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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 22.1904

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Nr. 1
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Detzel, Heinrich: Die neue katholische Kirche in Untertürkheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.15937#0015

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3

gerade gedeckte Laufgänge, nach außen in
zierlichen Arkaden ans Nundsäulen geöffnet,
wobei noch für die nötige Erhellung der
Gewölbe innerhalb der Kirche Nundfenster
angebracht sind. Blendgalerien dagegen
finden wir an den Giebelansichten (s. Veil.
Nr. II und lll) und an der Chorapsis
(s. Veil. dir. IV). Die ganze Kirche wie
auch der Turm ist mit Weißpntz über-
zogen und der rote Backstein wird nur
an den Mauerecken, an den Fenster- und
Türeinfassnngen sichtbar, nwdnrch sich das
Gotteshaus von dem roten Mergelton des
bergigen Hintergrundes in weiteste Ferne
hin lebhaft nbhebt.

Wenn wir den Innen raum der
Kirche betreten, sehen wir diesen in Schiss
und Chor mit spitzbogigcn Rippenkrenz-
gemölben überspannt und diese Gewölbe
sich in die halbzylindrische Chorapsis hin-
einziehen, was gegenüber dem deutsch-
romanischen Stile, der bei Einwölbnng
der Apsiden über die reine Kuppel.kaum
hinanskam, eine sehr gute Wirkung her-
vorbringt. Die Wandpfeiler im Schiff,
die einfach gebildete Kapitale aus Sand-
stein haben und die Gewölbegnrten tragen,
sind durch Tonnengewölbe verbunden und
bilden so liefe Fensternischen. Dadurch ist
zugleich eine wirkungsvolle Wandgliede-
rnng erzielt, während die darüber kon-
struktiv erforderliche Ausmauerung, nl»
jede Schwerfälligkeit zu vermeiden, in einen
Lanfgang mit der oben beschriebenen
Zwerggalerie aufgelöst ist.

So zeigt denn die ganze Architektur
dieser neuen Kirche in llntertürkheim wie-
der aufs neue, daß Meister Ca des nicht
nach hergebrachten Schablonen arbeitet,
sondern daß er auf Grund seiner vielen
Studien in Deutschland, Frankreich und
Italien selbständig vorgeht und selbständig
die reif entivickelten Motive von Konstruk-
tion und Ornamentik der verschiedenen
Bauperiöden zweckmäßig zu verwerten
weiß und so seinen Kirchenbauteil einen
eigenartigen, originellen Charakter verleiht.

Was die Dimensionen der Kirche
anlangt, so sind es folgende: äußere
Länge 34 Meter, äußere Breite 11,90
Meter, im Querschiff 18,23 Meter, innere
Höhe 10 Meter, in der Vierung 11 Meter,
Höhe des Turmmauerwerkes 23,10 Meter.
Sitzplätze bietet die Kirche 420, Steh- .

plätze 324, demnach Raunt für 75o Per-
sonen. Die überbaute Fläche beträgt 473,3
Quadratmeter, der umbaute Raum 4773,3
Kubikmeter. Tie 9t o h b a u k o st e n be-
laufen sich ans 75 000 M., es kommen
daher auf 1 Quadratmeter Baufläche
158 M. 56 Pf., ans 1 Kubikmeter Raum-
inhalt 15 Al. 71 Pf. Der Bauplatz kostete
15 000 Al. Alit der Terrassenanlage, mit
Planierung u. s. w. wird der Vau auf
etwa l 00 000 Al. zu stehen kommen. Die
Alaurer- und Steinhanerarbeit ist nusge-
führt von Gebrüder Staiber-Untertürkheim,
die Schreinerarbeit von Schreinermeister
Engen Körner daselbst. Die Ausführung
der Altarunterbanten, des Taufsteines und
der Ornamentik der Portale erfolgte durch
Bildhauer Göhle und Rieble. Tie drei
Glocken sind gegossen von Gebrüder Zoller
in Viberach (Töne s, §, b; 3737 Kilo),
Preis samt eisernem Stuhle 5600 Al.

Noch haben wir der drei Altäre und
der Kanzel zu gedenken, die von dem
Altarbauer und Bildhauer Th. S ch n e l l jr.
in Ravensburg entworfen uuö ausgeführt
sind. Der Hochaltar, aus Holz gebaut und
fast ganz vergoldet, besteht ans einem
Retabnlnm, dem Tabernakel uub offenen
Thronus. In den Nischen sind zu Seiten
des Tabernakels St.Petrus und St.Paulus,
an den äußeren Seiten St. Johannes Cv.
und St. Jakobns der Aeltere angebracht.
Ebenso einfach in ihrer Art sind die Seiten-
altäre, in den Querarmeil der Kirche an-
gebracht, wovoil der eine eine Pieta, der
andere den hl. Joseph als Patron der
katholischen Kirche enthält. Sämtliche Bil-
der, besonders die Pieta, sind sowohl
plastisch als in ihrer Fassung künstlerisch
gut und würdig ausgeführt. Auch in diesen
Altären begegnet uns ein völlig selbstän-
diger Entwurf und jeder Sachverständige
wird sofort in ihrer Komposition und be-
sonders in ihrer originellen Ornamentik
eine gesunde, selbständige Weiterentwick-
lung romanischen Stiles finden.

Bezüglich des Plattenbodens noch
die Bemerkung, daß er eine Nachahmung
des Tonfliesen-Mosaikbodens der Kirche zu
Arnstein bei Limburg a. L. ist und von
der Baumaterialienhandlung von Schmohl
in Stuttgart geliefert ivnrde.

St. Christina. Detzel.
 
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