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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 21.1903

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Nr. 5
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Damrich, Johannes: Wie A. Dürer das Beten dargestellt hat, [2]: eine Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.15936#0058

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49

gestellt werden, wenn er im Begriffe ist, !
in das Hans des Gebetes einzutreten, als |
der betende Heiland am Oelberg!

Das geheimnißvolle furchtbare Seelen- !
drama vom Oelberg mußte unserem Dürer j
mehr als irgend einen anderen zur künst-
lerischen Darstellung reizen, und in der
Dat hat er dieses Thema auch auffallend
oft, und nur es bei ihm selbstverständlich
ist, in immer neuer, interessanter Weise
behandelt.

Da ist zunächst das Oelbergsbild der
sogenannten kleinen Passion. Christus
kniet vor einem Felsen, auf den er die
Arme aufstützt, die Stirn ist leis an die
iüeinandergeschlnngenen Hände gelehnt.
Reich fällt das Haar über seine Schultern.
Ganz im Vordergrund erscheinen die
schlafenden Jünger, oben in den geöff-
neten Wolken der Engel. Es ist Nacht,
ein wehmütiges Düster liegt über der
Darstellung, eine Stimmung, wie sie jenes
alte Lied ansspricht: „In tiefer Nacht

zur letzten Wacht ein' Stimm' begann zu
klage» rc." Noch ist die schwere Todes-
angst nicht ausgebrochen, es ist mehr wie
ein banges, schmerzliches Vorahnen des
Leidens, aber auch schon ans diesem sanften
Accord hören wir leise aber bestimmt das !
„Nicht mein Wille geschehe, sondern der
Deine" herausklingen.

In einer Eisen radier» u g vom Jahr
1524 sehen wir den psychologischen Vor-
gang um eine Stufe weiter vorange-
schritten. Christus kniet hier auf mehr
ebenem Boden; seine Gestalt ist straff
aufgerichtet, das Haupt erhoben, die Arme
strecken sich hoch empor. Auf bem Felsen
vor ihm der Engel in leichtem Gewölk, i
Rechts erblickt man die schlafenden Jünger.

Der Seelenkampf ist hier voll zum Ans-
bruch gelangt. Vor dem geistigen Auge
des Herrn steht sein künftiges Leiden in
entsetzlicher Klarheit und seine Natur
schaudert unwillkürlich davor zurück. Ein
leidenschaftlicher Aufschrei um Errettung
vor dem Furchtbaren, das ihm bevorsteht,
entringt sich seiner Brust: „Vater, wenn
es möglich ist, nimin diesen Kelch von
mir!" Und doch ist zugleich auch etwas.
ungemein Würdevolles, Hohepriesterliches!
in dieser Gestalt des betenden Heilandes.

In der Oelbergscene der Kupferstich-
passion ist das Gebet Christi noch in- !

brünstiger, dringlicher. In iveitfaltigenk
Gewände kniet da der Erlöser, das Haupt
mit den angstvoll flehenden Augen, den
geöffneten Lippen hoch aufgereckt, die
Arme mit den ausgespreizteu Fingern
strecken sich gewaltsam empor, daß die
faltigen Aermel weit zurückfallen. So
streckt ein Ertrinkender in der höchsten Not
die Hände nach Hilfe, nach einem Halt
ans. „Vater, Dir ist alles möglich!"

Hier sehen wir nicht mehr den Gottes-
sohn, ja nicht mehr einen Gottmenschen,
einen armen Erdensohn erblicken wir,
keuchend unter unsäglicher Angst.

Ist diese Auffassung nicht unwürdig,
uuchristlich? Jedenfalls ist sie nicht u n-
biblisch. Nirgends — vielleicht mit
Ausnahme der Gottverlassenheit am Kreuze
— hat sich Christus so sehr seiner Gott-
heit völlig entäußert, wie in seiner Todes-
angst ani Oelberg. Selbst den Jüngern,
die seine Wunder, ja seine Verklärung
auf dem Tabor gesehen, hatte der Heiland
vorhergesagt, daß sie in dieser Stunde an
ihm, an seiner Schwachheit Aergernis
nehmen werden. Und wenn der Erlöser
es seiner nicht für unwürdig hielt, in
dieses Meer der Angst und Qualen hinab-
zusteigen, weshalb sollte es dem christlicheil
Künstler verwehrt sein, ihn in diesem Zu-
stand äußerster Selbstverleugnung darzu-
stellen? Der wahrhaft gläubige Christ
wird daran nicht, ivie die damals noch
kleingläubigen Jünger, Anstoß nehmen,
er kennt und glaubt auch den auserstan-
deueu und verklärten Christus, und ihm
wird gerade aus der tiefen Nacht der
Oelbergsleiden Jesu Erlöserliebe nur umso
heller hervorleuchteu.

Auf einer Eisenradieruug vom
Jahre 1 51 5 sehe» wir Christus ganz im
Vordergrund kniend im Profil. Er trägt
ein weites, bauschiges Unter- und Ober-
gemaud, die Hände sind betend ausge-
breitet, bis zur Brust erhoben, das Haupt
ist starr etwas nach oben gerichtet. Ans
dem Felsen vor ihm steht ein Kelch, über
dem ein trauerndes Eugelshaupt sich zeigt.
Links unter einem Baume schlafen die
Apostel, während mau ganz im Hinter-
gründe Judas mit seiner Rotte nahen
sieht.

Der Todeskampf des Erlösers ist hier
mit fast erschreckender Wahrheit und Kraft
 
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