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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 22.1904

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Nr. 2
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Bach, Max: Romanische Reliquienkästchen in Württemberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.15937#0029

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12

Mauritius. Es sind dies vier Märtyrer
der thebauischeu Legion, welche am Nieder-
rheiu besondere Verehrung genießen, da
nach der Legende der hl. Viktor in Xanten,
der hl. Gereon in Köln und der hl. Kassius
in Bonn des christlichen Glaubens halber
niedergemetzelt wurden. Ueber ihren Grä-
bern entstanden Kirchen, welche den ge-
nannten Heiligen geweiht und in denen
die Verehrung ihrer Reliquien eifrig ge-
pflegt wurde.

An beiden Giebelseiten sieht inan einer-
seits Christus am Kreuz (eine neuere Er-
gänzung) zwischen vier Figuren, worunter
zwei Inden durch ihre Hute kennbar sind,
anderseits die drei Frauen am Grab Jesu
mit den schlafenden Wächtern und dem
Engel. Im Giebel anscheinend König David
zwischen zwei knieenden Engeln. Auf den
Dachflächen sind unten die Flucht nach
Aegypten, die Hirten auf dem Felde und
die Geburt Christi dargestellt, oben Engel,
welche ans Türmen hervorragen, an den
Ecken wieder Kriegerfiguren. Der Kasten
ist von Holz, die Ornamente und Figuren
ans Bein geschnitzt und aufgelegt.

Man hat dieser Reliquie früher ein
hohes Alter zusckreiben wollen, nach den
Ausführungen Sempers am genannten Ort
kann eS jedoch keinem Zweifel mehr unter-
liegen, daß unser Kästchen einer Gruppe
von Denkmälern angehört, die um die
Wende des 11. Jahrhunderts und nock-
später in den Rheinlanden angefertigt
wurden. Man hat ähnliche Stücke in fran-
zösischen Sanunlnngen, in Berlin, in Darm-
stadt und an anderen Orten. Das Darm-
städter Exemplar in Form eines Turms
zeigt z. B. ganz das gleiche Sockelorna-
ment und ganz ähnliche Engel, ebenso
entsprechen die kleinen gekuppelten Pavil-
lons an den Schmalseiten des Stuttgarter
Kästchens genau denjenigen am Deckel des
Darmstädter turris.

Auch die Art, wie der Engel in der
Scene der Frauen am Grabe auf dem
offenen Sarg sitzt, während die Schild-
wachen davor am Boden liegen, entspricht
überhaupt der Ikonographie des 11. bis
12. Jahrhunderts, so daß über die Zu-
gehörigkeit des Stücks zu der genannten
Gruppe wohl keine Meinungsverschieden-
heiten entstehen können.

Ein zweites Stück' der Stuttgarter

Sammlung ist ein Elfenbeinkästchen oder-
näher bezeichnet, eine hölzerne Schachtel
mit Elfenbeinplatten belegt. Das Stück
ist schon in Heideloffs Kunst des Mittel-
alters in Schwaben in natürlicher Größe
abgebildet, leider aber nicht stilgetreu,
namentlich sind die Köpfe modernisiert.')
Die Schachtel ist 18,5 Zentimeter lang
und 10 Zentiineter breit und zeigt als
Hanptdarstellung auf beut Deckel die Himmel-
fahrt Christi in eigenartiger Auffassung.
Unten sieht man Maria mit den Jüngern
Jesu in lebhaft bewegten Stellungen, mit
nach oben gerichtetein Blick oder auch in
Trauer abgewendet unter Bäumen stehen.
Dazwischen die griechische Inschrift:
EIPENEN TUN EMEN AIASiMl
IMIN E1PHNHN TEN EMEN A<I>I-
EMI WM IN.

„Meinen Frieden gebe ich euch, meinen
Frieden lasse ich euch", Joh. 14. 27. Dar-
über Christus in der Mandorla von Engeln
gehoben, von zwei anderen umschwebt.
Rings um den Deckelrand liefen auf Bibel-
stellen bezügliche Inschriften, von denen
aber auch nur noch die vordere ganz leSbar
ist. „BPOTBN A IIAPXEN OWPANO
APOAION AABON“, d. h. der zuerst unter
den Menschen gen Himmel gefahren ist.
Darunter ist die Auferstehung der Toten,
oder wenn man will, Christus in der Bor-
Hölle zur Anschauung gebracht. Christus,
welcher den Satan niedergetreten hat, er-
hebt den vor ihm knieenden llrvater Adam,
während zu beiden Seiten Patriarchen und
Propheten, unter denen die Könige David
und Salomo mit Kronen ans den Häup-
tern, verlangend ans den gesprengten
Gräbern die Arme nach dem Heiland ans-
strecken. Ans der entgegengesetzten Seite
sieht man fünf stehende Figuren mit Schrift-
rollen in den Händen. In der Mitte laut
Inschrift David, zu seiner Rechten und
Linken je zwei Propheten, von denen die
beiden äußersten durch eine auf einem orna-
mentierten Fuß ruhende Tafel mit In-
schriften von den andern getrennt sind.
Es ist indessen nur die linker Hand un-
versehrt geblieben; sie gibt den Propheten
zur Rechten Davids die Namen Jere-
mias und Ezechiel; die zu seiner Linken

’) Eine Phototypie in der Festschrift von
Paulus zum 25jährigen Jubiläum des Württemb.
Altertumsvereins 1893.
 
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