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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 21.1903

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Nr. 1
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Schermann, Max: La Sainte Chapelle de Paris und die französische Gothik, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15936#0009
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a. a. O. Fig. 563), und da, wo eben
nach an Basen n»d Kapitalen die roma-
nische Forincmvelt vertreten war (vgl.
Lnbke a. a. O. Figur 606), sprießt jugend-
lich frisches Leben hervor.

Wir müssen hier zur Ergänzung un-
serer Entwicklungstheorie die Kathe-
drale von Amiens (vgl. K. Schuaase,
Geschichte der bild. Künste im M.-A.,
III. ^d. S. 95 ff.) zu Hilfe nehmen.
Hier zeigt uns die französische Gothik ihr
vollkommen klares, ausgeprägtes System.
Unvergleichlich kühn und erhaben, leicht
und durchsichtig in seiner großen Har-
monie bleibt dieses Bauwerk ein Kleinod
der mittelalterlichen Architektur.

Nun, nachdem das neue System fertig
gestellt war, schritt die Kunst an die Aus-
prägung der Details. Dem Wunsche ent- j
sprechend, die Zwischenwände immer
leichter und luftiger zu bilden, das Licht
im Inneren und die Gelegenheit zur Ver-
wendung des gemalten Glases zu ver-
mehren, hatte der Baumeister des Doiucs
von Amiens dem Chor ein durch pracht-
volle Fenster beleuchtetes Triforium ge-
geben, während im Langhaus sich noch das
unbeleuchtete Triforium findet. Man war
in kürzester Zeit von dem trüben Ernst
des beginnenden Jahrhunderts zu der
leichtesten und luftigsten Form gelangt.

Wir stehen im Zeitalter Ludwigs
d es H e i l i g e n. Ein französischer Archäo-
loge weist diesem König nicht mit Unrecht
in der Kunst des Mittelalters die gleiche
Bedeutung zii ivie dem Perikles in der
griechischen Kunst, und sein Geschichts-
schreiber Joinville erzählt von ihm, daß
er bei dem Bau des Klosters Royanmont
bei Paris mit eigener Hand Steine und
Mörtel getragen habe (bist, de St. Louis
p. 357 in Millin, Antiquites nationales
II nr. XI p. 2). Zum ersten Mal finden
wir namhafte Künstler im Gefolge eines
Fürsten: den Ingenieur Jouffelin von
Conrvault, den gewandten Baumeister
Eudes von Montreuil, der ihn auf seinem
Krenzzug begleitet: noch berühmter ist
Pierre von Monterean, der Erbauer der
St. Chapelle.')

’) Literatur: Hauptsächlich ist es die Ge-
schichte des Bauwerks, welche zu Veröffentlichungen
Veranlassung gab; ich nenne u. A. Morand,

11istoire de la St. Ch. ttnb Dictionnaire liisto-

Die heilige K a pell e ist nach der
Kathedrale das populärste Bailiverk, welches
das Mittelalter in Paris hinterlassen
hat. Freilich hat sie im Laufe der Jahr-
hunderte manche Einbuße und Verstümme-
lung sich gefallen lassen müssen (vgl. A. de
Champeaux, les Monuments de Paris,
1896 S. 10 ff.); namentlich sind es
die Schreckenstage der Revolution gewesen,
welche sie ihres kirchlichen Charakters ent-
kleideten und zuerst in ein Strohmagazin,
hernach in ein Archiv verwandelten. Da-
inals wurde die untere Parthie der alten
Glasgemäldc herausgenommen und mit
weißenl Glas ersetzt, um mehr Licht zu
schaffen. Tie Juliregiernng hat als-
dann das Bauwerk seinem verwahr-
lostet! Zustand entrissen und seine Re-
> stanration eingeleitel. Der Architekt Dn-
1 bau und nach ihm der tüchtige Ken-
ner mittelalterlicher Kunst, Viollet-le-
Duc, und der berühmte Pariser Bau-
meister Lassus haben sich mit großer
Sorgfalt auf die Restauration geworfen;
dem Letzteren verdankt die heilige Kapelle
ivieder ihre alte Dekoration: die Skulp-
turen der Vorhalle, die Emailmalereien,
die innere Arkatur, die Felder der Glas-
gemälde ilnd namentlich den zierlichen
Dachreiter.

St. Chapelle ist das zierlichste und an-
mnthigste Bauwerk der französischen Gothik
durch seine unvergleichliche Eleganz und
die Delikatesse aller seiner Ornamente

»repute ä friste titre comme le plus
paifait specimen de Part du moyen
age«.

1. Die Architektnr (vgl. Viollet-le-
Dnc a. n. O. 424- 434 ; Ganse a. a. O.
236 ff.; Schuaase a. a. O. S. 95). Ich
beschränke mich auf die Darstellung der
hervorragendsten Momente, die sich mir

rique de la viIle de Paris uon Hurtand et
Magny. Bezüglich der künstlerischen Seite finden
sich werthvolle Notizen im zitirten Dictionnaire
raisonne des Architekten Viollet-le-Duc, ebenso
IN dein Prachtiverk von L. Gonse, l’Art gothique.
(Sin technisches Werk bedentendstcr Art ist von
den Restänratenren herausgegeben: la 8t. LI>.

apres les restanrations commenc. par Duban,
term. par Lassus. Texte hist, par M. de Guil-
liermy, Paris 1857. -—Merkwürdig, daß i» deiil
sonst verdicnstlicheil Werk von G. Dehio und
v. Bczold, die kirchliche Baukunst des Abend-
landes, Stuttgart 1888, die 8t. Chapelle ganz
nnbcrücksichtigt geblieben ist.
 
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