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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 22.1904

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Nr. 9
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Rohr, Ignaz: Die "große Berliner Kunstausstellung" und die christliche Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15937#0106

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82 —

dies Nef. schon vor Jahren in Berlin er-
lebte, an einem Sonntag religiöse Ge-
mälde in aller Ruhe betrachten kann,
mährend man sich einen Platz vor den
Kriegs- und Soldatenbildern womöglich mit
dem Ellenbogen erstreiten und sichern muß.
So dürften sich auch bei der diesjährigen
Ausstellung vor allem Nummern wie 1011:
G. Schöbet, „Abschied der Armee von
Friedrich dem Großen, Sanssouci" (im
Besitz Sr. Majestät des Kaisers), 101»:
Werner Schuch, „Episode aus der Schlacht
bei Dennewitz"; 1021 von demselben:
„Zur Schlacht im Morgengrauen" ; 42 und
43 von Karl Becker: „Leibhusaren bei
Artenap 1870" und „Elfer bei Le Maus
1871" oder 222 von Nud. Eichstädt:
„Die Preußen kommen, Abend von Belle
Alliance" der Gunst und der Aufmerksam-
keit der Massen erfreuen. Nebenbei be-
merkt, sind diese Gemälde insgesamt auch
noch aus andern als militärischen, patrio-
tischen und historischen Gründen be-
achtenswert, aber der Freund der christ-
lichen Kunst darf ihnen dankbar sein, daß
sie die Platzfrage bei den ihn speziell
interessierenden Bildwerken in einem für
ihn sehr günstigen Sinne lösen helfen.

Wir haben bereits betont, daß derselbe
quantitativ nicht allzuviel erwarten wird.
Tatsächlich kommen für ihn nicht einmal
ganz drei Prozent der ausgestellten Nummern
in Betracht. Aber innerhalb dieses kleinen
Kreises entfaltet sich doch ein ziemlich viel-
gestaltiges Bild: kirchliche Gebäude und
Persönlichkeiten, kirchliches Leben und Ge-
stalten ans der Legende und der Bibel
treten ihm entgegen.

Was die kirchlichen Gebäude betnfft,
so kommen sie nach zwei Seiten in Be-
tracht : der technischen und der malerischen ;
und die eine wie die andere ist hier be-
handelt.

Eine ganze Reihe von Plänen für
katholische und evangelische Kirchen, die
in jüngster Zeit ansgeführt worden sind,
sind ausgestellt, und sie bekunden die schon
oft konstatierte Tatsache, daß man ans
katholischer Seite am Althergebrachten fest-
hält, während auf protestantischer Seite
ein Ringen weniger nach neuem Stil, als
neuer Anordnung sich bemerklich macht.
Die Tatsache ist leicht begreiflich. Die
Knltbedürfnisse auf katholischer Seite sind

dieselben wie zur Zeit der Entstehung
mittelalterlicher Kirchen und Dome. Der
Protestantismus dagegen hat sich zunächst
in den katholischen Kirchen etabliert und
abgesehen vom gemäßigten oder wilden
Bildersturm wenig an denselben geändert,
während ideell das Wort Gottes, also die
Kanzel, den Mittelpunkt bildete und den
Dienst am Altäre und damit den Altar
selber in den Hintergrund rückte. Bei
Neubauten war es eine Forderung der
Zweckmäßigkeit, dies auch äußerlich zur
Geltung zu bringen, und so tritt uns
vielfach — und gerade bei den Berliner
Plänen, eine beachtenswerte und durchaus
berechtigte Vorliebe für zentrale Anlage
und damit äußerlich eine gewisse Ver-
wandtschaft mit dem Theaterbail entgegen.

lieber die katholischen Bauten ausführ-
lichcr zu handeln ist uns nicht möglich,
da den Plänen ein Grund- und Aufriß,
ein Längs- und Querschnitt nicht bei-
gegeben ist. Es ist aber auch nicht nötig,
da das Material, aus dem die Kirchen
bestehen, wie das Gelände, für das sie
berechnet sind, anders geartet ist, als in
Württemberg. Nur eines muß hier her-
vorgehoben werden und kann auch für
den Süden als Muster dienen : die Pläne
lehnen sich au die mittelalterlichen Vor-
lagen an, und zwar aus dein einfachen
Grund, weil diese es in mustergültiger
Weise verstanden haben, Architektur und
Gelände in Einklang zu bringen. Und
wenn mir auch davor warnen müßten,
die Pläne, so wie sie hier vorliegen, ohne
alles rveitere im Süden zu rezipieren, so
müssen wir doch uniso nachhaltiger auf
das hier beobachtete Prinzip himüeiseu.
Wer zum erstenmal nach Oberschwaben,
namentlich in die Seegegend, kommt, dem
fallen die massigen Türme auf. Versuche,
schlankere Türme einzubürgern, und der
Spitzname — „Bleistifte" —, den die
neuen Gebilde beim Volk bekonunen haben,
haben deutlich bewiesen, daß hier unsere
Ahnen instinktiv das Nichtige getroffen
haben und daß ein Abweichen vom Her-
kommen eine Sünde gegen die Aesthetik ist.

Vom rein malerischen oder wenigstens
vorwiegend voni malerischen Standpunkt
sind Kirchen behandelt in Nr. 435:
Heinrich Hermanns, Abteikirche in Amor-
bacb, Unterfranken ; Nr. 1165 : Interieur,
 
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