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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 20.1902

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Nr. 1
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Bach, Max: Hans Multscher, Bildhauer und Maler?
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https://doi.org/10.11588/diglit.15935#0015

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Geburt, bei der Anbetung, bei der PilaiuS-
scene n. s. w., wie charakteristisch indi-
viduell, wie dranratisch sind diese Figuren.
Ist es denkbar, daß ein und derselbe
Meister sein ganzes Empfinden innerhalb
20 Jahren ändern kann? Ich will nicht
sprechen von den Vorzügen der Stertzinger
Bilder in anderer Beziehung, dein ideal
schönen Madonnentypus, den prächtigen
bärtigen Köpfen, der Ueberlegenheit in
Haltung, Drapirung und Perspektive.
Alles das läßt sich im Laufe der Ent-
wicklung eines Künstlers recht wohl be-
greifen. Aber nieurals wird ein Kiinstler
in der Entwicklung zurückschreiten, nie-
mals wird er einen Typus, den er ein-
mal erfaßt hat, preisgeben, so wie es
im Typus der Kriegsknechte auf den
Stertzinger Tafeln der Fall ist.

Wir müssen angesichts dieser That-
sachen unbedingt zweierlei Meister voraus-
setzen, einen solchen der mit den Anfängen
seiner Kunst noch ins 14. Jahrhundert
zurückreicht und einen zweiten, welcher
schon ganz dem 15. Jahrhundert an-
gehört.

Aber wie steht es dann mit dem Bild-
hauer?

Mit ihm stehen wir auf streng histo-
rischem Boden: 1427 wird Hans Mult-
scher als Bürger in Ulm ausgenommen,
1433 fertigt er für Konrad Karg das
leider zerstörte Steinbildwerk im Münster,
1447 stiftet Adelheid Mutschellerin Kon-
rad Hermann's Wittwe 100 fl. und drei
Tagwerk Wiesmad zu einer Jahrzeit
für ihn, ihren zweiten Mann Hans Mut-
scheler, ihren Sohn den Priester Herrn
Konrad M., ihre Tochter Anna, Klausen
Ritzmann's Ehefrau, ihre Tochter Barbara,
Hansen Goldschmied's Ehefrau und ihren
Sohn Hans. Später erfahren wir noch,
daß die Pfleger des Nachlasses des
Meisters Hans „des Bildhauers" unb
der Adelhaid Kitzin, seiner ehelichen Haus-
frau, beurkunden, daß sie zu je einer am
Sonntag Reminiscere zu begehenden
Jahrzeit für das Seelenheil der Ge-
nannten und ihrer Nachkommen VI2 fl.
jährlich ewigen Zins aus den Gütern in
und um „Linhain" gegeben haben. Diese
Zinsen ans seinen Gütern verkauft Graf
Hans von Linhain am 13. März 1467
um 37 fl. und 2 Ort an „Hansen Mnlt-

scheren des Bildhauers 511 Ulmn.s.w.
selig Jahrzeit". 1431 erscheint der
Meister in einem steneramtlichen Protokoll
als „Bildmacher" und geschworener Werck-
mann; auch im Bürgerbuch wird er aus-
drücklich als Bildhauer angeführt. In
den Stertzinger Urkunden wird er als
Tafelmeister bezeichnet, d. h. also, wie
mir heute sagen würden, Altarbaner,
Unternehmer für den ganzen Altar. Daß
er in dieser Eigenschaft die Anfstellnng
des Altars an Ort und Stelle übernom-
men hat, beweist eben wieder, daß der-
selbe kein Maler, sondern Bildhauer,
Werckmann war.

Wir haben zum Schluß noch die Jn-
schriftenfrage zu besprechen. Schon mehr-
mals habe ich daraus hingewiesen und
durch Beispiele belegt, wie vorsichtig man
sein muß, beim Lesen und Deuten von
Inschriften an Altären und Bildwerken.
Es gab eine Zeit, wo Jnschriftenfälsch-
ungen gang und gäbe waren und in die
Litteratur übertragen wurden. Ich er-
innere nur an den Fall Schramm und
das Mickenhäußer Altarwerk von Zeit-
blom. Auch die Inschrift an den Wein-
garter Tafeln im Dom in Augsburg
hatte ich stark angezweifelt, wurde aber
dann von Dr. Schröder berichtigt. ‘)

Dies wäre wohl der einzige Fall,
wenn Schröder Recht hat, wo zivei
Künstler sich als Verfertiger eines Altar-
werkes nennen; der Maler und der Bild-
hauer Michel Erhärt und Hans Hol-
bain. Gewöhnlich waren die Maler die
Unternehmer des Altarwerkes und haben
sich dann als solche ans Inschriften, in
der Regel ans der Rückseite des Altars
oder sonst an einem bescheidenen, nicht
besonders auffallenden Ort, durch ihren
Namen verewigt. Vielfach aber, sogar
bei ganz bedeutenden Werken, wie z. B.
beim Vlaubenrer Altar, ist keine Künstler-
inschrift vorhanden. Selbst beim Fa-
milienaltar des Friedrich Herlin in Nörd-
lingen ist nur die Jahrzahl 1488 und
dessen Wappen angebracht. Der Name
Frie Herlen, Malle 1488, am rechten
Flügel scheint gefälscht.

Die Multscher'schen Tafeln in Berlin
haben, wie erwähnt, eine unzweifelhafte

0 Repert. f. Kunstwissenschaft 190t, 2. Heft.
 
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