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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 20.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.15935#0068

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59

Run ist der weitere Schritt zur Wiedergabe auch
der Farben geschehen. Eine Probe hievon liegt vor
uns in Tizians Zinsgroschen (Größe 40 X 50 cm ;
Bildfläche 25 X 53 cm). Der Zweck, dein
Original möglichst nahe zu kommen, ist erreicht.
Der Gesammtton, die feinen Ucbergänge, auch die
Patina, die das Alter dem Gemälde verliehen,
sind getroffen. Man meint, man stehe vor der
Perle der Dresdener Gallerte. Der Preis (2 M.
ohne, 3 M. mit Passepartout) ist ein ungemein
niedriger, niedriger als der für so manches
„Kunstwerk" zwölfter Güte, mit dem man bisher
faule de mieux die Wände da und dort ver-
unzierte. Das neue Seemann'sche Unternehmen
ist geeignet, hierin Wandel zu schaffen und dazu
beizutragen, guten Geschmack und Verständniß
für die alten Meister in weite Kreise zu tragen.
Geislingen a. St. Dr. I. Rohr.

Jakob Balde als M a r i e n s ä n g c r.
Gesammelte Mariengedichte in freier Ueber-
tragung herausgegeben von P. P. B.
Zierler O. Cap., Lektor i» Sterzing.
S. 239. München 1897. Verlag von
I. Pfeiffer, ungeb. M. 1.70, in elegantem
Leinenband mit Goldschnitt Al. 2.20.

Was soll hier Dichtung, gar ohne Bilder?
Run, auch die Poesie ist ja eine der schönen
Künste, eine Erscheinungsform des Schönen, be-
zeichnet eine Schönheitsstufe: neben das „An-
genehme der Sinnlichkeit" (Ton und Farbe) stellt
z. B. Hermann Lohe auch das „Wohlgefällige
der Anschauung" (Takt und Metrum) und das
„Schöne der Reflexion" (Erhabenes und Komi-
sches"), und so glaubt auch der Kritiker keinen
"Anstand nehmen zu sollen, dem Ansuchen einer
allerdings sehr verspäteten Empfehlung einer
christlich-poetischen Gabe einmal so kurz eben
möglich zu entsprechen.

m 1604 im Elsaß geborene Jesuit Jakob
Balde, der „bayerische Horaz", will ja in unserer
Sammlung Gott, den Urquell alles Schönen, in
leineni göttlichen Sohne und die hl. Person der
Gottesgebärerin durch Oden verherrlichen; frei-
lich ist er ein Renaissancedichter, dem das
lateinische Sprachkleid gar trefflich zu Ge-
sichte steht und dem die lateinische Sprache mit
ihrem Wortschah, ihren Versformen und Bildern
gewissermaßen Muttersprache geworden ist: das
lag »l jener Zeit; darum sagt auch der Hof-
ftifts-Kanonikus Johann Schrott bezeichnend:
„ctatt in heim'schen Zwitterlauten auszusingen
, seinen Schmerz,

'' °l> er die pindar'sche Ode in der alten Römer

Ach, die große deutsche Sprache wurde damals
v m nicht gehört:

Wie das Vaterland, so war sie von Barbaren

m . ■ . auch zerstört."

, e *n deutsches Mariengedicht „Ehren-
prels; besitzen wir von Balde, seine beste, aber
doch im Geist der lateinischen Oden gedachte
deutsche Schöpfung, die als Dreingabe unserem
Büchlein angefügt ist. Aber abgesehen von der
treffenden und glanzenden Beurtheilung durch

W. Menzel, G. Westermayer u. n. preist ihn
trotzdem schon I. G. Herder als eine» „Deut-

schen, einen Dichter Deutschlands für
alle Zeiten", unter dessen Ode» manche von
so frischer Farbe seien, als wären sie in den
neuesten Jahren geschrieben; das bestätigt er
selbst:

„Den Kohl der Alten wärme ich nicht wieder,

Roch tisch' ich auf der Griechen Fabellieder"-

und:

„Trümmer der alten
Und heidnischen Vorzeit
Schaffet sich Rom

Uni zu gesegnetem, heiligen Dienste.

Aus den Ruinen erblühen die Künste

Reu in St. Peters erhabenem Dom.

So sei denn dies Lied auch
Bacchanten entrissen,

O Maid (Maria), deines Lobes
Run fortan beflissen."

Man zählt nämlich in seinen zahlreichen latei-
nischen Gedichten etwa 70 Oden zum Lobpreis
der seligsten Jungfrau und „in jeder derselben
giebt er, fern ermüdender Wiederholung, in einer
Sprache voll süßen Wohlklangs einen morgen-
ländischen Reichthum von Gedanken" und bietet
in einer unerschöpflichen Fülle von Bildern voll
sinnlicher Anschaulichkeit gleich dem Psalmisten
alle Schönheiten der Natur und ihrer Kräfte
zum Ausdruck seiner glühenden Marienverehrung
auf, so daß man mit Recht sagen kann: „Seit
den Tagen der Minnesänger war der Gottes-
mutter keine ähnliche Huldigung aut deutscher
Erde gebracht worden."

In dem Gesagten lagen für den Uebersetzer
die Gründe, warum er sich gerade an Balde
machte, aber auch die großen Schwierigkeiten,
da von Baldes Dichtungen noch keine Ileber-
setzung vollkommen gelungen ist. Darum hat er
in dem Bewußtsein, daß er nicht einen römi-
schen Klassiker den Philologen, sondern einen
Nenaissancedichter dem deutschen Volke vorzu-
führen habe, die klassischen Versmaße und ihre
strophische Einteilung fallen lasse» und den
Reim angewendet; seine Strophen halten sich
streng an den Inhalt, das Zusammengehörende;
oft hat er — und zwar mit Recht — sehr frei
übersetzt und umgedichtet, viele Gedanken in
deutschen Geist gegossen, moderner Denkweise an-
gepaßt und alles Fremde im Anhang durch kurze,
leichtverständliche Anmerkungen, denen nur die
betreffenden Seitenzahlen beigegeben sein sollten,
erläutert. Nicht darf man tadeln, ivenn Balde
denn doch noch Balde bleiben soll, daß zuweilen
viele Strophen lange Gedichte sich finden; sie
waren eben für Baldes Dichtergeist nicht zu
lang, wenn sie auch modernem Geschmack — man
erklärt bekanntlich dieses Zeichen der Abnahme
der Gefühlsstärke und -Innigkeit künstlerisch
anders — nicht strohfeurig genug flackern. Diese
70 Lieder, in welchen sich ein glaubcns- und
liebevolles Kindergemüth voll Zuversicht an
Mariens Mutterherz anschmiegt, ordnet er ge-
wissermaßen nach mariologischen Gesichtspunkten
also an: „Königin der Herrlichkeit (19 Odem,
Helferin der Christenheit (21), Deinem Namen
sind geweiht Gnadenheini (Gnadenorte 14) und
Gnadenzeit (16)", und versieht sie theilweise mit
gutgewählten Ueberschriften, insbesondere aber
bringt er — von wenigen Ausnahmen abge-
 
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