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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 22.1904

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Nr. 6
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Kleinschmidt, Beda: Das Rationale in der abendländischen Kirche, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15937#0076

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Es mögen hier »och einige ältere Darstellungen
des Rationale erwähnt werden. Die älteste Ab-
bildung bietet das älteste Siegel des Domkapitels
(jetzt zu München). Der heilige Willibald sitzt
ans einem Sessel, in der Rechten hält er bcu
Stab, über der Kasel trägt er das Rationale
in Form eines Schulterkragens mit breitem
Behang auf der Brust.') Das Siegel stammt
aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts.
Um 1200 erscheint es auf einer Miniatur, welche
den Heiligen und seine Schwester Walburga vor-
stellt; Willibald trägt über der Kasel ein pallium-
ähnliches Ornatstück mit vierpaßförmiger Ver-
zierung auf der Schulter?) Verändert sieht man
es auf einem Siegel des Bischofs Hermann von
Eichstätt v. I. 1292, nämlich als Schulterband
mit kurzem, breiten Brnstbehang und mit rundem
Brustschild. Drei Pendants hat es auf der Statue
des hl. Willibald «in Portale des Domes (um
1350). Außerdem kann man es auf den späteren
Grabdenkmälern und Statuen der Kirche wieder-
holt beobachten, wo es die noch heute übliche
Form hat. Es ist überhaupt wohl kein Bistum,
wo man das Rationale auf den Darstellungen
der Bischöfe sonst zur Anschauung brachte, wie
gerade Eichstätt. Den Grund hierfür haben wir
teilweise in der Tradition zu sehen, welche das
Nationale auf den hl. Willibald zurückführte.
Wie man ja auch in Toul, wo man den hl. Man-
suetns, den Stifter der Touler Kirche, mit dem
Nationale bekleidete, dasselbe auf zahlreichen Dar-
stellungen antrifft. — Ganz unbeachtet blieben
bisher drei prachtvolle Miniaturen eines 1517
gedruckten Eichstätter Missale (jetzt in der Staats-
bibliothek in München), die selbst de» Heraus-
gebern von „Eichstätts Kunst" anscheinend nicht
bekannt waren. Die drei Bischöfe Wilhelm,
Martin und Eberhard tragen ein schönes Ra-
tionale; die Miniaturen sind bei weitem besser
als viele im Pontifikale Gundekars.

Im Jahre 1745 wurde den Bischöfen von
Eichstätt durch eine päpstliche Bulle der Gebrauch
des Rationale für alle Zukunft bestätigt. Aus
dieser Zeit stammt auch das 'Rationale, welches
noch heute von dem Bischof bei feierlichen Ge-
legenheiten getragen wird?) Das Brust- und
Rückenstück ist ea. 40 Zentimeter lang und 15
Zentimeter breit, die Behänge 12 Zentimeter
breit und 30 lang. Vorder- und Rückenteile sind
durch zwei rundliche Stücke Zeug znsammen-
gehalten, die als Schilder auf den Achseln liegen.
Das ganze Ornatstück erscheint als ein längliches,
unten ausgeschnittenes Viereck. Reiche Stickerei
bedeckt die einzelnen Teile. Die Vorderseite trägt
die Worte: Fides spes charitas; die Rückenseite:
veritas disciplina; die beiden vorderen Längs-
streifen: iustitia fortitudo; die Hintere: tem-
perantia prudentia. Es ist eine fast treue Kopie
eines älteren, noch zu besprechenden Exemplars.

8. Negensbnrgs Bischöfe trugen ebenfalls durch
manches Jahrhundert unsere Jnsignie?) Wann

>) Abbild, in: Eichstätter Kunst, S. 1.

2) Publiziert von Schlecht in: Sammelblatt
des historischen Vereins Eichstätt (1892) VII, 118.

s) Vergl. Thalhofer, Liturgik 1 (1. Ausl.) 900,

4) Vergl. über Nationale zu Regensburg:

sie es erhielten, ist nicht genau festzustelle»; sie
besaßen es aber wenigstens seit dem Beginn des
12. Jahrhunderts. Früher glaubte mau das
Rationale in Regensburg um ungefähr 100 Jahre
früher »achweiseu zu können, und zwar in dem
berühmten Kodex der Uota von Kirchberg (s-1025),
Aebtissin von Niedermünster, der jetzt einer der
bedeutendsten Schätze der K. Hof- und Staats-
bibliothek in München bildet. Eine Miniatur
zeigt den hl. Bischof Eberhard, wie er die heilige
Messe zelebriert; ihm assistiert ein Diakon (nicht
Priester, wie Cahier irrtümlich behauptet), lieber
der Kasel trägt der Bischof ein eigentümliches
Ornatstück, das an das Pallium erinnert, aber
durch mehrere Streifen »»,geformt und durch
Inschriften und Kreisscheiben verziert ist?) Cahier
und Barbier de Monnault sehen in dem eigen-
tümlichen Ornate ein Rationale, Swarzenski er-
klärt es »euestens für ein „reiches, goldenes, von
breiten Kreisscheiben durchbrochenes Pallium".
Indes ist es für Swarzenski) doch zweifelhaft, ob
wir den reichen Ornat des Bischofs „in allem
einzelnen als wirklich zuverlässiges Abbild seiner
Zeit und nicht in manchem als Phantasieschöpfung
zu betrachten haben". Wer aber mit der ge-
schichtlichen Entwicklung des Palliums bekannt
ist, für den kan» nicht zweifelhaft sein, daß das
dargestellte Ornatstück unmöglich ein Pallium sein
kann; es ist tatsächlich nur ein Phantasiestück,
eine Verquickung levitischer und christlicher Kult-
gewänder. — Hier möchte ich aber Hinweisen auf
einen noch älteren Regensburger Kodex, der aus
dem io. Jahrhundert stammt und aus Sankt
Emmeran ebenfalls in die Staatsbibliothek zu
München gelangte (Cod. lat. 14273, cim. 91);
es ist eine Sammlung philosophischer Schriften.
Im ersten Teile (Boethins) steht ein uimbierter
Bischof in liturgischer Gewandung; über der
Kasel trägt er eine dem Pallium durchaus ähn-
liche Jnsignie. Anffallenderweise bildet das Schul-
terband auf den Achseln einen Kreis?) Erinnert
man sich, daß das Rationale bereits frühzeitig
ans den Schultern mit runden Schildern verziert

l'. Kleinschmidt, Das Rationale im Domschatze
zu Regensburg im: Kirchenschmuck 1904 (Märzheft).
Laib und Schwarz, Kirchenschmuck VII (1860),
83. Hugo Graf v. Waldersdorff, Regens-
burg in Vergangenheit und Regensbnrg (4. Ausl.)
1896, S. 164. Se. Hochgeboren Graf v. Walders-
dorff war mir durch schriftliche Mitteilung über
süddeutsche Siegel mit Rationale in meiner Studie
behilflich, wofür ihm auch hier Dank gesagt sei.

') Abbild. bei Lahler, Nouveaux melanges
d’archeologie I pl. 111. Kobel, Kunstvolle
Miniaturen und Initialen (2. Ausl.) Tas. >2,
und jetzt besonders S w a rz ens ki, Regensburger
Buchmalerei (Leipzig 1901). Tas. VIII a\ S. 120.

a) Abbild. Swarzenski, a. a. O. Taf.IIl".
S. 56 sf. — Die Miniatur hat stark gelitten,
die Farben sind sehr verblaßt. — Kreisförmige
Verzierung eines Palliums auf den Achseln zeigt
auch ein Martprologium in Stuttgart um 1200.
Daß wir hier aber das Pallium vor uns haben,
beweisen die vier Kreuze. Abbild. Hefner-Alteneck,
Trachten (2. Ausl.) Tas. 8?.
 
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