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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 20.1902

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Nr. 11
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Rohr, Ignaz: Die christliche Kunst auf den Ausstellungen im Glaspalast und dem königlichen Ausstellungsgebäude zu München, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15935#0128

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gottergebenes Dulden, sondern Derzweif-
lung im Angesicht der Schmerzensmutter.

An Heiligenbildern ist kein Man-
gel. I. Mogk hat in seinem „Christo-
phorns" (Nr. 889) den Gegensatz zwischen
dem mit Mühe sich dahinschleppenden
Hühnen und dem fröhlich auf seinen Schul-
tern sitzenden Kinde zum sprechenden Aus-
druck gebracht. Auch S. Grnuitsch hat
in ihrem St. Rochus (Nr. 407) ein an-
schauliches Bild von schwerem Leiden und
festem Gottvertraue» geschaffen. W.Wirkner
giebt in seiner „Legende" (Nr. 1425) eine
etwas eigenartige, aber technisch gut durch-
geführte Darstellung der Stigmatisation
des hl. Franz v. Assisi. F. Keller's „Ca-
cilia" (Nr. 610) mahnt au Guido Nein.
Schiestl's St. Georg (Nr. 2063) zeigt die-
selbe Eigenart, die wir schon früher kennen
gelernt haben.

Auch unter den p l a st i s ch e n Werken
sind die Heiligen zahlreich vertreten. Zwar
würde man K. Burger's St. Petrus (Nr.
2159 a) am besten den Heiligenschein und
den Himmelsschlüssel nehmen und den Rest
als Modell zu einem Nußknacker deklariren;
W. Amvrt's St. Ludmilla (Nr. 2148 b)
möchte man etwas weniger bauschige Klei-
der wünschen; mit seinem St. Vaclav
dagegen kann man um so eher zufrieden
sein. In G. Bnsch's St. Georg (Nr.
2160) fühlt man die Kampfeskraft, nur
trägt er für gewöhnlich ein um ein Kleines
jugendlicheres Gesicht. N. Pfretzschner's
St. Georg (Nr. 2202), im Kampf mit
dein Drachen begriffen, ist eine fast gar
zu schneidige Neiterfignr, aber sie stammt
ja ans der Nähe von Berlin. H. Ueber-
bachers St. Antonius von Padua (Nr.
2242a) hat dem Beschauer doch zuwenig
zu sagen. I. Möst's St. Barbara (Nr.
2196) ist eine Jungfrau mit Kelch, und
es gilt von ihr dasselbe, wie von Ueber-
bacher's Werk. F. Christ's Grabengel
(Nr. 2162) geht noch an; gehaltvoller
ist der Posaunenengel in L. Gamp's „Auf-
erstehung" (Nr. 2167 b).

Damit haben wir den Nnndgang im
Glaspalast vollendet und wenden uns zur
Secession.

Was uns diesmal bewegt, ist nicht
jenes geivohnte Gemisch von N'engier und
Bangen vor dem zu erwartenden „Genuß",
denn ein Bekannter, dem wir unsere Ab-

sichten ans die Secession mittheilten, hat
uns bereits verrathen: „da sind ein Paar-
ganz lustige Sachen drin", und er hat
Recht gehabt. Es ist doch lustig, daß es
so sphinxartige Gesichter giebt, wie Stucks
„Carmen" (Nr. 192), oder wenn eine
breitmäulige — sit venia verbo —,
katzenäugige, stumpfnasige Dame sich „in
der Laube" präsentirt wie bei Leo Putz
(Nr. 164), oder wenn die Schauspielerin
Consuelo sich von Znloaga malen läßt
mit intensiv rosarothem Kleid und dito
rosarvther Nase (Nr. 223), oder wenn
Angela Jank (Nr. 105) ein „Fräulein K."
zu Pferde vortraitirt und den Gaul ins
Helle Tageslicht stellt, den Kopf der Reiterin
dagegen in den dichten Schatten eines
Baumes hüllt, oder wenn Jean Weber
„unser kräftiges Bergvolk" karikirt (Nr.
210), oder wenn Hugo Freiherr von Haber-
mann in einem „dekorativen Familien-
portrait" (Nr. 70) einen Mann mit dcr
Flinte ans dem Rücken darstellt und dazu
die Frau und drei Kinder, alles „sehr-
bizarr, sehr lustig und lebendig",... „in
altfränkisch aristokratischer, gesunder Häß-
lichkeit", wie Papa aus dein Bild herans-
ängt, als zielte er in Gedanken schon ans
ein Stück Wild, und wie Mama und die
kleinen Rangen wohl oder übel lachen
müssen, weil Papa gar so ein komisches
Gesicht macht. Ernster wird die Sache
schon, wenn die Komik auf's religiöse Ge-
biet übertragen ivird — nicht als ob wir
etwa dem von den „Fliegenden Blättern"
her sattsam bekannten Ad. Hengeler seine
Madonna mit dem nrgemüthlichen alten
Männlein dabei, oder seinen St. Nikolaus
verübeln wollten (Nr. 92 und 93), denn
die sind so naiv gedacht und so brillant
mit der Umgebung zusammengemalt, daß
man ihnen überhaupt nichts übel nehnien
kann. Aber bedenklich ist es doch, wenn
in Alb. Keller's „Auferivecknng" (Nr. 112)
der Auferweckende — soll wohl Christus
sein? — dem oder der Anfzuerwcckenden
vor dein im Hintergrund sich drängenden
Publikum die Hände in einer Stellung
entgegenkrallt, daß man mit gutem Recht
eine Aufforderung zum Raufen heraus-
interpretiren kann, oder wenn bei dem
„Wunder" vom selben Maler (Nr. 113)
eine Stigmntisirte mit entblößtem Ober-
körper auf einer Bank ruht und zwei
 
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