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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 22.1904

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Nr. 2
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Detzel, Heinrich: Neue Monstranz im Rokokostil
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Bach, Max: Romanische Reliquienkästchen in Württemberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.15937#0028

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11

hinführt und hinweist". Hier aber bei
unserer Scheidegger Monstranz ist von
dieser Oval- oder Eiform abgesehen und
der Komposition der Entwurf eines Taber-
nakelaltares der Spätstile zu Grunde ge-
legt worden und zwar in einer Weise,
daß auch hier das Allerheiligste den Haupt-
nnd Mittelpunkt des Ganzen bildet. Die
Haupt- oder Mittelnische enthält nämlich
deil Thronus mit dem Sanktissimum an
Stelle des Tabernakels, die beiden Seiten-
nischen haben in figürlichen Darstellungen
die Patrone der Kirche und über der
Mittelnische erhebt sich wie bei den Barock-
nnd Rokokoaltären ein weiterer Aufbau
»lit figürlicher Darstellung. So ist die
ganze Konlposition oder Architektur, wie
wir besser sagen, sehr klar, einfach und
in durchgreifender Harmonie angelegt, ohne
daß sie von der sonst so sehr zur Ueber-
ladnng geneigten Rokoko-Ornamentik be-
einträchtigt würde.

Die Monstranz wurde ganz in Silber
mit schwerster Vergoldung zur Allsführnng
gebracht und es ward dem Meister die
Aufgabe gestellt, daß sie nicht schwerer
als 8 Pfund oder 4 Kilo und ca. 80 Zenti-
menter hoch werden sollte. Es war daher
von selbst gegeben, daß die ganze Arbeit,
um das vorgeschriebene Gewicht nicht zu
überschreiten, getrieben werden mußte. Alle !
Teile, selbst die einzelnen Architektnrteile,
sind denn auch in Silberblech ge-
trieben, montiert und teilweise im Feuer
zusammengelötet, eine Arbeit, die nicht
nur künstlerisches Empfinden und Können,
sondern auch einen hohen Grad von tech-
nischer Fertigkeit erforderte. Mit Aus-
nahme des Rodus findet sich an der ganzen
Monstranz nicht ein Stückchen Guß.

An figürlichen Darstellungen sehen wir
in den beiden Seitennischen die Patrone
der Kirche und zugleich des Allgänes, die
Heiligen Gallus und Magnus, oben Gott
Vater, darüber den heiligen Geist in
Tanbengestalt und an den Gesimsen zwei
Engelköpfchen. Diese Figürchen sind sämt-
lich von dem Bildhauer Ru sing er in
Elfenbein geschnitzt und miniaturartig in
ausgezeichneter Feinheit und Zartheit ans-
geführt und in würdigster Weise dem Stile
der Monstranz angepaßt. Die Säulchen,
von welchen sie umrahmt werden, sind
aus echten blauen Lapis-Lazzulisteinen ge-

arbeitet, die teilweise matte Vergoldung
der Ornamentik mit den abwechslungs-
weise polierten glänzenden Stellen der-
selben, der tiefblaue Glanz der Säulchen,
die gelbliche Farbe der geschnitzten Elfen-
beinfigürchen und dazwischen die echten
Rubinen mit dem in Diamanten strahlen-
den Halbmond der Lunula geben dem
Ganzen eine wunderbar prächtige Abwechs-
lung und Farbenharmonie. Wir haben in
dieser Scheidegger Monstranz ein Werk
von hervorragendem künstlerischen Wert,
das ein Ehepaar um den Preis von
4000 M. gestiftet hat. D e tz e l.

Romanische' Reliquienkästchen in
Württemberg.

Von Max Bach.

Reliqnienschreine und -Kästchen aus ro-
manischer Zeit haben sich in den Kirchen
unseres Landes nur sehr wenige erhalten;
Keppler führt in seinem Buche über die
kirchlichen Kunstaltertümer Württembergs
nur ein kleines Stück an und zwar ein
silbernes mit fünf ziselierten Bildern aus
dem Leben der hl. Katharina in der Kirche
zu Altshausen. Dagegen finden sich in den
Stuttgarter Samnilungen zwei bedeutende
Stücke und ein drittes in Eßlingen vor.

Der Stuttgarter Reliqnienschrein, dem
wir uns zunächst zuwenden wollen, hat in
neuester Zeit durch Hans Semper eine
kunstgeschichtliche Würdigung erfahren. ')
Der Kasten hat die Form einer Basilika
und ist am Sockel 25,5 Zentimeter lang,

' die Höhe beträgt vom Sockel bis 511111
! Scheitel 32 Zentimeter. An den beiden
1 Langseiten stehen zwischen Pilastern Christus
mit den 12 Aposteln in streng schema-
tischer Haltung, sämtliche Figuren sind
gleichmäßig mit Alba und Mantel be-
kleidet und halten ein Buch in den Händen,
einzelne, z. B. Petrus, sind mit ihren
Atributen versehen. An den Ecken stehen
höchst charakteristische Kriegersignren mit
konischem Helm, langen Schilden und brei-
ten Schwertern. Ihre Kleidung ist der
Kettenpanzer, sie werden durch eingeschnittene
Namen an den Schilden bezeichnet als die
Heiligen Gereon, Kassius, Viktor und

') „Zeitschr. für christl. Kunst" 1900, S. 107 ff.,
eine gute Abbildung in Pnulns' Württeinb. Kunst-
, denkniälern (Atlas).
 
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