Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 21.1903

DOI Heft:
Nr. 4
DOI Artikel:
Damrich, Johannes: Wie A. Dürer das Beten dargestellt hat, [1]: eine Studie
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15936#0044

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
geschlagen, in .Haltung und Ausdruck ver-
schmelzen sich heißer Dank für die Wohl-
that der Erlösung niit innigstem Mitleid
für den Erlöser in unübertrefflicher Weise.
Man kann sich unmöglich in die Betrach-
tung dieser Gestalt versenken, ohne die-
selben Empfindungen in sich erwachen zu
fühlen.

Ganz anderer Art, aber ebenso trefflich
charakterisirt sind die Empfindungen in
dein prächtigen greisen König in der An-
betung der Weisen (HolzschnittB 3):
ehrfurchtsvolle Ergriffenheit über das Glück,
das er genießt, dessen er sich doch in tiefer
Demuth nicht für würdig hält. Geradezu
ein Meisterwerk psychologischer Vertiefung
ist die Gestalt des knieenden greisen Kö-
nigs in Dürers Gemälde der An-
betung der Könige (heute in Florenz).
Diese glühende, kindliche Innigkeit, diese
Hingabe, diese Seligkeit, diese Rührung,
die mit Thränen kämpft — man kann
sich in der That an diesem Kopf kaum
satt sehen!

Auch auf einige Gestalten und Köpfe
des bekannten Helle r sehen Altarbildes
sei hier hingewiesen, besonders ans den
von rückwärts gesehenen Apostel rechts im
Vordergrund, der, ganz in seliges Schauen
verzückt, nur dem Leibe nach noch ans
Erden weilt.

Gelassener ist die Stimmung der Beter
auf dem Bilde des Rosenkranzfestes,
handelt es sich doch auch hier mehr um
die Darstellung einer sorgfältig angeord-
neten religiösen Ceremonie, die in ruhiger
Feierlichkeit vor sich geht.

Hochinteressant für unsere Betrachtung
ist Dürers berühmtes Allerheiligen-
bild vom Jahre 1511, heute in der 5k.
K. Gemäldegallerie in Wien. Der Blick
in den Himmel, den uns der Meister hier
aufthnt, könnte vielleicht manchen im ersten
Augenblick befremden. Da sind keine un-
ermeßlichen Wolkenperspektiven, keine jauch-
zenden, kühn umherflatternden Engelchöre,
keine sentimental-verzückt auf Wolken
schaukelnden Heiligen, wie wir sie in ihrer
Art meisterhaft auf die Gewölbe unserer
Barockkirchen gemalt finden. In feier-
licher Würde und mildem Ernst hält Gott
der Vater, umschwebt von Engeln, den
Gekreuzigten vor sich und zeigt ihn den
Heiligen, die, «eine große Schaar ans allen

Ständen, in zwei Gruppen angeordnet,
den dreieinigen Gott anbeten. Nichts Ek-
statisches, nichts Süßliches ist in dieser
Gemeinschaft der Heiligen, nichts Thea-
tralisches, kein lauter, jauchzender Jubel,
über der ganzen Versammlung liegt der
Duft einer still-sonnigen, sonntäglichen
Andachtsstimmnng, wie über einer frommen
Psnrrgemeinde, die nach den überstandenen
Mühen und Sorgen der Woche am Tag
des Herrn tief andächtig beim heiligen
Opfer versammelt betet, lind wie sind
auch die einzelnen Gestalten psychologisch
so trefflich erfaßt: Da sehen wir den
König David, tief in sich gekehrt, Moses
schaut ernst, wie mahnend aus seiner
Gruppe heraus, welch' feste, kraftvolle
Männlichkeit im St. Georg, welche Innig-
keit in der Figur des Papstes und noch
mehr des Königs rechts, welch' rührende
Schlichtheit und Einfalt in dem lang-
haarigen Greis auf der linken Seite und
wie allerliebst in ihrer harmlosen Kind-
lichkeit die Schaar der Jungfrauen! Da
zeigt jede Figur, jedes einzelne Gesicht eine
ausgeprägte Individualität, eine eigen-
artige Persönlichkeit, deren innerster Cha-
rakter sich eben in der Art ihres B e t e n s
init frappanter Schärfe darstellt.

Wir haben oben davon gesprochen, daß
nicht wenige Schöpfungen Dürers seinem
Interesse für das psychologische Problem
des Gebetes geradezu ihr Entstehen ver-
danken.

Da wäre vor allem zu nennen der un-
scheinbare Holzschnitt vom Jahre 1510,
der einen „Büßenden" darstellt. Der-
selbe kniet vor einem Altar, worauf ein
Reliquienschrein zwischen brennenden Kerzen
sichtbar ist. Des Büßers Haupt ist ge-
senkt, noch ruht die Geißel in seiner-
nervigen Faust, seine Seele wühlt in der
Bitterkeit der Erkenntnis; vergangener
Schuld. „Recogitabo tibi omnes annos
meos in amaritudine animae nieae."
(Cant. Ezechielis.) Im nächsten Augen-
blick werden die Geißelhiebe auf den ent-
blößten Rücken niedersansen.

Vollständig von diesem verschieden, aber
ebenso meisterhaft gezeichnet ist der psy-
chologische Vorgang in dem Holzschnitt
der „Vision des hl. Franziskus"
vom Jahre 1504. Ueberwältigt von
glühendem, leidenschaftlichem Schmerz in
 
Annotationen