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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 20.1902

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Nr. 3
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Reiter, Joseph: Einhornspuren
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https://doi.org/10.11588/diglit.15935#0044

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35

thun haben. Letzteres dürfte wahrscheinlich sein,
deshalb nehmen wir hievon Anlaß, den Blick
ans einige Wappen zu lenken.

Zwei Städte giebt es in Württemberg, welche
das fabelhafte Einhorn im Wappen führen, nem-
lich Gmünd und Giengen an der Brenz. Wie
diese Städte zu einem solchen Wappen gekommen
sind läßt sich nicht mehr feststellen. Die Ver-
mutung, daß Hohenstaufischer Einfluß dabei
thätig gewesen, scheint doch nicht so unbegründet
zu sein, wie es schon dargestellt werden wollte.
Soll das Bild des Einhorns ähnliches zum Aus-
druck bringen wie der Reichsadler? Oder sollte
eine Einhornjagd in der Marienkirche zu Lorch
die Wahl des Thieres zum Stadtwappenschmuck
veranlaßt haben? — Außer den genannten Städten
führen das Einhorn (ob ganz oder nur den
Rumpf, ob nur im Schild oder auch als Helm-
zier und dcrgl. bleibe unberücksichtigt) in Wappen
oder Siegeln folgende Geschlechter oder Personen:
Götz von Bachenstein, OA. Künzelsau, 1485, die
von Billingsbach, OA. Gaildorf, die von Croaria,
die von Euerhausen in Bayern, welche in Würt-
temberg Besitzungen hatten, die Fetzer oder Vetzer
von Oggenhausen, OA. Heidenheim, und die Vetzer
von Brogenhofen oder Bragenhofen (abgeg. in
der Nähe pon Vogelhöfe bei Gmünd), die Feurer
in Hall und Heilbronn, Gall zum Rudolfseck,
1605 Obervogt zu Freudenstadt, die Gwärlich
zu Ulm, die von Haubert, von Hertenstein im
Frankenland, von Hessenthal, OA. Hall, von
Hirschfelden, OA. Gaildorf, von Hoy in Reut-
lingen, Reichspostmeister Mittler auf seinem Grab-
stein zu Cannstatt, Cunrat Münzmeister 1403,
Kuno Ripstein, Richter in Eßlingen 1344, Walther
von Rinderbach, Bürger von Gmünd 1309, Rot,
Ott von Ulm, und der Salemer Abt Emanuel
Sulzer von Neufra bei Riedlingen (drei Einhorn-
hälse).

Sonst finden wir das Einhorn noch über dem
Eingang des Geburtshauses des Philosophen
Schelling zu Leonberg (I-mberus Oindorn) 1626,
in der Friedhofs- oder Herrgottskirche zu Creg-
lingen, OA. Mergentheim (Hohenlohische Wappen-
schilder mit Einhornskopf), in der unteren Stadt-
kirche zu Haigerloch und in der Gottesacker-
kapelle zu Londorf bei Vollmaringen. Dort be-
sieht man, auf Holz gemalt, das Bild des Er-
lösers mit der Weltkugel, unter ihm in einem
Wappenschild auf rothem Grund ein weißes
aufgerichtetcs Einhorn, darüber einen Kelch und
die Buchstaben C. C. 8. Wie im „D.-A. von
Schwaben" 1896, S. 168, ausgeführt wurde,
handelt es sich hiebei um eine Stiftung des
Pfarrers Cäsar Conrad Schott, das Wappen
aber ist wohl als ein priestcrliches Wappen zu
betrachten, da sich das Einhorn wegen seiner
symbolischen Bedeutung zu solcher Verwendung
so gut eignen mag, wie Kreuz, Kelch, Anker,
Pelikan und dergl. Freilich muß dieser Vermu-
tung alsbald das Geständniß folgen, daß mir
bis jetzt in den Büchern und Siegelverzeichnissen,
welche wir durchgegangen habe», weitere Ein-
hornwappen bei Priestern nicht finden konnten
(Die Angabe, daß das Einhorn auf einem Grab-
stein des Pfarrers Erath zu Londorf dargestellt
sei, scheint nicht richtig zu sein). Vielleicht kann
das oben genannte Wappen des Abtes E. Sulzer

von Salem in unserem Sinn gedeutet werden,
ebenso das Wappen des Abtes Stephan Jung
von Salem.

Nach einer Notiz in dem Aufsatz Osterritters
über den Fußbodenschmuck in der christlichen
Kirche ist das Einhorn auf einer Bodenfliese zu
Bebenhausen zu treffen („Archiv" 1901, S. 10).
Haben etwa die Cistercienser eine besondere Vor-
liebe für das fragliche Thier gehabt? Unmög-
lich wäre das nicht, aber man braucht nicht zu
einer solchen Annahme zu greifen, um das Vor-
konlinen des Einhorns in den Klöstern zu er-
klären. Abgesehen von der schon öfters genannten
Bedeutung desselben überhaupt, kommt hier noch
der besondere Umstand in Betracht, daß das
Einhorn, weil es ganz allein in Wildnissen lebt,
als Sinnbild der Einsamkeit und des klösterlichen
beschaulichen Lebens anzusehen ist und sich mit-
hin für die Klöster sehr gut eignet. Wie Menzel
berichtet, ist das Einhorn auch im Wappen des
tief in Einöden durch den hl. Sturmio gegrün-
deten Klosters Fulda. Am elfenbeinernen Bischofs-
stab dieses Heiligen (kommt auch sonst gerne an
den Hirtenstäben der Aebte vor) sieht inan das
Einhorn vor einen: Kreuze knieend dargestellt.
Auf einem Miniaturbiid daselbst verjagt das
Einhorn Schafe, d. h. ausgeartete Mönche.

Hiemit ist die Vorführung beendigt. Die Zahl
derjenigen Exemplare, welche sich derselben zu
entziehen wußten, dürfte aller Wahrscheinlichkeit
nach gering sein.') Wir hatten ja von vorn-
herein nicht die Absicht, alle Reviere zu durch-
streifen (Vergl. Detzel, Ikonographie, Band I,
S. 161), wir wollten vielmehr in erster Linie
nur das Gebiet unserer Diözese absuchen und
so eine Art Einhornsstatistik liefern. Wenn bis-
weilen die Grenzen überschritte:: worden sind, so
geschah dies meistens nur insoweit, als es zur
Erklärung der betreffenden Darstellungen nothwen-
dig war.

Ob wir Spuren des Einhorns wohl auch noch
in alten Predigten oder Gebetbüchern unseres
Landes (sonst z. B. in den Initialen eines Stun-
denbuchs aus dem Jahre 1409 Colmar) ent-
decken würden? Aus der Neuzeit können wir
ein Gebetbuch nennen, in welchen: in einigen
Zeichnungen das Einhorn wiederkehrt, wir meinen
das sehr empfehlenswerthe Buch: „Himmelsleiter.
Illustriertes Betrachtungs- und Erbauungsbuch
für das christliche Volk, zugleich ein Vademecun:
für die Jünger der kirchlichen Kunst von Friedrich
Beez, Direktor in Weiterdingen."

Literatur.

Katechis mus der Ornamentik. Von F.

Kanitz. Sechste, vermehrte und verbesserte

Auflage. In Originalleinenband 2 M.

') Uebersehen wurden folgende Wappenträger:
Die v. Hierlinger (ein Hierlinger Rath des Reichs-
stifts Ochsenhausen', die Locher, die Müller (ein
Müller war Kaiserlicher Rat und Aintmann zu
Rottenburg), die Richter (ein Richter in Buch-
horn, ein Herr v. Helmsdorf), die Salzfaß
(v. Böchingen), Schiller v. Herdern, der Dichter
Schiller und Karl Friedrich Ludwig Schiller.
 
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