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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 22.1904

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Nr. 8
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Kleinschmidt, Beda: Das Rationale in der abendländischen Kirche, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15937#0103

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80

denen, Felde) und Eichstätt (drei übereinander
hinschreitende rote Löwen auf goldenem Felde)
näher gekennzeichnet. Das Bild des hl. Willibald
ist dadurch besonders interessant, daß der Heilige
das Nationale trägt, ein Schultetband mit zwei
Ansätzen. Das Gewandstück ist zum großen Teile
mit ornamentalen Stickereien versehen, welche zu
beiden Seiten sich hinziehen. Auf dem Bruststücke
schließen sie die Worte ein: Fides, Spes, Chari-
tas ; auf den Behängen der Vorderseite sind die
beiden Kardinaltugenden genannt: Justitia, Forti-
tudo; auf den Behängen der Rückenseite: Fruden-
tia, Temperantia. — Silbervergoldete Glöckchen
zieren cs an den Behängen, dem Mittelstücke und
selbst an den Achselstücken.')

5. Das fünfte Nationale, welches wir z» ermäh-
nen haben, stamint nicht mehr ans dem Mittel-
alter, es ist das Rationale im Domschatze zu Pader-
born, ivird dort aber nicht als eine Antiquität
aufbewahrt, sondern ziert beim pontifiknlen Hoch-
amte den jedesmaligen Nachfolger des hl. Mein-
werk auf dem Paderborner Bischofsstuhle. Es
ist ein seidener Schttlterkragen mit zivci kurzen
Behängen auf der Brust und auf dein Rücken,
gleicht also im allgemeinen dem Eichstättcr Natio-
nale. Die Behänge sind mit Fransen verziert.
Die Oberfläche ist fast ganz mit gestickten Ranken,
mit Edelsteinen und Perlen bedeckt. Ans den Lang-
stroifen gibt cs in ivcnigen Worten die Ver-
leihung und die Bestätigung der Jnsignie durch
die Päpste Innozenz II. und Alexander VII. an: Ler-
nardus I epis. pad. impetravit. Innocentius II
p. m. conce.‘sit. Alexander VII p. m. confir-
mavit. Ferdinandus epus pad. ampliavit. Unter
der hier erwähnten Ampliatio durch Ferdinand II.
von Fürstenberg, der sich um die Bestätigung des
alten Paderborner Vorrechtes sehr bemühte, kann
wohl nur die Vermehrung der Tage, an denen es
getragen werden darf, verstanden werden; denn
ivie schon früher bemerkt wurde, fügte Papst Ale-
xander VII. den „Rationalien-Tagen" noch einige
hinzu. Auf den Querbändern liest man die Worte:
Doctrina, Veritas, Fides, Caritas. — Es ist eine
Arbeit des 17. Jahrhunderts im Charakter der
Spätrenaissance. 2)

6. Das letzte alte Rationale befindet sich im
Auslande, nämlich im Domschatze zu Krakau;
cs darf ein ganz besonderes Interesse beanspruchen
sowohl wegen seiner Form tuic wegen seiner
Geschichte. Nach Przczdieki sollen die Bischöfe
von Krakau auf Grund einer Konzession Bene-
dikts IX. an Bischof Aaron i. I. 1046 das Recht
des Palliums für sich in Anspruch genommen
haben, weil aber spätere Päpste, nämlich Urban III.,
Gregor IX. und Alexander IV. ihnen das Privileg
nicht bestätigt, sondern nur den ersten Platz
nach dem Metropoliten zuerkannt hätten, so be-
dienten sie sich seit jener Zeit des Rationale.")

>) Abbild. Bock, Liturg. Gewänder II, Ta-
fel XXVII. Eichstätts Kunst, S. 5.

*) ■ Abbild. Ludorff, Bau- und Kunstdenkmäler
von Westfalen, Kreis Paderborn (1899) Tafel 60.

8) PrzezdieckietRastowiecki. Monu-
ments du moyen-ägen dans l’ancienr.e l’ologne

(farbige Abbild.).

Stuttgart, Buchdruckerei der i

Das Rationale von Krakau weicht in seiner Form
von allen andern vollständig ab, es hat anch
kaum ein Analogon in der Geschichte.') Es
ist nämlich eine Art Stola von ca. 79 cm Länge
und 12 cm Breite. Die beiden Streifen sind
auf der Brust und den, Rücken gekreuzt und an
der Verbindungsstelle mit einem Rnndmedaillon
verziert, das in der Mitte das Lamm Gottes
mit der Siegesfahne zeigt. Der ganze Grund
ist mit Perlen dicht besetzt, cs sollen ca. 11000
sein. Es ist eine Schenkung der Hedwig von Anjou,
einer Tochter König Ludwigs von Polen. Kar-
dinal Georg von Rndzivill (f 1600) ließ eine
Restauration des alten Monuinentes vornehmen,
eine abermalige Erneuerung erfuhr es 1880,
bei welcher Gelegenheit ungefähr 400 Perlen an
Stelle der verloren gegangenen hinzngefügt
wurden. Nach einem Inventar von 1563 trägt
es die Inschrift: Doctrina, Veritas et prudens
simplicitas. Regina Hedwigis, filia Regis Ludo-
wici. Bei einer der genannten Nestanrationen
hat man den ersten Teil der Inschrift verunstaltet;
er lautet nämlich jetzt: Doctrina, Veritas, 'l'e-
riam, l’rudentia, Simplicitas.

(Schluß folgt.)

Siterafur,

Klassiker derKu »st in Gesamtausgaben.
3. Band. Tizian. Des Meisters Gemälde
in 230 Abbildungen. Geb. 6 Mark. (Stutt-
gart, Deutsche Verlagsanstalt.)

Nachdem die beiden ersten Bände: „Rafael"
und „Rembrandt" dieses großangelegtcn neuen
Unternehmens allgemein eine sehr günstige Beur-
teilung gefunden, bietet ein Dritter die sämtlichen
Gemälde Tizians.

In einem kurzen aber gediegenen, initdemFetter
der Begeisterung geschriebenen Text schildert Dr.

0. Fischel den glänzenden Lebensgang deS Meisters,
der wie kein anderer gefeiert und umschmeichelt
war, von dem sich die ersten Größen seiner Zeit
porträtieren ließen, um dessen Werke Kaiser, Päpste
und Fürsten sich stritten. Die Arbeit eines reichen,
fast ein volles Jahrhundert umfassenden Künstler-
lebens sind wir nun so glücklich in 230 trefflichen
Reproduktionen an uns vorüberziehen zu lassen.

Mit einem Buche dieser Art wird inan eigent-
lich niemals fertig, immer und immer wieder
greift man danach, um immer netten Genuß da-
raus ztt schöpfen. Publikationen wie die vorlie-
gende bedürfen keiner Empfehlung, sie empfehlen
sich von selbst. Wer ein paar Bände der „Klas-
siker der Kunst" besitzt, wird sie in seiner Biblio-
thek nicht mehr vermissen mögen und ivird den
weiter erscheinenden Bände» mit freudiger Span-
nung cntgegensehen.

Buchloe. Dr. Damrich.

Cpcjit eine Aunstbeilage:

Aus dem Leben des hl. Martinus.

■) Nur bei Bischof Eudes von Toul fl- 1228)
hat es eine ähnliche Form. Abb. bei Robert,
8igiHograpliie de Toul pl. IV. Fig. 19.

1. -Ges. „Deutsches SoltSMatt",
 
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