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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 21.1903

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Nr. 6
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Mayer, Franz Xaver: Die Wandgemälde in St. Kilian in Mundelsheim, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15936#0071

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61

Flächen verrät seine Abkunft, nur sein
Bild hat er mehrfach verewigt in den
figurenreichen Bildern — es ist „ein an-
sprechendes, biederes und dabei kraftvolles
Gesicht, nicht unwert, einem der großen
Chorbilder znm Modell zndienen".(Romig.)

Diese neuerstellteu Bilder des Künstlers
haben vielleicht nur kurze Zeit das Auge
der Andächtigen erfreut, um dann wieder
in den Schlaf unter der Tünche zu ver-
sinken bis zur Auferstehung bei der not-
wendigen Renovation der Kirche. Es drängt
sich nämlich dem Betrachtenden die Ver-
mntnng geradezu auf, daß diese Wand-
gemälde nach wenigen Jahrzehnten zur
Zeit der Reformation übertüncht wurden;
„man fürchtete, daß sie dem in der katho-
lischen Kirche im Schwange gehenden
Heiligendienst (— bestehenden Heiligen-
verehrung) neuen Vorschub leisten möchten
und diesem Umstand dürfte es wesentlich
zu danken sein, daß die Bilder teilweise
eine merkwürdige Farbenfrische behalten
haben." In der Folgezeit wurden dann die
Wandflächen noch wiederholt übertüncht.

Die Bilder zeigen charaktervolle Köpfe,
einige von besonderer Lieblichkeit und sind
nicht das Werk eines gewöhnlichen Malers,
sondern eines Künstlers. Sie wurden bei
der Restauration nicht übermalt, sondern
nur das Fehlende wurde ergänzt.

Gehen wir zur Betrachtung der einzelnen
Bilderzyklen über und beginnen wir im
Chor der Kirche, so sehen wir in den
acht Gewölbekappen die vier E v a n g e-
l i st e n mit ihren Symbolen und d i e
vier lateinischen Kirchenväter,
welche in natürlicher Größe als die größten
Einzeldarstellungen mit besonderer Sorg-
falt und Liebe ausgeführt sind: ausdrucks-
volle, ehrwürdige Gestalten. Die Rippen
des Gewölbes sind mit einem Blätter-
ornament, der Schlußstein zeigt drei skul-
pierte und bemalte Blätter. Die Nord-
seite des Chors bedeckt ein symbolisches
Bild. Zuerst dachten wir bei Betrachtung
dieses interessanten, wohl einzig dastehen-
den Bildes an eine eigentümliche Dar-
stellung von Christus als dem Keltertreter,
welche sich im Mittelalter öfter findet
(z. B. Klein-Komburg). Klemm aber nennt
es eine sogenannte Hostieumühle. Eine
Abbildung findet sich in Paulus, Knnst-
und Altertumsdenkmale I. 392. Beschreiben

wir nun dieses Bild. Gott Vater mit
Krone und Nimbus, von den vier Evan-
gelistensymbolen mit Jnschriftband um-
geben, hält seinen Sohn, welcher nur mit
dem Lendentuch bekleidet, mit der Dornen-
krone gekrönt und mit den Wundmalen
in Händen und Seite versehen ist, im
Arme und läßt ihn von obenher in die
trichterförmige Oeffnung ein; seine Füße
bis an die Knie befinden sich schon in
dem Trichter, welcher ans einem Mühl-
steine des mühlkastenartigen Gerätes sich
befindet. Unter diesem Kasten ist ein
großes Rad sichtbar, das von den Aposteln
(mit Heiligenscheinen) in Beivegung gesetzt
wird; die sechs Apostel östlich in '/» na-
türlicher Größe sind erhalten, die sechs
ivestlich sind verdorben. Unter diesem ge-
malten Bilde befand sich wohl, wie so
oft in gotischen Kirchen das Sakraments-
haus. Was bedeutet nun dieses Gemälde?
Klemm erwidert: „Durch das Hingebeu
des Sohnes seitens Gottes wird das
Mahl in der Mühle dazu bereitet und ge-
wandelt, um unten in der Hostie den Leib
Christi den Gläubigen zur Anbetung darzu-
stellen. Kurz, es ist jene Versinnbildlichung
j des Dogma von der Tran s s n bst an -
tiatiou." Ob ein Sakramentshaus vor-
handen mar, ist nicht sicher; ein Grabstein
nimmt dessen Stelle ein. Zur Anbetung
diente eine solche Darstellung nicht, sondern
zur Aufbewahrung der konsekrierten Hostien.
So würde das Bild andeuten von Christus,
was der Märtyrer Ignatius von sich in
seinem Martyrium sagt: „frumentum

(Christi) sum, (dentibus bestiarum) mo-
lar, ut panis mundus inveniar.“ Christi
ist das Samenkorn, ,,granum frumenti,
cadens in terram‘‘ (Joh. 12, 24), das
Gott der Vater durch die Mühle mahlen
läßt, um es unter der Gestalt des Brotes
durch die Apostel den Gläubigen darzu-
reichen. (Als wir dieses Bild zuerst als
das des Keltertreters ansahen, wollten wir
es uns auf folgende Weise erklären: Chri-
stus, von seinem Vater hingegeben als
Traube, welche durch die Steine zerdrückt
wird, um unten am Rad als Wein heraus-
zuftießen; eine Art Ablauf für Wein ain
Rad ist sichtbar; aber die Apostel als
Kelterer lassen wohl diese Deutung nicht
zu; denn es wären als Kelterer eher Juden
zu denken.)
 
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