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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 21.1903

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Nr. 7
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Schermann, Max: Wanderungen durch einige Kathedralen Nordfrankreichs, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15936#0077

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gesehen zn itte.vbcH. Es sind Propheten,
Apostel, Heilige und andere Personen,
Wohltäter der Kirche, wie der hl. Lud-
wig, Ferdinand von Kastilien, Simon von
Montfort n. a.

Die Glasmalerei von Chartres
hat manche Verwandtschaft in Farbe und
Technik mit der von R e i m s. Leider
hat diese Kathedrale nur die hohen Fenster
bewahrt; aber diese sind von schönster
Ausführung und vom reinsten Stil. Auch
die der Kirche von Saint- R e m i sind
wohl ans derselben Zeit, vielleicht von
denselben Künstlern ausgeführt; die auf
der Nordseite, so ist es auch in Chartres,
sind die am besten erhaltenen. Wenn wir
von den Pariser drei Rosen, die mit Recht
berühmt sind, und von den Glasgemälden
der St. Chapelle absehen, so gehören m.
E. noch die zehn alten Fensterfüllnngen in
Ronen mit zu den bedeutendsten; sie sind
von einer seltenen Art der Farbe und
außerordentlichen Feinheit der Ausführung,
Das vollständigste Ensemble nach Char-
tres, das ich auf meinen Wanderungen
kennen lernte, ist der Glasschmuck von
B o u r ges, woselbst namentlich die Fenster
des hohen Chores durch die Jntensivität
und die außergewöhnliche Stufenleiter der
Töne sehr bemerkenswert ist; dieses merk-
würdige, vielangewandte Rot und Orange
prägt sich dem Beschauer unwillkürlich
ein und trägt zur feierlichen Stimmung,
die uns in dem ehrwürdigen Gotteshaus
fesselt, außerordentlich viel bei. Doch
lassen wir Chartres und setzen unsere Reise
nach Reims fort, dessen Kathedrale die
Bestrebungen der Architekten von Paris
und Chartres fortsitzt und die Vollendung
von Amiens wirksam vorbereitet.

Die Kathedrale von Reims ist 1249
begonnen und das 13. Jahrhundert hin-
durch fortgesetzt worden.

Wir erfahren aus einer Grabschrift den
Meister des Baues, Robert de Concy.
Wenn je irgendwo au einer der großen
Kathedralen, so lassen sich hier altertüm-
liche r o m a n i s i erend e Nachklänge
in deutlicher Weise erkennen, ich meine in
der Massenhaftigkeit der unteren Kon-
struktionen, zum Teil auch in Einzelformen
des unteren Aufbaus.

Es wäre nicht schwer, diese Momente
auch an anderen Bauten der Cham-

pagne ans dieser Zeit nachzuweisen, so
daß man versucht sein könnte, in der
Kathedrale ein Ergebnis der Lokalschnle,
einer Bauschule der Champagne, ans
welcher der Meister des ersten Entwurfs
hervorgegangen sein mag, zu sehen. Der
Van ist namentlich mit Rücksicht auf die
Momente, welche auch im Aenßeren eine
bewegte Entwicklung anzeigen, außer-
ordentlich interessant und instruktiv.

Die Kathedrale besteht ans einem lang-
gestreckten, dreiteiligen Vorderschiff, einem
dreischiffigen Querschiff und ans einem
fünfschiffigen Chor, der in einen Kranz
von fünf Absiden übergeht. Die Fenster
zeigen eines der ersten Beispiele von
bestimmt ausgebildetem Meßiverk, indem
die Doppelfenster und die Rosette, die in
Chartres noch getrennt erscheinen, sich
einer gemeinsamen Umrahmung einreihen
und sich zu belebten Gliedern gestalten.
Die Höhenwirknng des ganzen Innern ist
eine gewaltige; sie ist auf das bisher
unerreichte Maß von 39 Meter gesteigert,
war aber nur möglich durch nngcwöhn-
liche Anlage der Pfeiler und Mauern und
Widerlager. Allein ich gewann nicht
den Eindruck, den Lübke Z knndgibt, daß
die Massenhaftigkeit der Pfeiler und
Mauern die schlanken Verhältnisse nicht
recht zur Geltung kommen lasse. Mehr
stört den Eindruck dieses sonst so groß-
artigen harmonischen Ganzen der Um-
stand, daß die oberen Fenster noch die
alten Glasgemälde haben, während alle
unteren sie einbüßten. Dadurch über-
strömt zu reichliches und zn kaltes Licht
den Raum des Beschauers. Vielleicht
auch tut die etwas kurze Entwicklung des
Chors bei dem so langgestreckten Schiss
der Gesamtwirkung Eintrag.

Im Aeußeren entwickelt sich ebenso
bereits die edelste Ausbildung des Strebe-
spstems der französischen Gotik. Die
Streben der Seitenschiffe sind noch ziem-
lich massig gehalten, die Seitenschiffe
selbst steigen als mit leichten Turmspitzen
gekrönte Tabernakelbauten empor, die
Strebebögen gliedern sich und bilden sich
an ihrer Oberfläche dachartig.

Wenden wir unsere Aufmerksamkeit der
Fassade zu, an der die Kunst dieser Epoche

) Geschichte i\ Archit. 2cipj. 188N, S. 54.
 
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