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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 23.1905

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Nr. 2
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Detzel, Heinrich: Ein neues Mosaikbild in der Liebfrauenkirche zu Ravensburg
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Detzel, Heinrich: Maria im Aehrenkleide, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15938#0026

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I!l

Jahrhunderte und Jahrhunderte
ihre ausgezeichnete T e ch u i k
preisen iv i r d. D e tz e l.

Maria im Aehrenkleide.

Von Pfarrer Detzel.

(Fortsetzung.)

Ein weiteres derartiges Schutzmantel-
Bkariabild mit dem Aehrenkleide ist ein Votiv-
gemälde des Domes zu München und
zwar in dessen St. Apollonia-Kapelle,
breit angelegt, um eine zahlreiche Versamm-
lung Schuhflehender der geistlichen und
weltlichen Stande aufzunehmen, die alle
n»l die große Gestalt der hl. Jungfrau
sich zusammendrängen, unter ihrem weit
ausgebreiteten, voll Engeln getragenen
Mantel ihres Schutzes teilhaftig zu werden.

Als letzte Aehrenkleidinadonna führen
wir ein Bild in unserer nächsten Nähe
auf, das wir neulich in W rissen au bei
Ravensburg, einem ehemaligen Prämon-
stratenser Kloster (Augia alba), gefunden
haben. Es ist ein Sandstein-Relief und
befindet sich in der Gottesackerkirche zu
Mariatal, zehn Minuten vom Kloster ent-
fernt und war hinter der Orgel in die
Wand eingelassen. Wir sehen auch hier
die hl. .Jungfrau mit aufgehobenen Hän-
den aufrecht dastehen, das überaus üppig
herabfallende Haupthaar rückseitig bis
über die Hälfte des Kleides herabhängend,
bekleidet mit dem Spitzenkragen und dem
schmalen Gürtelband, dessen Ende seitlich,
aber nur verkürzt herabhängt. Die Fi-
gur zeigte vor ihrer Reinigung in den
Vertiefungen der Falten des Gewandes
kleine Spuren von blauer Farbe und
waren sicherlich in bem Gewände auch
die Aehren eingemalt; die Haare waren
vergoldet. Wir haben offenbar ein Vo-
tivbild vor uns, da zur Seite ein Abt
mit aufgehobenen Händen und den Abts-
stab im linken Arme haltend kniet; ein
unter demselben angebrachter Wappenschild
zeigt zwei sich kreuzende Spaten.

II.

Wenn wir nun die Inschriften unter
diesen vielen und gleichartigen Bildern
lesen, ergibt sich bei allem der gleiche
Sinn der Darstellung: es ist, wie wir
schon oben gesagt haben, die Gottesmutter
Maria noch als Tempeljnngfra» von Je-

rusalem abgebildet, also ein Stück vom
Jngendleben Marias, wie es von den
Apokryphen, insbesondere vom Proto-
evangelium Jakobi und Pseudo-Matthäus
erzählt wird. Dann aber ergeben sich
noch die zwei rveiteren Tatsachen: alle
diese Bilder weisen auf das Vorhanden-
sein eines Urbildes hin, nach welchem
diese Aehrenkleidbilder kopiert sind und
dann geben sie zugleich das Heiligtum an,
ivo dieses Urbild stehen soll. Denn alle
diese Bilder, besonders der für das Volk
zur weiteren Verbreitung bestimmte Holz-
schnitt von 1450—1460, sagen nichts an-
deres, als daß sie ein Andenken an ein
bestimmtes „Heiltum" seien, welches be-
sonders in weiteren Kreisen Süddeutsch-
lands bekannt und als Wallfahrtsziel be-
gehrt ivar. Als Standort für dieses Bild
„der hl. Jungfrau vor ihrer Vermählung
im Tempel, ivo ihr die Engel dienten"
geben nun die Inschriften, so weit sie
ganz znstimmen Mailand und seinen
Dom an, während zivei derselben auch
von einem Olona (Osanna?) in der Lom-
barde künden (Corte Olone, Castiglione
d’Olona). Graus erhielt nun von dem
gelehrten Mailänder Kunstarchäologen
Diego St. Arnbrogio die Nachricht von
einer Marmorstatue,') die ans dem
Dom zu Mailand fortkam, zuerst in die
Magazine der Kirchenverwaltung und end-
lich von dort ins Museum di Porta Gio-
vio; sie möge zu nnsern Bildern Ma-
riens im Aehrenkleid die genaueste Be-
ziehung haben. Bisher wurde diese Sta-
tue für eine Darstellung der Herzogin
Katharina Visconti von Mailand,
Gemahlin des Herzogs Gian Galeazzo
Visconti, gehalten, der die Certosa von
Pavia stiftete und viel genannt wurde,
wenn auch nicht mit Recht, als der eigent-
liche Unternehmer des Dombaues von
Mailand.

„Wichtige Gründe sprachen für diese Annahme.
Kein Nimbus davon wies auf eine Heilige hin,
die in diesem Bilde zu erkennen sei» sollte. Das
Aehrenkleid ist eben gerade Regel in de» häufigen
Darstellungen der Skulptur und Malerei von
dieser Herzogin Katharina, die, zum genauen
Unterschied mit andern Frauen der gleiche» Fa-
milie, immer in diesem Kleide und nicht in
andern Brokatgeivändern abgebildet wurde, wie
vermutet wird, ans ihre eigene Anregung. Dann

') S. Abbildung nächste Seite.
 
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