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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 22.1904

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Nr. 7
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Kleinschmidt, Beda: Das Rationale in der abendländischen Kirche, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15937#0086
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65

Untersatze. Ter Heilige trägt ein schön gearbeitetes
Rationale in Fori» eines Schnlterkragcns mit
drei breiten, kurzen Behängen, ganz ähnlich wie
die Lambertbüste in Lüttich.') Leider vermochte
Barbier de Montanlt über die Herkunft und das
Verbleiben des Monumentes keine Angaben zn
machen. Ob wir hier vielleicht einen Nachklang
der alten Metzer Jnsignie sehen dürfen? Es ist
mir das nicht wahrscheinlich; nach der Abbildung
zn urteilen, dürfte man eher an eine Nach-
bildung der Lütticher Büste denken. Vielleicht
wird lokale Forschung uns über das Metzer Na-
tionale noch genauere Aufschlüsse bringen.

13. Nicht weitab von Metz finden wir das
Nationale in Toul. Dasselbe beansprucht aus
verschiedenen Gründen ein besonderes Interesse.
Nach der Tradition soll es den Bischöfen von
Toul durch Papst Leo IX., der vorher als Bruno
von Dachsbnrg die Kirche von Toul regierte, für
ewige Zeiten verliehen haben. Pater Bennoit-
Picardt will es ans zivei Siegeln ans dein
zehnten Jahrhundert gesehen haben, leider ist keins
dieser Siegel mehr vorhanden »nd Pater Picardt
nicht immer kritisch genug, um auf sein Zeugnis
hin das hohe Alter des Rationale in Toul an-
nehmen zn können; ist er doch nicht abgeneigt,
das Vorrecht der Touler Kirche sogar auf ihren
Stifter, den hl. Mansuetus (ß 375), zurückzu-
führen. 2) Wie wenig man übrigens in Toul
iibcr die Bedeutung »nd Verbreitung des Natio-
nale im späten Mittelalter unterrichtet war, zeigen
die 1497 von Kanonikus Lesane verfaßten Sta-
tuten, nach denen nur noch „ein einziger Bischof"
in Griechenland mit dieser Jnsignie geschmückt
war.3) Wahrscheinlich habe» die Bischöfe von
Toni, welche als „Dekane" der Kirchenprovinz
Trier nicht hinter dcm Bischof von Metz zurück-
stehen lvollten, von diesem das Rationale bereits
frühzeitig, wohl »och int 11. Jahrhundert, an-
genommen.

Das Nationale tritt in Toul nicht erst, wie
Rohanlt de Flenry angibt, bei Bischof Roger
d'Ostenze de Marcey (1230—1258), sondern schon
auf dem Siegel des Eudes von Sorcey (1218
bis 1228) auf und noch früher bei Petrus von
Brixey (1165—1192), vielleicht trügt es bereits des
letzteren Vorgänger, Heinrich von Lothringen, int
Jahre 1149 in Form des Palliums.*) — Es

’) Vergl. Barbier de Montanlt in:
Memoires de la soc. d’arclieologie lorraine 3 se.
(Nancy 1885), vol. XIII.

2) Be nnoit- Picardt, Histoire du dio-
cese de Toul (1707) p. 168.

3) Vergl. Gallia cliristiana, ed, 2, XIII
(Paris 1874) 937: Quando praesul Tullensis
pontificaliter celebrat, utitur superhumerali,
ratione dignitatis decanatus quem gerit: quia
decanus aliorum privinciae episcoporum existit,
nec ullus alter episcopus est in tola Ecclesia
nisi unus in Graecia, qui hoc ornatur decoretur. i
Vergl. ibid. col. 371 die Aufzählung der ehe- I
dein zur Kirchenprovinz Trier gehörigen Bistümer.

4) Die Abbildungen der hier genannten Siegel
bei Robert, Sigillographie de Toul (Paris
1868), andere Monumente bei Martin, Histoire
des dioceses de Toul, Nancy, St. Die (Nancy

1899); ferner Abbild. 3, 7, 8 der Beilage.

I hat in Toul vornehmlich drei verschiedene Formen;

auf älteren Monumenten erscheint es als Kollier,
> das mit Perlen und Gemmen besetzt oder mit
! Fransen verziert ist, auf der Brust hängt ein
kürzerer oder längerer Behang; so sehen ivir es
auf den beiden Siegeln des Bischofs Petrus von
Brixey vom Jahre 1171 und 1186; auf Siegeln
zuletzt bei Johann von Sierk (P 1303). Bei der
zweiten Form wird der mittlere Behang durch
ganz kurze Anhängsel, Kreuze oder Schellchen er-
setzt, so hat es bei Bischof Eudes z. B. folgende
Form. Seit der
Mitte des 14.

Jahrhunderts ist
es ein Schulter-
band und später ein Schnlterkragen mit zwei Pen-
dants auf Brust und Rücken. Auf den Achseln
treten Verzierungen auf, die sich allmählich zu halb-
kreisförmigen Schilde», zn Epaulctten, entwickeln.
Am schönsten sieht inan diese Form auf einem
Grabdenkmal des hl. Mansuetus in der Krypta
der Kathedrale zn Toul, aus dem Anfang des
16. Jahrhunderts. Es besteht hier aus zwei
konzentrischen Kolliers, von denen das eine die
Worte trägt: 1'ater et Filius et Spiritus Sanctus.
Die Epauletten stellen zugleich die Verbindung
zwischen den beiden Kollier her. Auf einem etwas
jüngeren Monumente in Blenod bei Toul ist es
nur ein einfacher Schulterkragen. ')

Viele Jahrhunderte hatte Toul seine alte Jn-
signie bewahrt, auf Siegeln, Grabdenkmälern,
Wand- und Glasgemälden die Bischöfe damit be-
kleidet, 3) bis man int Anfänge des 18. Jahr-
hunderts darauf verzichtete, um sie nach 150Jahren
wieder zu nehmen.

14. Gehen wir nochmals zur Erzdiözese Köln,
so finden ivir das Rationale noch in dein einst
zu dieser Kirchenprovinz gehörigen Bistum
Lüttich. Bischof Albero II. erhielt es kurz nach
Bernhard von Paderborn im Jahre 1135 von
Papst Jnnocenz ll. Nach einer alten Tradition
soll es bereits Papst Stephan IX., früher Kleriker
in Lüttich, dem Bischof Theoduinus (P 1075) und
seinen Nachfolgern verliehen haben.3) Diese Tra-
dition läßt sich insofern mit der Geschichte ver-
einen, daß Papst Stephan dein Bischof Thco-
duinus vielleicht nur für seine Person das Ra-
tionale verlieh, ivie ja auch Jnnocenz 11. dem
Bischof Albero die Jnsignie ausdrücklich als eine
persönliche Auszeichnnng konzediert. Daß es
sich hier um das Nationale und nicht etiva tim
das Pallium handelt, wie ältere Liturgikcr

') lieber die Entwicklung des Nationale zu
Toul vergl. außerdem des Verfassers Arbeit in:
„Zeitschrift für christliche Kunst" XVI.

3) Hic (Stephanus) superhumerale et eius
usum Theoduino episcopo suisque successori-
bus misit recordatus suae nulricis ecclesiae
Leodiensis. Monum. Germ. XXV, 33.

'') Quia ergo personam tuam .... sanctae
Leodiensi Ecclesiae utilem fore credidimus, ex
apostolicae sedis benigenilate te duximtts
honorandum .... et usum rationalis, postquam
in episcopum consecratus fueris personae tuae
concedimus. lnnocentii II epist. n. 196. Migne
179, 248.
 
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