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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 21.1903

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Nr. 7
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Mayer, Franz Xaver: Die Wandgemälde in St. Kilian in Mundelsheim, [2]
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Rohr, Ignaz: Klassischer Zimmerschmuck
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https://doi.org/10.11588/diglit.15936#0082

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dunkles Obergewaud. Die zwei untern
Bilderstreifen, von welchen nichts mehr
zu sehen ist, haben jedenfalls die Fort-
setzung der Leidensgeschichte enthalten.

Das ist der reiche Gemäldeschatz an
den Wanden im Innern der Kirche.

Aber auch die Außenseite dieses
Gotteshauses war einst bemalt. Dafür
zeugen noch die Umrisse, welche noch
einige Bilder erkennen lassen: Christus im
Oelgarten, die Kreuzigung, Figuren von
beinahe natürlicher Größe, sind zu enträtseln.

Diese Gemälde an dem Aenßern der
Kirche dürften, wie wohl anzunehmen ist,
aus derselben Zeit stammen und von dem
gleichen Künstler gemalt sein, wie die er-
haltenen zahlreichen Gemälde im Innern
des Gotteshauses. Einen hohen Kunst-
genuß bietet diese Kirche.

In die Betrachtung der interessanten
Bilder versunken, vergaßen nur die vielen
ungezählten Schweißtropfen, welche die
warme Frühlingssonne — 19 0 R. am
23. März 1903 — auf dem Wege von
Lndwigsburg nach Mundelsheim und von
hier nach Besigheim den beiden Wan-
derern auspreßte, vergaßen auch, ganz
vertieft in staunender Betrachtung, den
raschen Flug der Zeit, so daß wir den
gewünschten Zug ans der Station Besig-
heim (von wo Mundelsheim in 1 ‘I» Stunden
zu erreichen), wohl sahen, aber nicht mehr
erhaschen konnten. Aber aller Schweiß
und alle Müdigkeit und dieses Miß-
geschick ist vergessen bei der Erinnerung an
den Genuß bei der Betrachtung der herr-
lichen Gemälde in der Kilianskirche zu
Mundelsheim.

klassischer Jimmerschmuck.

Wir haben vor Jahresfrist in diese»!
Organ ans den Versuch der Seemann-
scheu Verlagsanstalt in Leipzig hinge-
wiesen, hervorragende Meisterwerke der
Malerei in den Farben des Originals
wiederzugeben, ihnen dadurch den Eintritt
in die Wohnungen und den breiten Massen
der Bevölkerung den Genuß an der Kunst
und das Verständnis für dieselbe zu er-
schließen. Damals lag uns Tizians „Zins-
groschen" vor (Preis 2 M.; in Passe-
partout 3 M., gerahmt unter Passe-
partout mit Glas 8 Al.; ohne Passe-
partout mit Goldeinlage gerahmt 9 Al.).

Diesem Gemälde ist seitdeni eine stattliche
Reihe von Genossen erstanden: Rem-
brandts Nachtwache, Nembrandts Saskia,
Guido Neuis Aurora, Andrea dcl Sartos
Madonna del sacco, Brändels Wart-
l urg, von Claude Lorrain eine Landschaft,
Knaus' „hinter dem Vorhang", Thomas
„Kinderreigen", Dürers Apostel Paulus
und Evangelist Markus und derselbe:
Apostel Petrus und Evangelist Johannes.
Nembrandts Nachtwache ist ivie der Zins-
groschen für Neklamezwecke bestimmt und
steht ihm auch im Preis gleich, die übri-
gen Blätter kosten ohne Passepartout 5 M.,
mit Passepartout 7 M„ die von Knaus
und Thoma je 1 M. inehr. Uns liegen
die beiden Blätter von Dürer vor, ge-
wöhnlich „die vier Temperamente" ge-
nannt (Bildgröße 60 X 25 cm). Wir
schreiben über sie nicht, weil nur dazu
anfgefordert wurden, sondern iveil cs uns
freut, daß der Genuß gerade dieser bei-
den Bilder, vielleicht des besten, ivas der
Pinsel des Nürnberger Meisters geschaffen,
fortan nicht mehr das Sondergnt der
Besucher Münchens ist, sondern jedermann
freisteht. Fremd sind die Bilder dem
Gebildeten ja längst nicht mehr. In einer
stattlichen Anzahl von Reproduktionen
sind sie verbreitet und haben immer wie-
der neue Bewunderer geworben. Aber
bisher fehlte den Wiedergaben die Farbe:
das feierliche Rot am Mantel des Jo-
hannes in großer, breiter Fläche, dann
Grün am Leibrock, hierauf das Grün
zerlegt in die beiden Komponenten Gelb
(Mantelsutter bei Johannes) und Blau,
erst licht am Mantel des Petrus, dann
kräftig aufgetragen am Gewand des Mar-
kns, endlich in feiner, leichter Nuance
ausklingend am Alante! des Paulus, zu
allerletzt (am Leibrock des Paulus) noch
einmal das Not wiederkehrend in zarter
Tönung, und mit Blau vermischt, im
Braun des Buchs in der Hand des Völker-
apostels. Auch die Köpfe sind in dem
frischen Kolorit viel wirkungsvoller, als
in den gewöhnlichen. Vervielfältigungen:
da blitzen die Augen und Zähne des tief-
erregten Markus ganz anders: da flammt
der Blick des Paulus noch viel energi-
scher. Das Ganze ist ein schlagender Be-
weis, daß man auch ohne das moderne
Raffinement, mit den allereinfachsten Mit-
 
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