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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 22.1904

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Nr. 7
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Probst, Josef: Ueber die Fortschritte in der Kunstgeschichte des 15. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.15937#0079

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der angeführte» Standorte stand, stark in
den Hintergrund.

Die Kunsthistoriker Burkhart, Dehio,
Schmarsoiv, denen sich auch Graf Pückler-
Limpurg anschließt, ziehen keineswegs in
Abrede, gehen sogar ausdrücklich von der
Voraussetzung ans, daß in der südwest-
lichen Ecke Deutschlands, nin Ober-rhein
schon uni die Wende des Jahrhunderts
(1400) eine namhafte Kunstübung be-
standen habe, aber sie sind auch in dem
Bedauern einig, daß sich von W e r k e n ans
dieser Zeit nichts erhalten habe; nur
einige Namen ohne Werke tauchen auf
1424 »Hance de Constance«, 1418
Tiefenthal von Schletlstadt; auch ein ver-
späteter Meister mit Namen Albrecht
Menz von Rottweil, der nach Schmarsoiv
in Solothurn arbeitete.

Es kann jedoch nicht zugegeben werden,
daß diese Anschauung richtig sei, und hier
muß die Lokalforschnug offenbar, soviel
als möglich ist, berichtigend und ergänzend
eintreten.

Paulus in Stuttgart gebührt das
Verdienst, daß er in seinem Werke über
dieZisterzienserabteiBebenha u feit 1886
den Bestand einer „S chu le vouSalem"
schon in der Mitte des 14. Jahrhunderts
nachwies und ein noch vorhandenes
Tafelbild daselbst, den Thron Salo-
mons, in Bild und Schrift veröffentlichte.

Sodann hat der Verfasser dieser Ab-
handlung in den Schriften des Bodensee-
vereins 1901 über ein Tafelbild, Krönung
Mariä, in S t a tu s (Tirol) sich einläßlich
geäußert, das 1386 von dem Abte Hein-
rich Grussit daselbst, gebürtig aus
U eberlin gen am Bvdensee, gestorben
1388, gemalt wurde. Die Photographie
desselben sowohl als die Angaben aus
den Urkunden und aus der handschrift-
lichen Chronik des Chronisten Lebesorg
verdankt Verfasser der Gefälligkeit des
hochwürdigsten Herrn Abtes Stephan
Maracher in Status.

Dieses historisch beglaubigte Bild, das
einer photographischen Aufnahme in größe-
rem Maßstabe gewiß würdig wäre, ge-
winnt durch die Resultate, zu denen erst
die neueste Forschung gelangt ist, bedeutend
an Wert. Wir weisen nur hin ans die
große Anzahl von kleinen, fein gemalten
Statuetten, mit denen der gotische

Thron geschmückt ist. Ferner auf das
Bestreben, eine Durchsicht durch die
»»vollkommen abgeschlossenen Räume hin-
durch zu gewinnen. Die musizierenden
Engelreihen befinden sich daselbst zwar
seitlich außerhalb der Seitenlehne
des Thrones, aber hiedurch ist ihre direkte
Mitwirkung au dem feierlichen Akte der
Krönung keineswegs aufgehoben, sondern
sie singen und musizieren durch das durch-
brochene Maßwerk hindurch. Grussit scheute
selbst nicht vor der Aufgabe zurück, das
Haupt der Madonna durch das leichte
Schleiertncb hindurch dem Anblick darzu-
bieten, eine Feinheit, die wohl ans Be-
rührung mit der oberitalienischen Kunst
beruhen dürfte, worüber die Bemerkungen
in der Abhandlung von Schmarsoiv (S. 80,
81) zu vergleichen sind. Weniger über-
raschend, aber doch nicht zu übersehen ist
das Bestreben, eine perspektivische Tiefen-
wirkung in der Konstruktion des großen,
tiefen Thrones hervorzubriugen, die auch
auf die sich perspektivisch verkürzenden
Engelsreihen sich noch erstreckt.

Das sind einige Punkte, die aber deut-
lich kund geben, daß Heinrich Grussit von
Neberlingen am Bodensee (nur zwei Weg-
stunden von Salem entfernt) sich nicht
begnügte, ausschließlich nur ein Bild zur
Förderung der Andacht herzustellen; er
verfolgte nebenbei auch k ü n st l e r i s ch e
Zwecke, die zunächst mit der Andacht
nichts zu tun hatten.

Damit sind aber Anknüpfungspunkte
für die Knnstübung in der ersten Hälfte
des 15. Jahrhunderts gegeben, die jeden-
falls Beachtung verdienen. Das Material
ist freilich noch schwach, aber eine Ver-
mehrung desselben nicht unmöglich, beson-
ders wenn man sich mit dem Gedanken
vertrant macht, daß leichtlich auch Jugend-
werke des Stephan L o ch n e r aus M eers-
burg am Bödensee (auch nur zwei Weg-
stunden von Salem entfernt) in der Gegend
sich noch werden vorfinden lassen. Beein-
flussungen von andern Gegenden und
Nationen können nicht in Abrede gezogen
werden, die besonders bei Kourad Witz
in seinem letzten Werke zu Genf 1444
unverkennbar zu Tage treten, die aber
in ihrer Einseitigkeit doch nicht durch-
dringen konnten.

Damit drängt sich nun aber auch die
 
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