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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 22.1904

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Nr. 9
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Detzel, Heinrich: Ein Gang durch restaurierte Kirchen, [29]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15937#0111

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87

weicher und reicher in der Zeichnung und
Heller und lichter in der Farbengebung.
Allerdings hat die Reformation mit ihrer
barbarischen Bilderstürmerei speziell in
Deutschland die Entwicklung dieses kunst-
gewerblichen Zweiges fast ganz unterbun-
den und ebendeshalb in Deutschland und
Oesterreich eine völlige Unkenntnis nach-
mittelalterlichen Glasmalereien gebracht.
Daß es aber auch in der Zeit der Re-
naissance und Barock erlaubt und Brauch
war, Kirchen mit Glasmalereien auszu-
statten, dafür haben wir Zeugnisse in den
noch vorhandenen Werken und in den
Meistern, die sich mit dieser Kunst be-
schäftigten. Es seien nur die Glasmalers-
söhne Heudrick Goltzius 1558 — 1616 und
Gerhard Dow, ebenso Hans Vendemaun
de Briefe 1527—1604 genannt.

Besonders charakteristisch für diese Zeit
ist, daß die Arbeitsteilung einlritt und die
Zeichnung oder Visierung von dem einen
und die glasmalerische Ausführung von
dem andern Künstler besorgt wird. So
lieferte Hans Baldung Grien 1515 die
Visierung für das St. Annafenster des
Freiburger Münsters und die Zeichnungen
zu den 14 Glasgemälden für die Kirche
der Kartäuser zu Klein-Basel, Hans Hol-
bein .der Jüngere zu 11 Stücken derselben
Kirche. Schon die Abbildungen, die wir
seinerzeit im „Archiv" 1898 Nr. 6 — 8
brachten, lassen erkennen, daß und wie die
Glasmalerei für die Spätstile behandelt
worden ist. Aus den Jahren 1555 bis
1603 finden wir 44 Fenster in der Jo-
hanniskirche in Gouda. Die bekannten
Neuaissaucefenster aber in Köln, Dom und
St. Maria mit Kapitol, St. Peter in
Nürnberg und in vielen andern Kirchen
Deutschlands bedeuten noch eine Minder-
zahl gegen die zahlreichen Glasgemälde
der Hoch- und Spätrenaissance in Frank-
reich, z. V. in St. Etienne du Mont, in
Paris, in der Schloßkapelle von Viucennes,
in Ecouen, in Beanvnis, in Ronen, in
Auch, Auxerre, Bonrges, Quiinper, Reims,
Sens, Chalous-sur-Marne, Dol, Limoges
u. s. ui. ii. s. in. Von den bekanntesten
Glasmalereien in Spätstilen in Belgien
seien noch die Fenster von St. Gudule in
Brüssel genannt, in Spanien seien er-
wähnt die 90 Fenster im Dome zu Se-
villa, die von Burgos, Cuenca, Toledo,

Valencia und Madrid. In Italien finden
sich Glasmalereien in Spätstilen im Vatikan,
Maria del Popnlo, St. Maria dell' Anima
n. a. in Rom, S. Felicita in Arezzo, ferner
in den Domen und Kirchen zu Lncca,
Siena, Mailand n. s. w.

In diesen Glasmalereien der Spätstile,
besonders bei den Italienern und Fran-
zosen, finden wir auch häufig eine äußerst
bescheidene Anwendung von Farbe auf
durchwegs weißlichem, Hellem Fond, der
nur mit Silbergelb und Grisaille mäßig
und zart behandelt ist, so daß ein solches
Fenster nicht störend wirkt, jedenfalls nicht
so, wie ein dem Zahn der Zeit, dem
Staub und Schmutz unterworfener Vor-
hang (!) oder eine gedankenlose Rund- oder
Sechseckscheibenverglasung. Eben damit
haben wir auch die Richtschnur für die
Ausschmückung der Bauten der späteren
Stilperioden ans glasmalerischem Gebiete
angedeutet: man wähle Helle, fast
weißliche, g e l b l i ch e, nie grünliche
V e r g l a s u n g e n m i t e i n e r g e s ch m a ck-
vollen Linienführung der Ver-
bleiung und wende i n m ä ßi ge r
Form Silbergeldecor, hie und
da verbunden mit etwasGrisaille-
oruameut, an. Da wo Figuren
zulässig sind, wähle m a n f ü r sie
die hellsten Farben, ja vielleicht
nur Töne, so wie wir dies häufig
bei späteren Fresken finden, und
lege sie direkt auf den Hellen,
unb ein alten oder kaum deko-
rierten Fond. In dieser Weise technisch
und künstlerisch richtig durchgeführte, wenn
auch vom Generalkonservatorium der Kunst-
denkmale und Altertümer Bayerns in Acht
und Bann getanen Glasgemälde der Spät-
stile, werden weder die Harmonie des
Ganzen stören, noch die Wirkung der
einzelnen Ausstattungsteile einer Kirche
irgendwie abschwächeu oder beeinträchtigen.
Sie werden auch weder die Gemälde an
den Altären noch an Wänden und Decken
mit Reflexen beleidigen. Sie werden im
Gegenteil das große stilvolle Weiß des
Jnnenranmes mit seinen Stückornamenten
ungestört zur machtvollen Geltung kommen
lassen, gerade so gut, als wenn in den
Fenstern die nüchternen, langweiligen
Rund- oder Sechseckscheiben Parade stün-
den. Gewiß hätten unsere mächtigen
 
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