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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 22.1904

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Nr. 3
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Kleinschmidt, Beda: Das Rationale in der abendländischen Kirche, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15937#0048

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27

sehen kann.') Man verband auch wohl beide Lang-
streifen durch einen Querstreifen, wie byzantinische
Darstellungen beweisen. Dieses von der Tunika
losgelöste Loruin soll dann später unter dein
Namen Rationale unter die liturgischen Gewänder
aufgenoinmen sein.

Auch Abel läßt das Rationale aus einem
griechischen Gewandstück hervorgehen, aber nicht
ans einem profanen, sondern ans einein kirch-
lichen, nämlich ans dem Omophoriuin, dem Pnl-
liilin der griechischeil Erzbischöfe?) Die Entwick-
lung des Nationale aus dein Omophoriuin ist
indes bei der gänzlichen Verschiedenheit der beiden
Ornatstücke ebenso undenkbar, wie die nach Abel
stattgehabte Entwicklung des Omophoriuin ans
dem jüdischen Ephod.

Man sieht, wie verschieden unsere Frage be-
antwortet wird. Ausgeschlossen ist bereits die
Ableitung aus dem päpstlichen Fanon und dem
griechischen Omophorion; ebensowenig wird die
Ableitung aus dem Lorum unserer Frage gerecht.
Aber auch die erste Ansicht, nämlich die Ablei-
tung aus einem jüdischen Kulturgewande, be-
friedigt in den Einzelheiten nicht vollständig. Die
Sache ist komplizierterer Natur, als die bisher
gebotenen Erklärungen annehmen. Zur Ent-
stehung und ersten Gestaltung des Rationale
wirkten mehrere und verschiedenartige Gründe mit.

Zunächst wirkte, wie auch von den meisten
Archäologen angenommen wird, auf die Entwicklung
des Rationale das Bestreben der mittelalterlichen
Litnrgen, ein dem Ornatstücke des jüdischen Hohen-
priesters analoges Gewandstück zu schaffen. Das
Rationale entstand ja in jener Zeit, wo die litur-
gischen Bestrebungen im karolingischen Reiche eine
ungewöhnliche Höhe erreicht hatten, wo man nach
Aehnlichkeiten zwischen den levitischen und christ-
lichen Kultgegenständen förmlich suchte. Da-
mals galt es „als Ziel alles Studiums und als
höchste Weisheit, die hl. Schrift nach ihrem drei-
fachen Sinne, deni historischen, moralische» und
besonders dem mystischen, als dem höchsten und
tiefsten zu verstehen". 3) Bereits Walafricd
Strabo, der doch wie kein anderer unter den
Liturgikern dein historischen Sinne huldigte, hatte
die jüdischen und christlichen Kultgewander — je
sieben an der Zahl — einander gegenübergestellt?)
Andere gingen weiter. Was Wunder, wenn man
unter den Ornatstücken des Bischofs auch
ein Analogon zum Superhumerale und Ra-
tionale des jüdischen Hohenpriesters wünschte,
zumal der Erzbischof nach damaliger Anschauung
bereits ein solches besaß, nämlich das Pallium?
Was man wünschte, war in jener Zeit, die in
liturgischen Dingen nicht so eingeengt war wie
die heutige, bald getan: man schuf ein sol-
ches Analogon, indem man unter die bischöf-
lichen Insignien eine neue aufnahm, das Rationale

’) Eine Tunika mit solcher Berzierung s. abgeb.

bei Dalton, Catalog of early Christ, anti-
queties in the British Museum (1901) p. 168.

2) Abel, I. c. p. 57 ss.

8) Krieg, Die liturgischen Bestrebtutgen im
karolingischen Zeitalter (Freiburg 1888) S. 10.

4) De exordiis et incrementis quorumdam
in observ. eccl. rerum c. 35 Ed. K n o e p fl e r,
P. 73.

oder das Superhumerale, iveshalb es uns denn
auch in Deutschland und in Frankreich, wo jene
angedeutete liturgische Bewegung am stärksten
war, am häufigsten begegnet, während Italien
es anscheinend kaum kannte. Indes imitierte man
nicht überall dasselbe Ornatstück. Während man
hier das Superhumerale des Hohenpriesters nach-
ahmte, zog man dort das Rationale vor, anders-
wo verband man vielleicht beide miteinander; letz-
teres war jedoch, wenn überhaupt, nur selten
der Fall. So sehen ivir denn seit dein 9. Jahr-
hundert die merkwürdige Erscheinung, daß in
einzelnen Kirchen der Bischof auf der Kasel eine
quadratsörmige, gennnengeschmückte Brustplatte,
in andern aber ein Schultergeivnnd oder ein
Band trügt. (Forts, folgt.)

Suteratur.

Illustrierte Geschichte der katho-
lischen Kirche von Professor Dr. I.
P. Kirsch in Freiburg-Schweiz und Pro-
fessor Df. v. Luksch in Leitmeritz. Heraus-
gegeben von der Oesterreichischen Leo-Ge-
sellschaft in Wie». Mit ca. 50 Tafel-
bilder» und über 800 Abbildungen im
Text. Allgemeine Verlagsgesellschaft m. b.H.,
München.

Alle bisherigen Ankündigungen dieses viel-
versprechenden Werkes betonen, daß cs auf
unserer Seite bislange an einer solcheit illu-
strierten Geschichte der katholischen Kirche ge-
fehlt habe uitb begrüßen deren Erscheinen mit
Freuden. Es liegen uns die drei ersten Lie-
ferungen vor, deren erste in knapper, aber
ganz klarer Weise die Anfänge des Christen-
tums objektiv und warmherzig schildert; keine
Seite entbehrt der ebenso gut ausgeführten,
tvic ausgesuchten Abbildungen, die den Text
unmittelbar begleiten. Beigegeben sind dann
noch drei große Vollbilder mit Darstellungen
ans dem 4. und 5. Jahrhundert. Das erste
Kapitel behandelt „Die Fülle der Zeit", das
zweite „Die Stiftung der Kirche mit Anschluß
der apostolischen Reisen, und das dritte „Das
kirchliche Leben im apostolischen Zeitalter",
zunächst die „Gottesdienstlichen Versamm-
lungen". Die Fortsetzung hievon finden ivir
erst in der dritten Lieferung, in ivelchcr in
den Kapiteln 6 bis 8 „Die Bekämpfung de?
Christentums durch die heidnische Philosophie
und dessen Verteidigung durch die Apologeten",
„Christentum und Judentum im zweiten Jahr-
hundert", „Der Kampf der Kirche gegen Gno-
stizismus und Montanismus" und „Die rö-
mische Kirche und die übrigen Hauptkirchen"
behandelt iverdcn. Die zweite Lieferung be-
schäftigt sich mit einer späteren Zeit, und die
Verlagshandlung erklärt diese eigentümliche
und ungewohnte Art der Erscheinung damit,
daß sie damit „eilt wechselvolleres und viel-
gestaltigeres Bild über Inhalt itttb Ausstat-
tung des Ganzen" bicteit ivolle. Wir lvürden
aus naheliegenden Gründen einer regclntäßi-
gen Reihenfolge der Erscheinung der Hefte ent-
schieden den Vorzug geben. Der angegebene
 
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