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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 22.1904

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Nr. 3
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Kleinschmidt, Beda: Das Rationale in der abendländischen Kirche, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15937#0046

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25

Begegnen in der Form von Epauletten später ans
dem Denkmal des hl. Mansuetus in der Krypta
zn Toni (um 1500) und ebenso später wieder-
holt in Eichstätt. (Vergl. Abbild.)

Im Unterschiede vom Pallium besaß also das
Rationale materiellen Wert, und dieser Umstand
mag auch ein Grund gewesen sein, weshalb uns
ans dem Mittelalter so wenige Nationalien erhalten
geblieben sind.

3. Alter.

Die Frage nach dem Alter des Rationale hat
eine sehr verschiedene Beantwortung erfahren.
Während die einen es erst gegen Ende des ersten
Jahrtausend entstehen lassen, wollen es andere
um volle 500 Jahre höher hinaufdatieren; letz-
teres wurde namentlich von französischen Gelehr-
te» versucht, zuletzt von Abbe Cers, der sich in
seiner Beweisführung eng an Ruinart anschließt.')
Das Konzil von Maro» lFrankreich) im Jahre 581,
so argumentieren beide, verbietet den Bischöfen,
die hl. Messe ohne Pallium zu feiern.* 2 * 4 * 6) Nun
werde aber das römische Pallium nicht in jeder
hl. Messe getragen, sondern nur an gewissen
Tagen, und zwar regelmäßig nur von Erzbischöfen.
Also mußte, so schließt man weiter, damals noch
ein zweites, verschiedenes Pallium gebräuchlich
sein, neben dem römischen ein gallikanisches, letz-
teres ist aber nichts anderes als das Nationale.
Nuinart verweist zur Begründung dieser Ansicht
auf eine Darstellung des hl. Remigius, die er
in einem sehr alten Manuskript gefunden, worauf
der Heilige das Pallium trügt. „Dies ist ein
neuer Beweis, bemerkt Cerf dazu, daß es da-
mals noch ein anderes als das römische Pallium
gab, denn zur Zeit des hl. Remigius (P 533)
war letzteres noch nicht in Gebrauch; das galli-
kanische Pallium oder das Rationale soll schon
damals mit dem römischen eine große Aehnlich-
keit gehabt haben." Wenn wir diese leicht wiegen-
den Gründe Cerfs für das hohe Alter hier an-
sühren, so geschieht es nur deshalb, weil der
Kanon von Maeon in der Geschichte der litur-
gischen Gewänder eine bedeutende Rolle spielt und
seit langem „das Kreuz der alten und modernen
Kanoniste» und Litnrziker bildet"?) Wilpert hat
nenestens das Wort Pallium des Kanons von
Maeon als Stola erklärt, eine Erklärung, der
man wohl beipflichten kann; denn die Stola geht
bis in die älteste» Zeiten der Kirche zurück und
wurde namentlich bei n Meßopfer gebraucht. Einen
zweiten Beweis für das hohe Alter des Natio-
nale findet Cers in der Missa Flacci lllyrici,
worin unser Ornatstück erwähnt wird; dieser von
dem Protestanten Flaeeus zuerst publizierte Meß-

') Cerf, l. c. p. 236 ss. Mabillon et
R u i nart, De pallio archiep. Ouvrages poslh.
II. c. X.

2) Ut archiepiscopus sine pallio missas di-
cere non praesumat. — Die Lesart «archiepis-
copus« findet sich nicht in den besten Hand-
schriften und ist erst später für -episcopus-
gesetzt, als man den Sinn des Kanons nicht mehr
verstand. Vergl. Löming, Deutsches Kirchen-
recht II. 94'.

8) Wilpert, Un capitolo di storia del
vestiario (Roma 1899J p. 50.

ordo stammt indes nicht, wie der Herausgeber
annahm und Cerf ihm noch nachschreibt, aus dem
8. Jahrhundert, sondern ist, wie längst be-
kannt,') wenigstens zwei Jahrhunderte jünger
und kann deshalb das hohe Alter des Rationale
nicht beiveisen.

In Deutschland hat die Tradition das Ratio-
nale bereits dem hl. Willebald von Eichstätt
(]- 786) zugeschrieben, der es auf Veranlassung
des hl. Bonifatins wegen seines Vorranges vor
den andern Suffraganen des Erzbistums und als
Stellvertreter des Metropolitanen erhalte» haben
soll?) ivie Bischof Philipp von Eichstätt zur Ehre
seines heiligen Vorgängers schrieb?) Tatsächlich
läßt sich indes das Nationale in Eichstätt nicht
über das 12. Jahrhundert hinaus verfolgen.

Die älteste Nachricht über das Rationale findet
sich, wie man bisher gewöhnlich annahm, in dem
Sakramentar des Abtes RatolduS von Corbie
(f 986), jetzt in der Nationalbibliothek zu Paris;
es wurde für die Abtei St. Vast bei Arras an-
gefertigt und zeigt die Schristzüge aus der zweiten
Hälfte des 10. Jahrhunderts?) Zu Anfang
enthält es Gebete, welche der Bischof bei An-
legnttg der liturgischen Gewandung sprechen soll,
nebst rituellen Vorschriften; nachdem er die Kasel
angelegt hat, soll man ihm das Rationale reichen,
das mit dem Superhumerale verbunden ist:
postea ministretur ei casula, tandem vero ra-
tionale coliaereus vinctim superhumerali?) Hier
wird das Rationale iit engster Verbindung mit
dem Superhumerale vorgeführt; es ist aber nicht
recht klar, was man unter dem hier genannten
Superhumerale zu verstehen hat. Man bezeich-
nete mit diesem Worte, ivie oBe» gesagt, so-
wohl den Amikt, ivie das Pallium, wie auch das
stoffliche Rationale. Man hat hier das Wort in
der ersten Bedeutung, nämlich als Amikt, erklärt.
Es läßt sich dagegen vielleicht einwenden, daß
eine Verbindung des Amikts und des Nationale
sich ans den Monumenten schwerlich wird nach-
weisen lassen, auch mit dem Wortlaute des
Sakramentes nicht recht in Einklang gebracht
werden kan», wenn wir die Lesart vinctim t nicht
junctim) aceeptieren,") denn der Amikt wurde
dem Bischof vor, nicht nach der .llasel gereicht.
Man könnte also das hier genannte Superhumerale
als stoffliches Ornatstück, das Rationale als me-
tallische Jnsignie erklären; doch möchte ich der
ersten Erklärung den Vorzug geben, da das
Sakramentar den Amikt ausdrücklich als Super-
humerale bezeichnet. In jedem Falle aber scheint

') Ebner-Thalhofer, Liturgik I (1899)
103.

") Vergl. Eichstätter Pastoralblatt, Jahrg. 1854,
S. Il ff. Kirchenlexikon (2. Ausl.) IV, 243.

") Vita 8. Willebaldi c. 23. Holder-Egger
bemerkt zu der Vita: Ineptis fabulis menda-
citer effictis contaminata.

4) lieber das Alter vergl. Delisle, Me-

moire sur d’anciens sacramentaires (Paris 1888)
p. 188.

6) Migne, P. L. 78, 241.

6) Beide Lesarten nämlich kommen vor, wie
! bereits Marione in seinem Werke über die „Sitten
I der alten Kirche" angemerkt hat.
 
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