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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 22.1904

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Nr. 3
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Kleinschmidt, Beda: Das Rationale in der abendländischen Kirche, [2]
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24

lichkeit gefolgt, gibt uns jedoch wohl im weseiit-
Uchen die Form des Rationale zu Eichstätt im
13. Jahrhundert.') Ein ähnliches Schulterband
mit einem viereckigen bezw. runden Ansätze auf
der Brust trägt Bischof Vindicianus von Arras
auf einem Manuskript aus dein 12. Jahrhundert
zu Valenciemes und Bischof Richard von Avran-
ches auf einem Siegel vom Jahre 1t 17. Rohnnlt
de Fleury sieht in beiden Fällen hier das Na-
tionale; mir scheint diese Erklärung nicht sicher,
denn auf Abbildungen des >2. und 18. Jahr-
hunderts, namentlich bei Miniaturen, ist die Kasel
häufig an dein Schulterausschnitt mit einer Art
Kollier verziert, das dem Rationale sehr ähnlich
ist. Auch in einer Bibel aus Limoges (jetzt Na-
tionalbibliothek zu Paris) trägt ein Bischof über
der Kasel ein prachtvolles Ornament: ein breites
durch Gold und Edelsteine verziertes Band mit
gleichem Behänge auf der Brust?) Das gleiche
Ornament findet man aber auch auf gleichzeitigen
Darstellungen weltlicher Standespersonen; es
kann also bei einem Bischof nicht ohne weiteres
als Nationale angesehen werden.

ck) An den bisher genannten Formen ist auf
der Brust nur ein Behang angebracht, daneben
tritt frühzeitig eine andere Form mit zwei oder
m e h r B r u st b e h ä n g e n auf. Ein interessantes,
bisher noch nicht beachtetes Beispiel bietet uns
die Grabplatte des Bischofs Bruno von Minden
(P 1065). lieber der Kasel trägt der Bischof ein
Schulterband mit zwei kurzen Behängen auf der
Brust; an der Berbindungsstelle sind zwei
runde'Verzierungen angebracht. Das Denkmal
stammt, soweit die uns vorliegende Abbildung
ein Urteil gestattet, aus der ersten Hälfte des
12. Jahrhunderts?) Zwei Pendants hat es auf
einem Siegel des Bischofs Roger d'Ostenge de
Marcey (f 1253) von Toul, drei auf einer Büste
des hl. Lambert im Dom zu Lüttich, fünf auf
dem Siegel des Eudes von Sorcy (si 1228),
Bischofs von Toul?)

e) Während das Nationale in diesen vier
Formen wesentlich als ein Schulterbaud mit
einem oder mehr Behängen erscheint, kommt es
daneben schon im 11. Jahrhundert als Schulter-
gewand vor. Mit der unter ck) genannten Form
hat es insofern einige Aehnlichkeit, als es mit zwei
breiten Ansätzen oder Behängen versehen ist, die
später regelmäßig angebracht werden. Solcherart
sehen wir es in Bamberg bereits im 11. Jahr-
hundert; jedoch ist es hier fast nur Schulter-
geivand, die Behänge treten fast ganz zurück.
Das Brust- und Rückenstück sind durch zwei
scheibenförmige Verzierungen auf den Schultern
miteinander verbunden. Seit der Mitte des
15. Jahrhunderts hat es in Eichstätt und Pader-
born eine ähnliche Gestalt, nämlich schmaler
Schulterkragen mit zwei Behängen auf der Brust
und dem Rücken.

>) Abbild, in: Eichstätts Kunstfestschrift zum
goldene» Priesterjubiläum des Bisch, v. Leonrod.
München 190 l.

2) Rohault d'eFleury, LaMesseVIII,70.

n) Abbild, in Schröder Gesch. und Chronik
des Bistums Minden (1886) S. 80.

') Vergl. die Abbildungen.

l) Ganz abweichend von diesen fünf Formen
tritt es auf einem Siegel des Bischofs Eudes
von Sorcy von Toul auf: es hat fast die Ge-
stalt einer auf der Brust gekreuzten Stola. Von
dieser unterscheidet es sich besonders durch eine
große runde Agraffe, welche an der Kreuzungs-
stelle angebracht ist. Man könnte leicht geneigt
sein, diese Form für ein Phantasiewerk des Künst-
lers anzusehen. Indes tritt dieser Abbildung ein
fast gleiches Nationale im Osten zur Seite, das
uns glücklicherweise erhalten ist; es ist dies das
Nationale im Dom zu Krakau, von dem weiter
unten noch die Rede sein wird.')

Diese sechs verschiedenen Formen treffen wir
auf den mittelalterlichen Siegeln, Grabdenkmälern
und Miniaturen mit manchen kleineren oder
größeren Abweichungen; doch wird man die auf-
gezählten Grundformen immer wieder heraus-
finden, weshalb ein Eingehen auf weitere Einzel-
heiten überflüssig erscheint.

Was die Ausstattung anlangt, so ist besonders
die Verschiedenheit vom Pallium hervorzuheben,
mit dem es sonst große Aehnlichkeit hat. Das
erzbischöfliche Pallium ist in der abendländischen
Kirche — abgesehen von einigen Kreuzen — stets
ohne jede Verzierung gewesen. Das Rationale
liebte dagegen seit seinem ersten Auftreten einen
reichen Schmuck, worin es dem Pallium (Omo-
phorion) der morgenländischen Kirche gleicht.
Die alten Jnventarieu verzeichnen genau die
Ausstattung des Rationale durch Edelsteine, Perlen
oder Goldstickerei; so spricht das Inventar von
St. Veit zu Prag vom Jahre 1387 von einem
Rationale mit „kostbaren Perlen", ein zweites
Rationale war ebenfalls mit „Perlen und schwarzen
Kreuzen bedeckt, viele Perlen waren jedoch ver-
loren gegangen." 2) Auch auf den Monumenten
tritt dieser Unterschied zu Tage und ist zuweilen
das einzige Kriterium, um die beiden Ornatstücke
von einander zu unterscheiden. Auf dem Brust-
behange sind zuweilen Namen angebracht, so
sehen wir es wenigstens in Würzburg auf den
Grabdenkmälern; da lesen wir wiederholt den
Namen „Kilian"; auf dem Grabmal des Bischofs
Rudolf von Scherenberg (si 1316) liest mair auf
dem Schulterbande die Namen Jesus und Maria,
auf dem Pendant: Kilian. — Wie den Ma-
nipel und die Stola, so verzierte man auch
das Nationale mit kleinen Schellen, die bei Be-
wegungen des Bischofs aneinander schlugen und
melodische Töne erzeugten; ivir sehen diese Ver-
zierung auf dem Metzer Siegel von 1194 und
lesen davon noch 400 Jahre später in den Dom-
rechnungen von Bamberg?)

Das Rationale in der Form des Schulter«
gewandes bietet Raum für Figurenmalerei, welche
symbolisierende Darstellungen zur Anschauung
bringen, wie in Bamberg. Die Leiden Stücke —
Vorder- und Rückenstück — sind durch kreis-
förmige Verzierungen miteinander verbunden.
Solche Verzierungen sehen wir bereits auf den
ältesten Abbildungen im Pontifikale Gundekars,
also auch an dem bandförmigen Nationale, sic

') Vergl. die Abbildungen.

2) Bock, a. a. O. S. 204.

") P f i st e r, Dom von Bamberg (1896) S. 61.
 
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