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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 22.1904

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Nr. 6
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Ueber einige bis jetzt weniger bekannte Achiropoiiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.15937#0067
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— 46

Bild des Erlösers auf die Wand gemalt
dem römischen Bolke vor das Auge
trat." Ohne uns auf den historischen
Wert dieses Berichts einzulassen, scheint
mit dem Ausdruck „apparvit" das plötz-
liche, nicht von Menschenhänden herrührende,
also wunderbare Hervortreten des Bildes
bezeichnet zu sein. Mit Uebergehuug
mancher anderer Christusachiropoiiteu, wo
das Bild und die Züge Jesu auf Holz,
an Mauern n. s. w. erscheinen, weisen
wir hin auf die Leichentücher, sindones,
die an fast einen: Dutzend Orten ohne Bild,
seit dem 14. Jahrhundert mit Bild,
d. h. dem Abbild des toten Heilands auf-
tanchen, und von denen in jüngster Zeit
das Turiner Bild zu lebhafter Diskussion
geführt hat, um endlich doch die wohl-
verdiente Abweisung zu erleben. Siehe
u. a. Analekta Bollandiana XXII, 1902
p. 213. — Stimmen von M. L. 1902.
Auch einzelne Körperteile des Herrn drücken
sich in Stein ein und lassen so ihr Bild
zuriick. Hiehcr gehören der Pilatusstein,
die Martersänle Christi, an welcher Hände,
Arme, Finger, die Brust des Heilands
ihre Spur hinterließen, ferner die Knie-
nbdrücke in Getsemane, die Fußeindrücke
ans dem Oelberg und im Kirchlein „Do-
mine quo vadis“ bei Nom.

Im allgemeinen ist dabei zu sagen: die
griechischen Achiropoiiten des Herrn ver-
herrlichen mehr den Pantokrator (Allherr-
scher), die lateinischen mehr das Leiden
des Heilands; daher auch die sindones
— Grabtücher — mehr bei den Lateinern.
Leideusgnal und Opferblut des Herrn ist
mehr abendländische Christusbetrachtung,
unb so hängt das Aufkommen der sin-
dones in Frankreich im zwölften bis vier-
zehnten Jahrhundert wohl eng zusammen
mit der Betrachtung des Leidens Christi,
wie sie die Mystik eines Bernhard von
Clairvaux vorzeichnete und wie sie in
Franz v. Assisi einen so erschütternden
Vertreter bis zur erstmals nachweisbaren
Stigmatisation gefunden hat.

Wie ans die Christologie die Mariologie
folgte, so schließen sich an die Achiropoiiten
des Herrn die der Theotokas (Gottes-
gebärerin) an. Auch sie sind zahlreich:
sie entstehen durch Abdruck der Gestalt an
irgend einem Gegenstand, dann treten sie
ebenso wunderbar an Wänden von innen

heraus, auch sie fallen vom Himmel und
werden schließlich zahlreich in Bäumen und
düstern Wäldern aufgefunden. Die Er-
scheinungen und Bilder voit Marpingen
und Lourdes sollen hier füglich beiseite
gelassen werden, da sie nicht als Bilder
der Mnttergottes, sondern als w i r k l i ch e
E r s ch e i n u n gen derselbe» anfgefaßt
werden.

Auch an Achiropoiiten anderer Heiligen
fehlt es nicht. Es sind Geißel- und
Martyrsäulen mit Abdrücken von Körper-
teilen der heldenmütigen Opfer, Knie-
eindrücke der Apostelfürsten an der saera
via in Nom, Sindonen der Heiligen,
Abdrücke der Leichname der Heiligen in
hartem Stein. „Eindringende Studien,
sagt Dobschütz I. e., in dem Riesenwerk
der Acta Sanctorum , würden gewiß eine
ganze Reihe solcher Belege zu Tage
fördern, vielleicht auch noch eine größere
Mannigfaltigkeit der Vorstellungen offen-
baren." Wir wollen im Folgenden einen
derartigen Fund wiedergeben. Ans unseren
Studiengängen durch die älteste und ältere
Literatur über Franz von Assisi stießen
wir auch auf jenes bekannte goldene
Büchlein, Floretum Sancti Francisci,
Blumengarten des hl. Franz, italienisch
Fioretti, Blümlein, genannt. Es ist ein
literarisches Kleinod von nnvergleichlichein
Reiz und zeigt uns Franz und seine
Genossen so wie nian sie im Anfang des
14. Jahrhunderts sich dachte. Das
Büchlein führt mit großer Naivität ein
in den Kreis der ersten Franziskaner
mit ihrem halb kindlichen, halb englischen
Leben. Es sind Blumen, diese Erzählungen,
nicht Blumen des Kunstgärtners, sondern
Kinder der Heide voll Duft und Origi-
nalität. Die Ausgaben dieses Volksbuches
sind sehr zahlreich. Eine der neuesten
besorgte in lateinischem Text Sabatier
in Paris unter dem Titel „Floretum
Sancti Francisci, über aureus, qui italice
dicitur J Fioretti di San Francesco".
(Paris 1902.) Für Kunstfreunde, also
Leser dieser Blätter, mag es von Wert
sein zu wissen, daß nenestens auch illu-
strierte Ausgaben erschienen sind, so
eine von Mastzoni, Verlag Löscher, Rom,
2. Auflage 1902 mit 30 Phototypien,
besonders für Philologen und Künstler,
dann eine französische von Arnold Goffin
 
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