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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 23.1905

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Nr. 2
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Detzel, Heinrich: Maria im Aehrenkleide, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15938#0029

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99

wir das Gemälde des Mristophoro deAcoltis
von 1466, nach welchem wähl allermeist
unsere deutschen Kopien entstanden sein
iverdeu, wie Diego S. Ambrogio meint.
Die Marmorstatue des Solario im Dome
zu Mailand wäre dann die dritte Dar-
stellung, an ivelcher die Weizenährenver-
zierung am Fond des Kleides ebenfalls
noch zn sehen ist. Der Altar mm aber,
ivelcher den Titel dieser Statue zn tragen
hatte, erhielt eine andere Bestimmung und
es kam auch die Statue der heiligen Jung-
frau von diesem Altäre fort und in die
Magazine der Kirche, um später dem
Museum einverleibt zu werden. „So ist
daun zuletzt nicht bloß die Andacht, sondern
auch die Erinnerung daran in ihrer süd-
lichen Heimat ganz erloschen und lebt nur
im Norden des oberdeutschen Bodens fort
in den Nachbildungen jenes einst hochver-
ehrten Kultbildes durch die späteren Nach-
kommen der Germanicornm und Theutoni-
001111)1, welche in Mailands Riesendom
beteten vor dem hochgeschätzten Urbild."

In den „Annalen des Mailänder Dom-
banes" ist bezüglich unserer Madonnen-
darstellung nur die Rede von den auf-
gelösten, langabwallenden Haaren, von den
Goldsternen und dem goldenen Diadem,
von der Kleidtracht der heiligen Jung-
frau dagegen ist in diesen Aufzeichnungen
nichts gesagt und doch ist dieselbe in allen
unfern nordischen Kopien mit der Be-
rufuilg „also ist sy gemalt im tum zn
Mailand" eine ständige und auffallend
jener Statue des Mailänder Domes kon-
form, welche die letzte Ausgabe des von den
Deutschen verehrten Dombilds war. Die
Kleidtracht bietet drei Einzelheiten, die
bemerkt werden wollen: das lange, blaue
mit Goldähren verzierte Kleid, das schmale,
tiefäbhängende Gürtelband und den eigen-
tümlichen Halskragen mit starken Spitzen,
welche bei den älteren Exemplaren des
Bildes flammenartig ausgeschweift sind.
Doch als das am meisten Auffallende bei
der Kleidung müssen die in das blaue
Gewand eingestreuten Aehren bezeichnet
werden, ja sie sind es in erster Linie,
welche derartige Madonnendarstellungen
von den übrigen unterscheiden und jeder,
dem ein solches Bild begegnet, erhebt un-
willkürlich die Frage: was bedeuten diese
Aehren? An eine Entlehnung des Aehren-

kleides von den Ceresdarstellungen oder
den Jsispriesterinnen ist nicht zn denken,
die in der Tat Aehrengewand tragen.

Wir geben mm, ehe wir die Ansicht
des Mailänder Kunstforschers vr. Diego
S. Ambrogio über das Gewandmotiv
anführen, folgende Aufzeichnungen über
die Symbolik der Aehre:

Die Aehre galt als das Symbol Adams,
weil er nach der Verstoßung ans dem
Paradiese den Acker bauen mußte. Sie
war überhaupt das Symbol der Ernte,
deshalb trägt auch das Sternbild der
Jungfrau, in welches die Sonne zur
Erntezeit eintritt, eine Aehre, und ebenso
hat die heilige Walpnrgis zum Zeichen des
beginnenden Pflanzenwnchses drei Aehren
in der Hand.') Sonst aber tritt die
Aehre in Sage und Symbolik vielfach in
Beziehung mit der h e i l i g e n I n n g f r a u.
So weiß das Volk in der Umgegend von
Berchtesgaden folgende heilige Sage zu
erzählen: „Im Paradiese oder am An-
fänge der Zeiten hatte der Allmächtige
den Menschen das Getreide als vornehmste
Nahrungsfrucht in solcher Fülle mitgeteilt,
daß vie Aehrenbüschel dutzendweis an
einem Halme hingen. Aber erzürnt über
den menschlichen Undank, riß Gottvater
eine nach der andern ab, und so sielen
sie auf der weiten Erde ab. Schon war
er an der obersten und letzte»: da legte
die himmlische Mutter Fürsprache ein, damit
die Körnlein wenigstens den Vögeln in der
freien Natur zum Futter dienen möchten;
und so ist die Brotfrncht auch den Men-
schen erhalten geblieben." 2) Auch in Ober-
und Niederbayern wie im Bayreutergebiet
lebt die Sage, daß die Aehren einst am
Halme bis auf den Boden hinabwuchsen,
also der ganze Hälmstengel voll Körner
war; „weil aber das Menschengeschlecht so
schlecht wurde, so wollte der liebe Gott
die ähren ganz abstreifen. Da trat die
hl. Jungfrau hinzu und bat, er möchte
nur die köpplein (köpla) für die Hühner
und kätzlein stehen lassen. Der himmlische
Vater willfahrte und so sind noch die
jetzigen ähren auf uns gekommen"?) Dr.

’) Menzel, Chr. Symbolik. 37. Perger, Deutsche
Pslanzensagc». Stuttgart. S. 108.

2) Dr. Sepp, Altbayerischer Sagenschatz. 617.

Panzer, Beitrag zur deutschen Mythologie.
München. 1855, S. 8.
 
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