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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 21.1903

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Nr. 12
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Reiter, Joseph: Das Kirchlein zu Kentheim im Oberamt Calw, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15936#0137

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feeneu bartlos (die ältesten Christusbilder
sind bartlos, z. 2*. das Bild in S. Vitale
zu Ravenna) und bärtig dargestellt ist.
Bartlos erscheint er z. B. bei der Kreuz-
tragung, wo ans seinem Antlitz, wie bei
der zweiten Station der Benroner Schule,
eine gewisse Verklärung zu leuchten scheint.
Oder soll sich der Mangel des Bartes
etwa daraus erklären, daß die ohnedies
spärlichen Spuren desselben mit der Zeit
verblaßt oder abgegangen sind?

Die Südwand des Schisses mar früher
auch mit Gemälden geschmückt, dieselben
sind aber jetzt ganz verschwunden, keine
einzige Figur ist mehr zu sehen. Herr
Maler Haaga, welchen wir einmal zufällig
in Kentheim trafen, machte uns die Mit-
teilung, daß er noch ein Wappen daselbst
gefunden habe. Wir fanden keines, nur
einige farbige Stellen rechts vom Eingang
zeugten uns von dereinstiger Bemalung.

Nun zu den Gemälden im Chore! —
Nach der Ansicht der Sachverständigen
sind die Bilder im Chorqnadrate nicht
so alt wie die im Schiff, sie sollen etwa
ans dem Anfang des 15. Jahrhunderts
stammen und nicht als eigentliche Fresken
zu betrachten sein. Ihre vor einem Jahr-
zehnt vollzogene Renovation leistet uns
für die Erklärung gute Dienste. Wir be-
ginnen mit der Betrachtung der Gemälde
auf der Nordseite.

Ueber der schmale» gotischen Sakristei-
türe ein Schloß mit Zinnen, zwei turin-
artig aussteigende, friesgekrönte Säulen,
unten noch eine geöffnete Pforte, und oben
eine bärtige Figur, welche über die Mauer
schaut und mit dem rechten Zeigfinger
gen Osten, gegen die Bilder weist. Die
Figur trägt eine dreizackige Krone, deren
Zacken wie Krenzlein oder Lilien aussehen.
Wir konnten uns einige Zeit über diese
Darstellung keine Rechenschaft geben. Als
wir aber über dem Bilde den Namen
Christus lesen zu können glaubten, da war
es uns klar: Der Herr ist's, welcher von
seiner Himmelsburg herabschaut, in welche
diejenigen durch die schmale Pforte eiu-
treten sollen, die gleich den abgebildeten
Heiligen Pein und Marter erdulden.

ft I» St. Apollinare nuovo zu Ravenna ist
Christus auf den linksseitigen Bildern bartlos
auf den rechtsseitigen bärtig.

»Haec porta Domini, justi intrabunt
in eam.« Psalm 117, 20. Dieser Ge-
danke wollte uns umsomehr gefallen, als
das Gemälde gerade über bem Pförtchen
der Sakristei angebracht ist, welches mög-
licherweise aus symbolischen Gründen so
klein geworden.

Aber die zwei sonderbaren Säulen?
Sie sind doch keine Garteusäulen, |te sind
doch keine Türme, ivelche mit dem Ganzen
organisch verbunden wären! Dürfen wir
uns vielleicht zur Erklärung ans das dritte
Buch der Könige, Kap. 7, Vers 21, be-
rufen, ivo berichtet lvird, daß von Saloiuo
im Tempel zu Jerusalem zwei Säulen
errichtet wurden, welche Jachin und Booz
hießen? Die Säulen oder Pfeiler, welche
die Säulen Jachin und Booz im salo-
monischen Tempel sinnbildlich darstellen
sollten, finden sich fast in allen katholischen
Dom- oder Münsterkirchen des 11. bis
13. Jahrhunderts und wohl auch noch
später. Die Freimaurer von Frankreich
und Deutschland bringen, teilweise durch
die mittelalterliche Mystik beeinflußt, beim
Ban ihrer Logen jetzt noch am Eingang
Säulen an, welche sie mit J und B be-
zeichnen. Sie haben die Ansicht, daß bei
der Säule J die Arbeiter beim Teinpcl-
bau sich des Morgens sammelten und bei
der Säule B des Abends ausbezahlt
wurden.

Das zweite Feld, welches von bem ersten
durch zwei schwarze dünne Streifen ge-
trennt ist, bietet keine Schwierigkeiten für
die Erklärung. Dasselbe bringt den hl. Georg
zur Anschauung. Der Heilige, eine ritter-
liche, freundliche Erscheinung, sitzt auf
einem Schimmel und stößt seinen Speer
in den Rachen des schön gezeichneten
Lindwurms. Links vom Beschauer hält
oben ein Engel den Helm des heiligen
Ritters, während rechts unter Bäumen
die gekrönte Königstochter kniet, die Hände
zuin Gebete emporhebend. — Im dritten
Feld erblicken wir St. Georgs Martyrium

(Legende oben:.vnd marter).

Er ist auf bem von zwei gabelartigen
Ständern gehaltenen Rade ausgestreckt,
welches von einein seitwärts stehenden,
bärtigen und kahlköpfigen Manne getrieben
wird. Die Perspektive ist mangelhaft,
der Ausdruck des Gemarterten edel. Bei
dem Peiniger fällt ans, daß er auf der
 
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