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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 23.1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.15938#0017

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mäter. Einen vorzüglichen Ueberblick über die
verschiedene» christlichen Stilnrten und das Ver-
hältnis der Kirche zu ihrem Werden und Wesen
bietet der vierte Aufsatz „Die Kirche und die
.'Utiiit, die Kirche und die Stile". Namentlich
will Iir. Graus die Renaissance verteidigen gegen
die von 2t. Neichensperger und anderen Gotik-
fanatikern verbreitete und heute noch nicht ganz
überwundene Anschauung, als ob nur die Gotik
dexi eigentlich christlichen Stil, die späteren Stile
aber eine» Abfall zum Heidentum darstellten.
Graus versteht es, hier überrascheiide geistige
Zusammenhänge aufzudecken und spricht vielfach
neue Gedanken aus, im allgemeinen uutf} man
ihm unbedingt beipflichten. Freilich der nahe-
liegenden Gefahr, zu viel zu beweisen, ist er
nicht ganz entgangen, cs läßt sich nun einmal
nicht in Abrede stelle», daß die Gotik mit ihrem
ernsten, innerlichen, weniger an das Sinnliche
appellierenden Wesen dem Charakter des Christen-
tums näher steht, als die prunkende, sinnen-
freudige Renaissance. In der folgende» Ab-
handlung wird die Ehrenrettung der Renaissance
nur noch nachdrücklicher fortgesetzt. Ileberzeugend
ist der Schlußabschnitt, wo 1>r. Grans mit aller
Entschiedenheit dagegen protestiert, „daß das
Wort Kirchlichkeit in de» Mund genommen
werde", uni die künstlerische Freiheit der Stile
zu beeinträchtigen. „Sott die rechte Kunst der
katholischen Kirche nur bis ins sechzehnte Jahr-
hundert und bis an die Anfänge der Renaissance
gewährt haben?" Wir schließen uns diesen Aus-
führungen des Autors voll und ganz an, möchten
diese Grundsätze aber auch auf die Kunst der
Gegenwart angewendet wissen. Wiewohl manche
der erwähnten Aufsätze schon vor ca. 10 Jahren
zuerst gedruckt wurden, kann auch heute noch
der Freund christlicher Kunst viel daraus lernen,
das Buch sei darum angelegentlichst empfohlen.

B. D.

Drei Heiligenbilder. Verlag der Vnch-
und Kunstdruckerei A.-G. Passavia, Passau.
Die drei Bildchen stellen dar: „Mariä Heim-
suchung", „Maria mit dein Kinde" und ein
Pieta-Bildchen. Sie sind nach Originalen der
rühmlichst bekannten Freiin A. M. von Oehr
hergestellt und können als gut und würdig ge-
lungen bezeichnet werde». Das erste Bildchen
zeichnet sich aus durch seine einfache, schöne
Komposition mit dem passenden, landschaftlichen
Hintergründe, das letztere durch den zarten Hauch
tiefer Frömmigkeit, der über das Ganze nusge-
gossen ist. Auch in der Madonna mit dem Kinde
wußte die Künstlerin die diesem Gegenstand so
gefährliche Klippe der Süßlichkeit zu vermeiden
und doch, namentlich in dem schönen Christus-
köpfchen, Zartheit mit Ernst zu verbinden.

Die Bilderteppiche nnb Stickereien
in der städtischen Altertümer-
sammlung zu Freiburg im Brcis-
gan. Vom Konservator I)r. Hermann
Schweitzer. Sonderabdruck. Mit I
Farbentafel und 30 Tertillnstrationen.
Freiburg, Herder. Mk. 2.50.

Man ist gewöhnt, wie der Verfasser zur Ein-
leitung des nähern ausführt, die Kunstgeschichte
des deutschen Mittelalters hauptsächlich von der

religiöse», kirchlichen Seite aus zu betrachten,
und es ist das leicht erklärlich, da für die pro-
fane Kunsttätigkeit die literarischen Quellen nur
spärlich fließen und auch nur wenige Denkmäler
noch vorhanden sind, die ihr Schaffen uns vor-
führen. Doch hat sicher auch im Mittelalter das
Bestreben bestanden, die Wohnungen gefälliger,
angenehmer, wohnlicher zu gestalten und es hat
hiezu sowohl die Tafelmalerei als die Plastik
mitgeholfen, jedoch nicht vor dem Anfang des
15. Jahrhunderts. Als unbeweglichen Wand-
schmuck aber finden wir schon früher die Wand-
malerei und Teppiche gewebter und gestickter
Art. Wenn besonders von letzterer Art nur
ganz wenige Reste auf uns gekommen sind, so
begrüßen wir ihre Behandlung in der Literatur
und Reproduktion um so freudiger und empfehlen
obiges Werk um so mehr.

Als berühmtestes und ältestes, vielleicht auch
seiner Länge nach größtes Beispiel eines gestickten
Teppichs ist die bekannte Tapete von Bayeux
anzusehen. Dieser Teppich soll von Mathilde,
der Gemahlin Wilhelms des Eroberers, gestickt
worden sein und ist hier in 58 Sceneli die Er-
oberung Englands durch Herzog Wilhelm von
der Normandie im Jahre 1065 dargestellt. Die
ältesten deutschen Teppiche finden sich in den
Kirchenschätzen der Dome zu Mainz (aus der
Mitte des 12. Jahrhunderts), zu Halberstadt und
in der Schloßkirche zu Quedlinburg; letztere sollen
unter Leitung einer Aebtissin Agnes um 1200
gewirkt sein. Auch iu Regensburg werden Tep-
piche aus dein 14. Jahrhundert bewahrt. Der
nähern Beschreibung dieser Teppiche schließt der
Verfasser zwei in der Freiburger Sammlung
aufbewahrte gestickte Teppiche an, die aus dein
ehemaligen Kloster Adelhause» stammen. Bei
beiden ist, was die technische Ausführung anlangt,
die Unterlage gleichmäßig, gesponnene und gewebte
Leinwand, auf welche die Stickerei mit Wolle
in langen von oben nach nuten laufenden Platt-
stichen ausgeführt ist. Da die einzelnen Fäden
sehr lange sind, werden sie da und dort durch
kurze Kreuzstiche an der Unterlage festgehalten.
Der erste der Teppiche führt drei Wappen: das
der Herrn von Falkenstein, von Munzingen und
der Reich von Reichenstein, sowie drei weltliche
Darstellungen. Schöner noch und wertvoller ist
der zweite Teppich, der sog. Maltererteppich, wie
die zwei Wappen und die Bcischrift Anna—Jo-
hannes zeigen, ehemals ein Besitztum eines Jo-
hannes Malterer. Wie schon die Abbildung in
Farbendruck zeigt, muß der 488 cm lange und
66 cm breite Teppich ein Prachtstück sein, technisch
in gleicher Art und aus gleichem Material her-
gestellt, wie der vorher angeführte Teppich. Die
Erhaltung beider Stücke sei eine tadellose. Diese
beiden Teppiche waren, wie der Verfasser sicher
annimmt, ursprünglich profanen Zwecken gewidmet
und sind dann später bei irgend einer Gelegenheit
an das Kloster Adelhausen geschenkt worden. Die
übrigen Teppiche und Stickereien aber der städti-
schen Sammlung, die sich auch in der Technik
wesentlich von den beiden bisher angeführten
unterscheiden,. scheinen von vornherein zu kirch-
lichen Zwecken bestimmt gewesen zu sein und
haben an festlichen Tagen als Schmuck von Kirche
und Klosterräume» gedient. Von diesen gewirkten
 
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