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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 19.1901

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Nr. 8
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Schermann, Theodor: Die christliche Ostung, [4]
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Reiter, Joseph: Nachklänge zu den Artikeln über Schlußsteinfragen
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https://doi.org/10.11588/diglit.15906#0068

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60

Ideenreichtum des Mittelalters, daß der
Heiland beim Sterben am Krenze sein
Haupt nach der rechten Seite (Joh. 19,
30), also nordwärts geneigt habe, was
die Baukunst des Kreuzes audeuten wolle.
Ein natürlicher Grund dürfte darin be-
stehen, daß die östliche Richtung der
meisten Kirchen gegen Norden abweicht,
weil der Sommer ltnfere Bauzeit ist, eine
Jahreszeit, in welcher die Sonne stets
nördlich vont Aequator aufgeht. Nörd-
liche Abweichung zeigt sich au der Stifts-
und Leonhardskirche zu Stuttgart, St.
Jakob §it Löwen und la Cliapelle zu
Brüssel. Von starker südlicher Abweich-
ung ist bekannt: Stiftskirche 511 Zürich,
Kirche zu Ueberlingeu, Radolfzell, Lorch,
Stiftskirche zu Bonn. Die südliche Ab-
weichung, welche sowohl an byzantinischen
als gothischen Kirchen vorkommt, hat nicht
ihren Grund darin, daß die Sonne uns
im Winter südlich aufgeht, nms für die
Werkleute, die Winters nicht bauten, kein
Grund sein konnte, sondern daß die
Sonne uns Nordländern allzeit die Mü-
tagsliuie südlich überschreitet. Daß die
Richtung der Kirchen nach beut Sonnen-
lauf bestimmt wurde, und zwar von der
Zeit ihres Aufganges bis zil ihrer An-
näherung gegen die Mittagslinie, ist
zweifelsohne.

Auch in de nt 1 4. und den folgenden '
Jahrhunderten war die östliche Rieh- :
tung der Kirchen eine so strenge Regel, daß
sie über Bequemlichkeit, Mühe und Kosten
siegte. Nicht nur giebt es Beispiele, in
denen der ivestliche Eingang durch Natnr-
uud Ortsverhältnisse unbequem war, aber
dennoch beibehalten wurde — so z. B.
mußte die Gemeinde von Kreuznach um
die Kirche hernmgehen, um in den west-
lichen Eingang zil koutulen —, sondern
gar häufig wurden, um der Kirche die
östliche Richtung geben zil können, An-
höhen abgetragen, Felsen gesprengt, Grund-
bauten gemacht, um die nötige Grund-
fläche zil gewinneil: bei der Wernerskirche
zil Bacherach; der Katharinenkirche zu
Oppenheim; Marienkirche zil Oberwesel.
Beweise kostspieliger Grniidbanten sind
iiicht selteii: man betrachte beit Chorbail

1852, führt als Beispiele an: Tours, St Die;
Münster in Westfalen, s. Kreuser. a. a. O. S. 6V.

I der Stiftskirche zu Tübingen; um dem-
I selben die nötige Ansdehnung zu geben,
1 uiußte man starke Grnndbanten nnfführeu,
weil die Lage stark abfiel. Zil diesen
i Beispielen gehören ailch die Karmeliten-
kirche zil Hirschhorn am Neckar, St. Gn-
dula zil Brüssel, St. Peter zil Löwen?)

Daß viele Verfehlungen aber auch gegeil
die Regel vorkamen, zeigen die kirchlichen
Erlasse neuerer und neuester Zeit, welche
die Oftrichtung wieder einschärfen.

Die Verbote, Altäre im Westchor oder
im Ost- iiud Westchor aufznstellen, daß
zil gleicher Zeit celebrirende Priester sich
beit Rücken kehren, welche Mailänder
Synoden unter Karl Vorromäus?) eine
Synode von Air?) Benevent und Avig-
non^) im 16. Jahrhundert erlassen,
wurden im letzten Jahrhundert wieder-
holt zu Prag 1860?) Valladolid 1887°)
und auf einem Plenarkonzik der ameri-
kanischen Bischöfe in Rom im Jahre
, 1899?) Commendandum est ut novae
ecclesiae . . . exhibeant speciem ciu-
cis . . .; item convenit, nisi loci dis-
positio obsistat, 11t altare principale
cum presbyterio versus orientem si-
tu rn sit.

Nachklänge zu den Artikeln über
^chlnßsteinfragen.

Von Pfarrer Netter in Vollinaringen.

Nachklänge heißen die folgenden Sätze,
insofern sie in loser Aneinanderreihung
zum größten Theile das, was in den ge-
dachten Artikeln über die Schlußsteine
ansgeführt worden ist, erweitern, vertiefen
und an einigen neuen Beispielen illu-
strieren wollen.

Zunächst sei hervorgehoben, daß sich in
Eutingen nicht ein gewöhnliches Wappen,
sondern ein Meisterschild angebracht findet,

0 Mone, Anzeiger für Kunde des deutschen
Mittelalters. Herausgeg. von Fhr. v. Aufseß und
Mone. 3. Jahrg. Nürnberg. 1834. S. 20 t f.

2) Acta Mediol. P. 1. Loire. Prov. IV p.
470-569. s. Andr. Schund, a. a. O. S. 365.

8) Harduin: Loire, coli. t. X. p. 1556.

4) Collect. Lacens t. I. p. 55, 75, 505.

6) Coli. Lacens. t. V. p. 525.

6) Conc. Prov. Vallisol. pars 4. tit. 9.

7) Acta et decreta Concilii Plenarii Anrericae
latinae in urbe celebrati a. d. 1899. Romae.
Typis Vaticanis. 1900. T.t. XIV de rebus
sacris. cap. I. de ecclesiis, p. 385 f.
 
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