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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 20.1902

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Nr. 2
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Die Neue Kirche zu Kirchberg, OA. Biberach
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https://doi.org/10.11588/diglit.15935#0027

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18

Es ist selbstverständlich, daß das Gesagte
nur für Bauten größeren Maßstabes
gilt.

Bei Kirchen kleineren Maßstabes, welche
dreischifsig angelegt werden, besteht die
Gefahr, daß sie wehr wie Modelle wirken,
fast kindisch, anstatt künstlerisch erscheinen.
In diesem Falle ist und bleibt die ein-
schiffige Anlage mit Bereicherung der
perspektivischen Wirkung des Jnnenrauines
durch hochgeführte Seitenkapellen die
zweckmäßigste. Dabei ist von großer
Wichtigkeit das Verhältniß der Länge zur
Weite, für dessen Minimum 2:1 gelten
kann. In Weingarten, der bestpropor-
tionirten einschiffigen Kirche, ist der Raum
zwischen bcu Seitengallerien mehr als
fünfmal so lang als weit!

Daß diese Ausführungen richtig find,
darüber besteht kein Zweifel, ebensowenig,
wie darüber, daß auch das Aeußere des
Gotteshauses in möglichster Schönheit und
Harmonie erscheine.

Anderseits kann man dein Verlangen
einer Gemeinde, welche vor allem auf ein
möglichst praktisches Kirchen-Jnueres sieht,
welches jedem Besucher zum Heiligsten
int Chore freien Blick gewährt, die Be-
rechtigung gewiß nicht absprechen. Es
dürfte sogar die Frage naheliegen, ob
nicht gerade unsere Gegenwart dahin
drängt, daß man der letzteren Seite eine
größere Aufmerksamkeit schenken muß, als
in früheren Zeiten; vielleicht kann darüber
gelegentlich ein andermal etwas gesagt
werden.

Aber das muß betont werden: die An-
sprüche dürfen weder hüben noch drüben
überspannt werden. Es gibt Architekten,
welchen die rein künstlerische Wirkung
und Erscheinung eines Bauiverks über
alles andere geht; es gibt Gemeinden und
Geistliche, welche bestimmte rein praktische
Rücksichten und Zwecke allem voranstellen.
Es gibt aber auch genug kirchliche Bauten,
welche die höchste ästhetische Wirkung mit
der höchsten Zweckmäßigkeit vereinigen. —

Um nun auf unseren Kirchenbau zurück-
znkommen, so vereinigten sich schließlich
Seelsorger und Kirchengemeindevertretung
von Kirchberg mit dem Architekten Codes
auf den Plan, eine gratgewölbte Basi-
lika mit 9 Bieter breitem und ent-
sprechend hohem BUttelschiff und mög-

lichst kleinen Seitenschiffen zu schaffen und
dem Architekten, dessen Stellung iit diesem
Widerstreit der Meinungen keine eben
rosige war, trotz gewisser Nebenströmungen
treu zu bleiben.

Das Resultat dieses Kompromisses ist
die neue Kirche, wie sie jetzt steht. Die-
selbe erhielt nunmehr Proportionen,
welche zwar dem praktischen Gebrauch der
Kirche als Versammlungsort der Gläu-
bigen zuin gemeinsamen Gottesdienst wie
überhaupt dem deutschen Raumgefühl recht
wohl entsprechen, welche aber die ästhe-
tische Erscheinung des Aeußern nicht nn-
wesentlich beeinträchtigen. Was für den
Jnnenraum bei solchen Verhältnissen an
behaglicher Breite gewonnen wird, muß
dem Aeußern an Grazie verloren gehen:
die schmalen, streifenartigen Seitenschiffe
stehen nicht mehr im richtigen und strengen
Verhältniß zum übermäßig dominirenden
Mittelbau.

Hut hier noch mehr Gliederung anzn-
bringen und ein besseres Verhältniß her-
zustellen, hat Architekt Codes von den
Strebepfeilern der Seitenschiff-Mauern
über das Dach der letzteren weg zu denen
der Mittelschiffsmauern Strebebogen
emporzuführen geplant (vergl. Querschnitt,
sowie die Chor- und Westgiebel-Ansicht),
welche reicheres Leben in das äußere
Gesammtbild der Kirche bringen und da-
durch die oben angeführten ästhetischen
Mängel beheben würden. Außerdem wür-
den dieselben von erheblicher konstruk-
tiver Bedeutung sein. Leider'aber mußte
aus naheliegenden finanziellen Gründen
die Anbringung dieser schönen Strebe-
bogen vorerst unterbleiben und der Ge-
wölbeschub durch Zuganker paralysirt
werden. Möge aber die Zeit nicht
allzu ferne sein, wo dieselben
zur Ausführung kommen!

Was den Thurnt betrifft, so blieb der-
selbe stehen; ihm wurde, wenn auch nicht
ganz unter einem rechten Winkel (vergl.
Grundriß) der Chor angegliedert. Da
er aber für die neue Baumasse zu schmäch-
tig und zit nieder erschien, so tnußte er
mit eilt Stockwerk erhöht werden (und
ztvar in d e r Weise, wie auf der C h o r-
a n sicht zu sehen ist). Das charakteri-
stische, malerische Satteldach des alten
Thurmes ntußte — gegen den unseres
 
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