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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 20.1902

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Nr. 6
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Bickel, Fr. A.: Das Bild "Mariä Verkündigung": in der Pfarrkirche zu Hörbranz in Vorarlberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.15935#0074

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64

Die Abbildung besitzt dieses Gotteshaus
in Hall

Herrlich durch des Malers Ainnuth,
Herrlicher durch die Aumuth der Jungfrau.
Scheue dich nicht hiuzutreteu vor diesen
Altar.

Eine und dieselbe Mutter hat Hall
Wie Florenz.

Unter dieser Widmung findet sich noch
in deutsche», goldenen Lettern die Auf-
schrift :

„Wahrer Abriß des wunderwürklichen

und von himmlischer Hand gemalenen

Englischen Gruß zu Florenz zu ge-

mainer Andacht und volgenden Gnaden!"

Wird der inwendig mit weißem Seiden-
stoff überzogene Deckel in die Höhe ge-
zogen, dann erscheint das wnndertiebliche,
herrliche Bild „Maria Verkündigung".
Doch statt selbst ein Urtheil über dieses
Gemälde abzugeben, will ich lieber den
Kunstkritiker B. Späth reden lassen.
B. Späth schreibt in feinem Buche:
„Die Kunst in Italien" (!. Theil, Mün-
chen 1819), nachdem er von bei» Original,
dem wnnderthätigeu Gemälde in der Kirche
Annunziata in Florenz Erwähnung ge-
than, über dieses früher in Hall, dann in
Augsburg, jetzt in Hörbranz befindliche Bild
folgendes:

„Ich gedenke lieber einer Kopie von
jenem wnnderthätigeu Bild in der Kirche
Santa Annuuciata in Florenz, die sich
jetzt im Werner'scheu Hause in Augsburg
befindet. Dies Bild kann wohl kaum eine
Kopie genannt werden, da es außer der-
selben Anordnung der Idee in der Aus-
führung nichts mit jenem alten Bilde in
Florenz gemein hat und nach des Künst-
lers origineller, eigeuthümlicher Weise be-
handelt ist.

Der Engel kniet, nein! schwebt knieend,
die Hände zur Hälfte vonr Mantel be-
deckt, kreuzweise über die Brust gelegt, der
Jungfrau gegenüber, die sitzend den er-
wartenden Blick nach oben richtet, woher
ihr die himmlische Botschaft gekommen.
Die Hände ruhen im Schoße. Beide Fi-
guren sind lebensgroß. Die Scene geht
im Innern des Gemaches der Jungfrau
Maria vor. Getrennt davon und außer-
halb des Gemaches sieht man oben zur
Seite Gott Vater in den Wolken; von
ihm ist der Geist ausgegangen, der in

Tanbeugestalt durch eine Oesfnung herein-
schivebt und nun bald über Mariens Haupte
ruht.

Dieses Bild hat wohl nie Wunder ge-
wirkt, aber es ist selbst ein Wunder der
Kunst. Einen Engel, so blühend, so schön,
so reizend au Gestalt und wuuderhold,
und an Würde so erhaben wie diesen, be-
kommt man nicht leicht wieder zu sehen.
Das schillernde Gewand und der smaragd-
grüne Mantel fließen großgefaltet über
den hehren Wuchs hinab, der Füße irdische
Gestalt völlig bedeckend. Von himmlischer
Abkunft neigt der Bote sich in Demuth
vor der sterblichen Magd, als der hoch-
erlesenen Jungfrau inehr huldigend, nicht
mehr verkündend, schon erkennend in ihr
der Mutter höchste Würde. Ein neuer
glücklicher Gedanke. Die Ruhe in Maria
ist rührend. Sie hat die Kunde ver-
nommeu, alle Zweifel sind gelöset, sie
vertraut dem Himmel und sieht jetzt mit
stiller Hingebung der Erfüllung des Wortes
entgegen. Wie Alles so sinnig und be-
deutungsvoll die Einheit der Idee ver-
kündet! Ilnd wie gemalt, besonders der
Engel! Als hätten ihn Engel gemalt
und Raphael vor allen, dessen sich wohl
auch der irdische Raphael rühmen dürfte.
Blüthe, Kraft und Wahrheit der Car-
nation, das Breite und Tüchtige der Be-
handlung durchaus, die feste, richtige
Zeichnung, die Lage der Gewänder, kurz.
Alles spricht für die Epoche einer hohen
Ausbildung der Kunst." So Späth.

Das „Morgenblatt" von Augsburg
Nr. 28, vom Jahre 1819 nennt das Ge-
mälde „ein Bild aus der blühendsten Zeit
italienischer Kunst, das einen durchaus
selbständigen Meister verräth, dessen Ge-
nialität selbst sein uraltes Vorbild vom
Jahre 1252 in der Kirche Annunziata zu
Florenz durch eine breite, geistreiche Be-
handlung, Kraft und Blüthe des Kolorits,
sowie an Ausdruck und Tiefe des Gefühls
übertroffen hat."

Der jetzige Galleriekonservator Herr von
Huber in Augsburg schreibt von dieseiu
Bilde: „Die Farbentechnik dieses Bildes
zeigt ganz die Meisterschaft der Carracci-
schen Richtung und dabei ist die strenge
Stilrichtung der Giotto-Epoche beibehalten,
wodurch das Bild einen außerordentlichen,
ja hinreißenden Reiz erhielt. Für das
 
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