Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 21.1903

DOI Heft:
Nr. 1
DOI Artikel:
Schermann, Max: La Sainte Chapelle de Paris und die französische Gothik, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15936#0008

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
yeralisgegebe» »nd redigirt von Pfarrer Detzel in St. Llirisiiaa-Raveiisburg.

Verlag des Rotteuburger Diözefaii-Kuilstvereiiis;
Aommifsioiisverlaa der Doriifcheii Buchhandlung (Friedr. "2Ilbc:) in Ravensburg.

Erscheint monatlich einirial. Halbjährlich für M. 2.— durch die wiirttembergischen, M. 2.20
durch die bayerischen und die Neichspostanstalten, Kronen 2.54 in Oesterreich, FrcS. 3.40 in
\* T der Schweiz zu beziehen. Bestellungen werden auch angenommen von allen Buchhandlungen
^4 * sowie gegen Einsendung des Betrags direkt von der Dornschen Verlagsbuchhandlung in S O *

Ravensburg (Württemberg) zum Preise von M. 2.05 halbjährlich.

iRl Sainte Chapelle de Paris
und die französische Gothik.

Von Max S ch e r ui a u n in Paris.

Man steht in und um Paris aus dem
heimischen Boden der Gothik. Die
Frage nach der Entstehung des gothischen
Baustils dürfte ja nunmehr allgemein tu
einem fite das nördliche Frankreich gün-
stigeil Sinne entschieden sein (vgl. Lübke,
Geschichte der Architektur, Leipzig 1886,
II. Bd. S. 41 ff.). Die Betrachtung der
Pariser kirchlichen Monnmente der früheren
Zeit ist daher.von höchstem Interesse,
weil sich hier schrittweise verfolgen läßt,
ivie die neue Bauweise sich aus deiil Schoos;
der romanischen Tradition losriugt; und
eben dieses Streben nach Freiheit verleiht
diesen Bauten einen Hauch der Unmittel-
barkeit und jugendlichen Frische, welche
sie zum anziehenden Gegenstand des Stu-
diums machen. In späterer Zeit, seit
dem 14. Jahrhundert, tritt der Gegensatz
zwischen französischer Gothik und unserer
deutschen nicht mehr so scharf hervor, da
sich uns von nun an der ausgeprägte
Stil präsentirt, freilich immer noch mit
dem Unterschied, daß wir in französischer
Gothik das horizontale Element nicht so
zurückgedrängt finden wie an den edelsten
deutschen Denkmälern; die Fassade hält
durch ihr großes Rosenfeilster, ihre nüt
herrlichen Statuen geschmückten Gallerten
den Horizontalismus immer noch aufrecht;
auch die Thürme tragen diesem Gesichts-
punkt Rechnung, da sie sich selten zil
kühner Durchbrechung des Helmes auf-
schmingen, sondern meist mit einer hori-
zontalen Gallerte schließen.

| In der benachbarten Abtei von
St. Denis stehen wir nicht nur an der
Grabstätte der französischen Könige seit
der Merovinger Zeit, sondern vielleicht auch
an einer der Geburtsstätten der gothischen
Baukunst. Erbaut von Abt Snger
(1140—1144) zeigt uns die altehrwttrdige
Kathedrale zum ersten Mal das voll-
entwickelte Strebesystem, den Spitzbogen
an den Arkaden, Gewölben uub Fenstern;
der Chor bewahrt noch theilweise die
romanische Tradition, während die um
1140 erbaute Fassade durch den Wechsel
zwischen Spitz- und Rnndbogen zur neuen
Zeit der Gothik überleitet (vgl. I'elibien,
histoire de l’abbaye royale de St. Denis
bei Duchesne, Secr. IV p. 343 ff.).

Dell eigentlichen llebergang zeigt die
N o t r e - D a m e v o n P ar i s, deren Chor
1163—1177 vollendet wurde. Zum ersten
Mal tritt uns hier die fünsschiffige An-
lage des Langhauses entgegen (Viollet-
le-Duc, Dictionnaire raisonne de l’Archi-
tecture frangaise II S. 288 sf. ; Le-
comte, Notre-Dame de Paris, Fol. Paris);
die ganze Durchführung zeigt bereits eine be-
stimmtere Physiognomie, eine schärfere
Konsequenz. Die schwere, düstere An-
lage von St. Denis macht einer freieren
Platz. Doch ist auch hier die Wandlung
noch nicht vollzogen. Die Einporien
müssen beseitigt werden und an ihre Stelle
Triforien treten, die Fenster werden länger
und breiter und erhalten ein vollständiges
Maßwerk, ans den kurzen, derben Säulen
entwickeln sich schlank gebündelte Nnnd-
pfeiler. An die Stelle des breiten Gnrt-
prosils der Notre-Dame tritt noch und
nach das scharfe Nippenprofil (vgl. Lübke
 
Annotationen