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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 21.1903

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Nr. 9
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Detzel, Heinrich: Das Germanische Museum zu Nürnberg von 1852 bis 1902, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15936#0110

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98

gotischem Stile erbauten und ausgemalteu
Sitzungssaal des Museums enthält. Auch
noch eine große Zahl kleinerer Bauten
entstanden neben diesen Hauptbauten.

Was die Ergänzung der Sammlungen
anlangt, so ist vor allem zu bemerken,
daß unter Essenweins Direktion seit 1875
auf Beschluß des Magistrats der Stadt
Nürnberg der gesäurte ältere städtische
Knnstbesitz nach und nach in bestimmten
Gruppen de»l Germanischen Museum
unter Eigentumsvorbehalt zur Verwahrung
und Verwaltung übergeben wurde, teils
Werke von wunderbarer Schönheit und
höchster Bedeutung, z. V. die „Nürn-
berger Madonna", die Holzschnitzereien von
Veit Stoß, die Kaiserbildnisse Dürers u. s. w.
In den siebziger und zil Anfang der acht-
ziger Jahre wurden auf Veranlassung
König Ludwigs II. eine große Anzahl von
Gemälden und anderen Kunstgegenständen
dein Museum zur Ausstellung überlassen,
besonders die 160 bis dahin in der Moritz-
kapelle untergebracht gewesenen altdeutschen
Tafelbilder, die in Vereinigung mit den
Beständen der Stadt und des Museums
eine Gemäldegalerie bilden, die heute für
die Geschichte und das Studium der
deutschen Malerei des 15. und 10. Jahr-
hunderts eine der ersten Stellen einnimmt.
Essenwein scheute nieder Mühe noch Kosten,
die Sammlungen nach allen Richtungen
zu ergänzen und zu vermehren; wochen-
lang war er im Orient, in Konstantinopel,
ans Rhodus und anderen Orten, um Er-
werbungen zu machen.

Doch das unermüdliche Schaffen Essen-
weins hatte seine Kraft zu früh verbraucht.
Er sann in den letzten Jahren ans eine
Neuorganisation des Museums und arbeitete
eine diesbezügliche Denkschrift ans, in der
er als Hauptaufgabe das Zusammenwirken
dreier Faktoren : Reich, Staat und Stadt,
bezeichnete. Allein im September 1891
sah sich Essenwein genötigt, sein Amt in-
folge nervöser Krankheit und völliger
Schlaflosigkeit niederzulegen und von der
Leitung des Museums zurückzutreten. Aber
die verwickelten Fragen, die es bei der
Neuorganisation zil lösen galt, und das
Drängen des Verwaltungsausschusses ließen
ihn im Juni 1892 sein bisher vom Aus-
schuß nur provisorisch genehmigtes Rück-
trittsgesuch vorläufig wieder zurücknehmen.

Allein am 13. Oktober desselben Jahres
erlag er einem Schlaganfalle. Ein un-
gemein arbeitsreiches Leben war mit seinein
Tode abgeschlossen; neben den Arbeiten
für das Germanische Museum können
wir noch Hinweisen auf den nach seinen
Plänen 1884—1889 ansgeführten Er-
weiterungsneubau des Nürnberger Rat-
hauses, ans die Renovierung der Frauen-
kirche zu Nürnberg, die malerische Aus-
schmückung der Kölner Gereonskirche und
des Domes 511 Braunschweig und auf
seine ausgedehnte literarische Tätigkeit.

Zn der Entwicklung der Sammlungen
unter der Direktion Essenweins sind außer den
oben genannten Ergänzungen des Musems
noch nachzutragen: das Gipsmuseum,
wie es sich heilte im Friedrich Wilhelm- und
Viktoriabau, in den Kreuzgängen des
Kartäuser- wie des Augustinerklosters lind
einigen kleinen Nebenräumen ansbreitet,
in der Hauptsache Essenweins Werk; die
Waffensammlung,die zahlreiche Stücke
von ungemeinem kultur- und auch kunst-
geschichtlichen Werte in sich birgt; die
Sammlung kirchlicher Geräte an
Altären, Reliquarien, Ostensorien u. s. f.,
die heute und bereits seit vielen Jahren
zusammen nlit den Werken der großen
Plastik iil der alten Kartäuserkirche aus-
gestellt sind, von denen weitaus die meisten
aus der Zeit der Vorstandschaft Essenweins
herrühren. Es wären ferner noch zu er-
wähnen die prähistorischen und frühchrist-
lich-germanischen Abteilungen, die Oefen-
sammlung, die Glasgenrälde, die Müuz-
und Kupferstichsammlungen, die Erwer-
bungen für das Archiv und die Bibliothek.

So ist unter dem Geheimrat Essenwein
das Germanische Milseum zur höchsten
Blüte geführt worden, unb wenn beim
Tode desselben vielleicht mehrere Freunde
des Instituts befürchteten, es möchten
neue Krisen für dasselbe eintreten, so hat
sie das letzte Jahrzehnt (1893 bis
1902) eines andern belehrt. Die Ver-
waltung und fernere Fortsetzung des Werkes,
die zunächst auf den II. Direktor Haus
Bösch übergegaugen war, lag in tüchtigen
Händen; auch hatte Essenwein selbst noch
seine letzte Kraft darangesetzt, um jene
Neuorganisation anzubahnen, die der Ver-
waltung eine festere Grundlage geben sollte.
Darnach übernahm das Reich, der Staat
 
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