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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 21.1903

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Nr. 4
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Damrich, Johannes: Wie A. Dürer das Beten dargestellt hat, [1]: eine Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.15936#0043

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durch die unansehnliche Leibeshülle hin-
durch.

Diesen Widerschein all' der verschie-
denen, unendlich wechselvollen Phasen des
inneren Gebetslebens am äußeren Men-
schen zu stndiren, muß gleich reizvoll sein
für den Psychologen wie für den Künst-
ler: niemals entschleiert sich so das In-
nerste, Geheimste der einzelnen Menschen-
seele in seinen feinsten verschiedenen Stim-
mungsnnancen, und nirgends treten die
individuellen Unterschiede, welche Stand
und Beruf, Bildung, Charakter und Tem-
perament den verschiedenen Menschen inner-
lich anfprägen, äußerlich so bemerkbar her-
vor wie beim Beten.

So kann es denn auch für den bilden-
den Künstler sicherlich kein interessanteres
und lockenderes, aber auch kein schwierigeres
Problem geben, als die Darstellung des
betenden Menschcn, ein Problem, das
wie kein zweites den ganzen Künstler in
Anspruch nimmt und speziell für den
christlichen Künstler ein Prüfstein ist,
ob er seinen Namen verdient.

Ein. schwieriges Problem! Das liegt
schon in der Natur der Sache begründet,
das beweisen uns aber auch unzählige
Werke der bildenden Kunst, zumal der
kirchlichen, zur Evidenz. Was auf diesem
Gebiete namentlich seit bem 17. Jahr-
hundert und vielfach bis in die aller-
neueste Zeit geschaffen wurde, wenn es sich
z. B. nur die Darstellung eines Christus
am Oelberg, beteuder Heiligengestalten,
anbetender Engel ». s. w. handelte, das
kommt oft genug über konventionelle, äußer-
liche Formen oder kalte, theatralische
Pose nicht hinaus. Ungleich mehr psy-
chologisches Verständnis; des Gebetes zei-
gen die Künstler namentlich der späteren
Gothik, der Künstler jedoch, der wie kein
anderer sich zur Darstellung des Gebets-
lebens hingezogen fühlte, der ihm immer
neue interessante Seilen abzugewinnen
wußte, der es in seiner Mannigfaltigkeit
künstlerisch am bedeutendsten und tiefsten
erfaßt hat, ist unstreitig A l b r e ch t D ü r e r.

Fast unzählige Male finden wir in
seinen Gemälden wie in seinen Holzschnit-
ten und Kupferstichen betende Gestalten
abgebildet, nicht blos als Nebenfiguren,
wie sie dies oder jenes eben zu behandelnde
Thema mit sich brachte: nicht selten war

es eben das Problein der künstlerischen
Darstellung des Gebetes, das ihn in
erster Linie reizte und dem namentlich
manch' feines Blatt seiner Schwarzweiß-
knnst geradezu die Entstehung verdankte.

Mit welchem Ernst Dürer diesen Gegen-
stand behandelte, davon legen übrigens
gerade auch solche Schöpfungen Zeugnis;
ab, die, nne z. B. der knieende Engel in
Kaiser Maximilians Gebetbuch, nicht für
sich allein vollendete Kunstwerke ersten
Ranges sein wollen, bei denen es der
Natur der Sache nach auch nicht so sehr
auf psychologische Vertiefungjkankommen
mußte. Wie schlicht >!nnd.,einfach'in der
technischen Ausführung ist diese Engels-
gestalt, und doch: dieses innig aufwärts
blickende Antlitz, die gefalteten Hände, das
feierlich ausgespannte Flügelpaar — da
ist alles Körperliche vollkommen aufgelöst,
das ergreifendste Luroum corda!

Oder auf dem technisch wie inhaltlich
gleich wundervollen Holzschnitt der aller-
heil i g st e n D r e i f a l t i g k e i t vom Jahr
1511, nw Gott Vater den Leichnam des
Sohnes im Schooße hält, welche Tiefe
und welch' reiche Mannigfaltigkeit der
Empfindung: Schmerz und Klage, Mit-
leid und bewundernde Liebe in den beten-
den, schwebenden Engelsgestalten!

Eine tief empfundene Passionspredigt
spricht zu uns aus Haltung und Mienen
der beiden Engel, welche das Schweiß-
tuch der Veronika halten (Kupferstich
von 1513). Aehnliche Gefühle drücken
sich in meisterhafter Weise ans in bcm
Holzschnitt „Die Messe des hl. Gre-
gor" vom Jahre 1511 in der Gestalt
des heiligen Papstes. Wie ihn der Pro-
phet schildert, als Mann der Schmerzen,
so ist plötzlich während des heiligen Opfers
der Heiland aus dein Altäre vor ihm aus-
gestiegen und tief erschüttert und anbetend
ist St. Gregor vor ihm niedergesunken.
Am gewaltigsten und rührendsten vielleicht
spricht sich die Antheilnahme am Leiden
Jesu ans in der Gestalt der Gottesmutter
in dem ersten Blatt der Kupferstichpassion,
ivo uns wieder der Sch merzeusmann
vor Augen geführt wird. Neben dem hl. Jo-
hannes stehend, blickt Maria empor zu
ihrem Sohne, der mit seinen Wunden,
seinem zerschlagenen Leibe sich der Mensch-
heit darstellt. Ihre Hände sind ineinander-
 
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