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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 20.1902

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Nr. 5
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Bach, Max: Die angeblichen Bilder Holbein des Aelteren im Dom zu Augsburg, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15935#0062

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erst erwähnten Glocke, man kann sie etwa
so lesen AÜS1DS. Das Monogramm in
der Mitte erinnert an dasjenige Schaff-
ners. Sollte wirklich der große Meister
sich mit solchen Spielereien abgegeben
haben? seinen Namen an einem ganz
unpassenden Ort angebracht und mit
Schriftzügen versehen, die für diese Zeit
ganz ungewöhnlich sind.

Noch mehr werden wir aber stutzig ge-
macht, wenn wir die Inschrift ans dem
Madonnenbildchen int Germanischen Mu-
seum zu Nürnberg betrachten (163 des
Katalogs von 1893), traut man dein
Künstler wirklich zu, daß er seinen Namen
nicht einmal richtig schreiben konnte! Die
Fortschritte, die wir ans diesem Bilde er-
kennen, sind ganz enorm, technisch sowohl
als inhaltlich. Wollen wir ihm das
Bildchen zuschreiben, so dürfen wir das
aber nicht auf Grund der offenbar ge-
fälschten Inschrift thun, sondern auf Grund
seiner technischen Vorzüge und dem por-
trätartigen Charakter des Kindes, in wel-
chem ich den jungen Holbein erkennen
möchte. Ob auch die zweite Nürnberger
Madonna (102) dem Meister zuzuschreiben
ist, ist fraglich. Die Arbeit ist zu ver-
schieden von der vorhin genannten und
weist in ihrer ganzen Formenbehandlung
auf eine reifere, in der Zeit vorgeschritte-
nere Hand. Die ganz räthselhafte In-
schrift ist werthlos und eben wieder eine
der zahlreichen Fälschungen, welche die
Herren Restauratoren und Kunsthändler
sich haben zu Schulden kommen lassen,
nur dem Bild einen berühmten Namen zu
geben.

Betrachten wir weiter die Gemälde,
welche Dorothea Nölingerin auf den ersten
der sieben Altäre stiftete, die nach einem
Erlaß Papst Junocenz VIII. vonr Jahre
1484 die Hanptkirchen Roms darstellen
sollten und von denen die Gläubigen sich,
ohne in Rom selbst gewesen zu sein, einen
Ablaß verschaffen konnten. Diese Bilder
haben alle breit-spitzbogiges Format und
bestehen aus einem Mittelbild mit der
betreffenden Kirche und zwei Seitenstücken.
In der Mitte ist stets die betreffende Kirche,
zu beiden Seiten eine Scene aus denr
Leben der Maria und eine solche, welche
sich auf die Schutzheilige der Stifterin
bezieht. So sehen wir auf dein Rölin-

gerischen Bilde rechts das Martyrium der
hl. Dorothea und links die Geburt Christi;
über der Kirche Sta Maria Maggiore ist
die Krönung der Maria dargestellt. Diese
Krönung ist aber wesentlich verschieden von
den beiden Seiteudarstellungen, so daß
man zweierlei Hände annehmen muß. Die
Köpfe von Gott Vater, Sohn und heiliger
Geist haben etwas Typisches, man möchte
fast sagen Byzantinisches, auch der Falten-
wurf ist sehr alterthümlich, so daß schon
Passavant das Gemälde Holbein dem Groß-
vater zuschreiben wollte. Ebenso alter-
thümlich findet es Woltmann, und Stoedt-
ner glaubt ohne die Inschrift an den
Glocken würde es Niemand in den Sinn
kommen, dieses Bild in das künstlerische
Lebenswerk Holbeins einzureihen. Die
Seiteudarstellungen und besonders die
Enthauptung der hl. Dorothea verrathen
dann wieder eine etwas mehr handwerks-
mäßige, doch immerhin gewandte Hand.

Wie schön ist das Spruchband kompo-
nirt mit dem Zwiegespräch »dorothea.
ich . bring . dir . da . Jch . bitdich . herr.
bringss theophilo . dem . Schreiber.«
Wer diese schönen Minuskeln geschrieben,
kann nicht die Renaissance-Majuskelschrift
auf die Glocken hingesudelt haben.

Obgleich nun schon Sandrart im Jahre
1075 die Inschrift bezeugt, so muß doch
in Anbetracht der großen stilistischen Unter-
schiede des Bildes mit den dokumcntirten
Holbeins eine Fälschung angenommen wer-
den. Beachtet man ferner, daß Holbein
int Jahre 1504 wieder eine Arbeit fürs
Katharinenkloster lieferte, nemlich die Ba-
silika des hl. Paulus, die stilistisch so
ganz verschieden und plötzlich alles Alter-
thümliche abgestreift hat, so wird es um
so leichter, uns von der Idee loszusagen,
als sei Holbein zugleich auch der Maler
der Marienbasilika.')

Wenn die schon erwähnte lllnrer Ur-
kunde von 1499 ächt, so muß sich der
Meister in diesem Jahre in Ulm aufge-
halten haben, was dadurch noch Bestätigung
erhalten könnte, weil in den Augsburger
Steuerregistern zu diesenr Jahr plötzlich
seine Mutter erscheint, gleichsam als an
seiner Statt die Steuer entrichtend.

') Man vergl. auch das was Schnaase VIII
S. 412/3 darüber sagt.
 
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