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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 20.1902

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Nr. 3
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Rohr, Ignaz: Philipp Veit, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15935#0035
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nicht über den Entwurf hinaus, aber für
den Meister blieb ein dauernder Gewinn,
der in den nächstfolgenden Werken sich sofort
offenbarte. Ein „hl. Georg" für die Pfarr-
kirche in Bensheim (Bergstr.) gibt nicht den
Drachenkampf wieder; derartig bewegte und
aufgeregte Scenen stimmten nicht zusammen
mit dem Naturell des Künstlers, sondern
das Sinnen und Träumen nach vollbrachter
Heldenthat. Die für die Rettung Gott
dankende Frauengestalt im Hintergrund
schließt das Ganze harmonisch ab.

Auch in der „Taufe Jesu" (Altarbild
auf Schloß Johannisberg) ist nicht der
biblische Vorgang selber, sondern die an-
dächtige, sinnende Stimmung nach derselben
dargestellt. Das Kolorit der beiden Haupt-
figuren bedeutet einen Vorzug gegenüber
der damals beliebten Richtung in der Oel-
malerei.

Ein Stimmungsbild wie die genannten
ist auch die „Aussetzung Mosis" (1835).
Veit hat nicht den freudigen Moment ge-
wählt, der die Pharaonentochter zum Kinde
führt, sondern den schmerzerfüllten Abschied
der Mutter von ihrem Liebling. Wie sich
dessen Zukunft gestalten wird, ist noch un-
gewiß. Sprechend ist dies ausgedrückt
durch die Schwester des Kindes, welche an
einem Felsblock kauert und die nahende
Prinzessin bereits wahrgenommen hat, aber
ungewiß, ob diese Begegnung zum Heil
oder Verderben sein würde, und überrascht
durch dieselbe die Hand fragend an den
Mund legt.

Wie hier, so ist auch bei den „beiden
Marien am Grabe" (Federzeichnung) die
Tiefe der Empfindung der Hauptvorzug,
und ebenso bei zwei Bleistiftskizzen „Judas
Makkabäus" und „Moses beim Kampfe
gegen die Amalekiter."

Eine nachhaltige Förderung auf dem
Weg nach oben erfuhr Veit durch seine
Gegner. Hatten es die Nazarener als
ihre Aufgabe angesehen, durch ihre Kunst
zum Idealen emporzuziehen, so war die
Düsseldorfer Schule, wenigstens in ihren
Adepten, auf dem Weg, dem Wohlgefallen
entgegenzukommen und die Menge für sich
zu begeistern. Ein Grund dieser Be-
geisterung war die Eleganz der Technik
und der Glanz des Kolorits, also gerade
das, was in Veit von Natur aus Grund
gelegt, aber wegen seiner lückenhaften!

2(i —

Schulung nie zur vollen Ausbildung ge-
kommen war. Es galt also, dem Gegner
die Geheimnisse seines Erfolges abzu-
lauschen.

Der Direktor des Städel'schen Institutes
hat es fertig gebracht. So rasch ging es
freilich nicht: trug er sich doch eine Zeit
lang allen Ernstes mit dem Plane einer
Sezession nach Assisi; aber endlich gelang
es doch, und erst diese Zeit des Zwistes
und Zwiespaltes brachte es so recht an
den Tag, wie hoch man den Meister nicht
blos in Frankfurt, sondern selbst in Düssel-
dorf stellte. Um wieviel sie ihn auch inner-
lich vorwärts gebracht, zeigt das 1834
bis 1836 gemalte Freskobild: „Einführung
der Künste durch das Christenthum". Die
heidnische Göttereiche ist gefallen; heid-
nisches Sänger- und Priesterthum räumen
das Feld vor der Kirche, welche ihren Ein-
zug hält mit den Künsten und Wissen-
schaften in ihrem Gefolge. Nichts Ge-
ringeres hat der Künstler hiemit zur Dar-
stellung gebracht, als die gesammte Kultur-
aufgabe, welche die Kirche •— bald mit
größerem, bald mit geringerem Geschick und
Erfolg das ganze Mittelalter hindurch zu
lösen bemüht war und gelöst hat. Und
mit wie einfachen Mitteln, mit wie wenigen
Gestalten hat er es erreicht; wie klar und
anschaulich hat er es dargestellt, und wie
schön hat er in den beiden Flügelbildern
das Zusammenwirken von Deutschland und
Italien zum Ausdruck gebracht, und wie
trefflich hat er es verstanden, der Jtalia
das schmerzliche Bewußtsein einstiger Größe
und derzeitiger Niedrigkeit und trotz letzterer
den Adelsstolz einer unsterblichen Ver-
gangenheit einzuhauchen: der Dank des
Künstlers für die während 16 Jahren ge-
nossene Gastfreundschaft, zugleich die Hul-
digung an's alte Rom und die Antike
überhaupt.

Möchte man dem Bilde, sowohl bezüg-
lich der einzelnen Gestalten, als der Farben-
gebung noch mehr Individualität wünschen
— man kann schließlich doch von jener
Zeit nicht das verlangen, was die unsere
als Frucht einer Dreivierteljahrhunderte
langen Entwicklung zu bieten vermag.

Der Beifall der Zeitgenossen war ein
ungetheilter, die Huldigung eine weitgrei-
fende und die Begeisterung des Meisters
für die Ideale der Kunst eine derartige.
 
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