erhalten, sind mehrere, gewöhnlich
4 Fliesen nöthig. Die Fabrikation dieser
süditalienischen Fliesen erhielt sich iit Si-
cilien und int Neapolitanischen bis auf

’) Ji» Kunstgewerbe-Museuni zu Berlin ist
eine sehr reichhaltige Sammlung von Majolica-
und süditalienischen fliesen aus der Blüthezeit
der italienischen Renaissance.

den heiltigen Tag, wo sie wieder z>l er-
höhter Blüthe mtb Bedetltnng gelangte.

Die Majolicastiese kaut mit Beginn des
16. Jahrhunderts von Italien aus nach
Frankreich, wo die F a i e n c e s l i e s e, wie sie
jetzt genannt wurde, längere Zeit als be-
sonders prächtiger, aber seltener Fnßboden-
schntllck in Kircheit mtb Schlössern ver-
wendet wurde. Von Frankreich atis kanten
die Faiencestiesen nach Holland. Ihr be-
bentenbfter Fabrikationsort war in Delft,
nach bem man sie dann Delfter Fliesen
nannte. Gegen Ende des 18. Jahrhun-
derts verschwanden die Faiencestiesen, um
erst in den 50er Jahren unseres Jahr-
hunderts wieder aufznleben.

In italienischen Renaissance- und Barock-
kirchen findet sich auch manchmal ein Mar-
morsnßboden mit Intarsien, d. h. in den
Marmor, der die Grundfläche darstellt,
z. B. in weißen ist Ranken- und Blätter-
werk aus schwarzem oder andersfarbigem
Marmor eingelegt.

Wir haben oben gesehen, daß in den
nördlichen Ländern in der späten Renais-
sance und im Barock der Fußboden in
der Hauptsache nur mit gewöhnlichen
Steinplatten bekleidet war und man von
eigentlichem Fnßbodenschmnck in den Kirchen
mit wenigen Ausnahmen nicht mehr reden
konnte.

In den 40er Jahren unseres Jahr-
hunderts erst erwachte das Interesse für
die großen mittelalterlichen Dome wieder.
Man stndirte deren Innenarchitektur wieder
und überzeugte sich von der großen Be-
deutung des Fußbodens für die künst-
lerische Raumgestaltung. So kam man
daraus, hauptsächlich den Thonfliesen und
der Technik ihrer Herstellung, welche gänz-
lich in Vergessenheit geraten war, wieder
nachzuforschen. England ging voran. In
einer Reihe von Fabriken wurden roma-
nische und gothische sowie Faiencestiesen
hergestellt. Bald entstanden auch in Deutsch-
land Fabriken, die sich mit der Fabrika-
tion von Thonsliesen ') beschäftigten.

Als Fußbodenschmnck in der Kirche
stehen der modernen Architektur alle Boden-
belagsarten, die in dieser Abhandlung auf-
gesührt sind, zur Verfügung, da wo es

') HeulzMge werden Fliesen in allen Siii-
arten, romanisch, gothisch, Renaissance, Barock
und Rococo angefertigt.
 
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