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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 21.1903

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Nr. 8
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Schermann, Max: Wanderungen durch einige Kathedralen Nordfrankreichs, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15936#0094

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83

Konstruktion sollte olles bisherige über- |
bieten. So wurde das Mittelschiff auf
eine Höhe von 146 Fuß emporgeführt,
bei 46 Fuß Breite. Es ist etwas Ueber-
reiztes in diesem Drang nach oben, der
nicht nur dein Gesetz der Masse spottet,
sondern auch von der rhythmischen Wir-
kung der räumlichen Verhältnisse absieht.
ES kann daher nicht wundernehmen, daß
man über den Ban des Chores und des
Qnerschiffs nicht hinauskam; denn der
vollendete Bau würde, wenn man ein
befriedigendes rhythmisches Wechselverhölt-
nis seiner Teile verlangt hätte, olle Grenzen
überschritten haben. Man hat olle Not,

einem sehr geräumigen kkmgang zusommen;
die Gewölbe erheben sich bis zu einer
Höhe von 47 Meter und der oberste First
erreicht 68 Meter über dem Boden, über-
schreitet olso die Höhe der Türme der
Notre-Dame von Paris. Das Ganze ist
heute noch durch Pfeiler von außerordent-
licher Leichtigkeit getragen. Es wird in
der Tat kein gotisches Innere geben, das
durch seine Dimensionen so überrascht, in
dem der Gedanke in solch' unendliche Höhen
unversehens entfleucht. Mag sein, daß
es nicht das Genie des Künstlers war,
dos hinter der Enormität des Versuchs
zurückgeblieben ist; aber sicher stand das

Kathedrale voll Beanvai?.

den Chor, der c. 1270 erbaut war, zu
erhalten. Denn einige Jahre später zeigten
sich schon die Wirkungen der für diese
grandiosen Verhältniffe — allerdings wohl
aus Mangel an Mitteln — allzulnftigen
und leichten Bauart. Am 29. Nov. 1284
stürzte ein Teil der Gewölbe ein und er-
schütterte auch das übrige Bauwerk. Man
mußte die Joche des Chores und die
unteren Seiten verdoppeln und die Stütz-
bogen ini Aenßeren mit Eisenstützen kräf-
tigen.

In t e ch n i s ch e r Hinsicht namentlich ist
dieser Chor außerordentlich interessant;
er setzt sich aus drei breiten Jochen und

Unternehmen außer Verhältnis zu den
Hilfsmitteln der Diözese und der Frei-
gebigkeit der Gläubigen, deren Enthusias-
mus für die großen religiösen Bauten
schon zu sinken anfing.

Noch in eine Kathedrale eigener Art
mag der Leser uns ans unfern Wande-
rungen begleiten, die nicht nur geschicht-
liches, sondern namentlich auch künstleri-
sches Interesse verdient, noch R o u e n. Die
Normandie ist durchaus nicht arm an
interessanten gotischen Bauten, doch zeigt
sich bei den meisten, wie bei den Kathe-
dralen von Seez und Bayeux, deutlich der
Anschluß an den hier heimischen romani-
 
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