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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 22.1904

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Nr. 8
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Detzel, Heinrich: Ein Gang durch restaurierte Kirchen, [28]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15937#0097
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eine Klipelle mit drei Altären, welch letztere
aber bei einem Einfalle der Schweden
1647 vernichtet und vier Jahre darauf
wieder nen erstellt wurden. Als die Er-
richtung der neuen Pfarrei beschlossen war,
wurde das alte Kirchlein bedeutend ver-
größert. Der Bau begann am 3. April
1754 und schritt so rasch vorwärts, daß
schon am 11. November desselben Jahres
(Palroziuiumsfest) der erste Gottesdienst
darin in feierlicher Weise gehalten werden
konnte. Am 3. Juni 1760 ward die neue
Kirche mit drei Altären eingeweiht. Aber
im Laufe der Zeit schien auch diese Kirche
für die vermehrte Bevölkerung zu klein
imb auch, namentlich der Turm, baufällig.
Daher wurde in den 40er Jahren des
vorigen Jahrhunderts ein neuer Turm
aufgeführt, und dies hatte wiederum die
Vergrößerung der Kirche (um ein Fünftel)
und des Friedhofes sowie die Anschaffung
eines neuen Geläutes zur notwendigen
Folge. Die neue Pfarrkirche, wie sie jetzt
dasteht, wurde am 18. Juni 1855 vom
Weihbischof und Generalvikar Georg Prün-
ster mit drei Altären konsekriert: der Hoch-
altar zu Ehren der hl. Apostel Philippus
und Jakobns, der eine Seitenaltar zu Ehren
der unbefleckten Jungfrau Maria und des
hl. Joseph, der andere zu Ehren des
hl. Mnrtiuus und des hl. Wendelin. Das
Scbisf der Kirche, deren Lage die Ostung
genau einhält, bildet ein Rechteck (27 Meter
lang und 13 Meter breit) und das nur
wenig schmälere Presbyterium fast ein
Quadrat, dessen vordere Ecken abgeschnitten
sind. Das ziemlich niedrige Schiff hat
eine flache Decke, das Presbyterium ein
sehr gedrücktes Scheingewölbe, und der
Chorbogen schließt auch mit einem sehr
gedrückten Bogen ab. Obwohl also von
einem ganz einheitlichen Baustile nicht die
Rede sein kann, macht doch diese Kirche
einen gefälligen Eindruck. Bis in die
70er Jahre des vorigen Jahrhunderts war
die Kirche bloß weiß getüncht und sollte
jetzt, nnchdein das obengenannte Bild der
Kirche überlassen wurde, auch renoviert
werden, d. h. vor allem ausgemalt und
mit neuen Fenstern versehen werden, und
war hier die erste Frage nach dem Stile,
in welchem dies geschehen sollte. Doch
die Art und Weise der Chorwölbnng, die
Stuccatnrrahmen am Plafond des Schiffes

und vor allein die innere Ausstattung mit
den drei Rokokoaltären wiesen von selbst
auf diesen Spätstil.

Zur dekorativen Ausmalung der
Kirche wurde nun der Maler Lu ge r von
Dornbirn berufen, welcher seiner Aufgabe,
die Kirche in möglichst lichten Tönen zu
behandeln, mit vollem Verständnis nach-
gekommen ist. Die Wände siiid in licht-
grauem Tone gestrichen, worauf sich die
Umrahmungen der Fenster und anderer
Oiuamente gut abheben, während die Decke
des Schiffes noch Heller gehalten und durch
zahlreiche Stuckrahmen belebt ist, die selbst
wieder durch gut imitierte Stuckornainentik
bereichert sind. Der Plafond des Chores
hat in seinen Gemölbefeldern verschiedene
auf das allerheiligste Altarssakrameut be-
zügliche Symbole erhalten, während in
die Fensterzwickel grün in grün die vier
Evnngelistensymbole hineingemalt sind.

Ihre Hauptzierde aber hat die Kirche
in figuraler Ausmalung erhalten. Der
geräumige Plafond des Schiffes hat vier
große und sechs kleine Felder, in welche
die Legende des Kirchenpatrons, des hei-
ligen Mart in ns, gemalt werden sollte
und zwar in selbständigen Kompositionen
und von Künstlerhand. Wir wandten uns
deshalb an die „Deutsche Gesellschaft für
christliche Kunst" in München, und da
wurde uns der daselbst lebende Kunstmaler
August Müller empfohlen. Als wir
auch die Jahresmappeu dieser Gesellschaft
durchblätterten, fanden mir diesen Künstler
ehrenvoll vertreten und zwar in den
Mappen von 1894 und 1900. Nach den
biographischen Notizen daselbst wurde
Müller in dem kleinen thnrgauischeu Dörf-
chen Warth 1864. geboren und wurde
zuerst Dekorationsmaler und arbeitete in
diesem Handwerke bis zum 21. Jahre.
Dann aber vertauschte er das Handwerk
mit dem Studium au der Akademie in
München im Jahre 1885; der von Jugend
auf ihn beseelende Drang, ein christlicher
Maler zu werden, siegte über die äußeren
Schwierigkeiten. Seine Lehrer waren
Andreas Müller u. A. von Lietzen-Maier.
Unter den ersten Werken des jungen Künst-
lers finden wir zwei Deckengemälde „Flucht
und Martyrium des hl. Vitus" für die
Pfarrkirche Tafertshofen bei Krumbach
(in bayerisch Schwaben, 1892), dann ein
 
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