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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 20.1902

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Nr. 2
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Die Neue Kirche zu Kirchberg, OA. Biberach
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https://doi.org/10.11588/diglit.15935#0026
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17

Bau selbst im Juni 1898 begonnen und
noch im Herbst desselben Jahres unter
Dach gebracht worden war.

Dieser Kirchenbau hat seine eigene
Vorgeschichte, welche darum von allge-
meinerer Bedeutung ist, weil in ihr der
Gegensatz zwischen den praktischen Jnter-
essen des Jnnenraumes und den ästheti-
schen der äußeren Erscheinung zum Aus-
trag kam und eine höchst beachteuswerthe,
nach unserer Meinung sehr gelungene
Lösung gefunden hat.

Dieser Kampf zwischen den Ansprüchen
der Kirchenbesucher auf einen möglichst
einheitlichen großen Jnuenraum mit all-
seitigem unbehinderten Blick in den Chor
und zwischen dem künstlerischen Gewissen
des Architekten, welches von der ganzen
Anlage und Erscheinung des Baues eine
harmonische Gliederung verlangt, wieder-
holt sich ja immer wieder und wird auch
seiner Zeit bei einer der bedeutendsten
Kirchenbautcn der Diözese eine Rolle
zu spielen versuchen. Darum soll die
Vorgeschichte dieses Kirchberger Baues
hier ihre Erwähnung finden.

Die alte Kirche, stillos (mit schönem
romanischen Thurm, der ein charakteristi-
sches Satteldach trug) und viel zu klein,
mußte abgebrochen werden, um einem
würdigen und geräumigen Neubau Platz
p machen; der Thurm sollte ver-
bleiben : das war im allgemeinen der
Bauplan, für dessen Ausführung die Ge-
meinde iiid eifrigster und opferwilligster
Weise das'nöthige Geld aufgebracht hatte.

Architekt Endes, der als Kirchen-
erbauer einen Namen von bestem Klang im
ganzen Lande hat, wurde anno 1894 be-
auftragt, den Plan zum Neubau zunächst
des Kirchenschiffes anszuarbeiten.
Dasselbe sollte ca. 750 Sitz- und Knie-
plätze enthalten und demgemäß 33 Meter
laug und 16 Meter weit werden.

( Diese Grundrißdimensionen ließen eine
Raunigliederung durch Anlage von Mittel-
und Seitenschiffen, also eine regelrechte
dreischifsige Kirche, als wünschenswerth,
ja uothwendig erscheinen. Bezüglich der
Elmabschließenden Theile waren aus
Rücksichten auf die Kosten steigende und
horizontale Holzdeckeu vorgesehen.

, Allein dieser erste Plan fand nicht all-
icittge Zustimmung. Der Grund lag

darin, weil die Pfeiler zwischeir Mittel-
und Seitenschiffen den Blick von letzteren in
den Chor hinderten. Aus diesem Grunde
verlangte der Pfarrherr eine einschiffige
Kirche mit ca. 12 Meter Spannweite.
Der Kirchenstiftungsrath wollte massive
Gewölbe haben, welche die Kirche jedoch
nicht wesentlich vertheuern dürften. Da-
gegen hegte der Ortsvorstand in Anbetracht
der das Jllerthal beherrschenden Lage der
Kirche berechtigte Bedenken wegen des
scheuerartigen riesigen Daches und der
kastenartigen Erscheinung des ganzeil Bau-
werkes, wenn dieses einschiffig gehalten wäre
und also nach außen soviel wie keine
Gliederung hätte. Hieralls ergaben sich
langwierige Verhandlungen über das Für
und Wider einschiffiger Kirchenanlagen.

Es sei hier gestattet, die Stimule
eines Fachmanns von bedelltendster Auk-
torität zur Rechtfertigung des Stand-
punktes des Architekten bezüglich der har-
monischen Gliederung und der ästhetischen
äußeren Erscheinung der Kirche anzuführen.

Nach G. Dehio wird „der Hallptraunr
in katholischen Kirchen besonders in Deutsch-
land oft zu kolossaler Weite gesteigert nnb
übertönt alle accessorischen Theile. Das
Organische tritt an diesen Bauten sehr
zurück, die Formeil sind im Verhältnis;
zur Größe der Räume mager und kommen
nicht zur Geltung". Für das Aeilßere
bedeutet nach ihm „jeder andere Typus
als der der kreuzförmigen Basilika, mag
fein Werth für den Jnnenraum sein, wel-
cher er will, nur Einbußen". Ganz un-
günstig für die Gestaltung des Aeußern ist
nach ihm die Hallenkirche mit nach innen
gezogenen Strebepfeilern. Hierdurch ent-
stehen Bauten von „öder Masseuhaftig-
keit ohne Gliederung, bedeckt von einem
riesigen Dach. Aber auch wenn die
Strebepfeiler ganz oder theilweise vor-
treten, bleibt die Gliederung doch unzu-
länglich" (St. Lorenz, Nürnberg).

Diese von Dehio bezeichneten Mängel
in der Gestaltung des Aeußern bei dem
Streben, vor allem das Innere möglichst
weit und einheitlich groß zu schaffen,
zeigen auch unsere schwäbischen Barock-
Kirchen : die architektonische Ausbildung
erstreckt sich nur auf die Westfassade, die
anderen Seiten haben soviel wie keine
Gliederung und feinen ästhetischen Werth.
 
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