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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 23.1905

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Nr. 4
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Schermann, Theodor: Schwein und Esel an sepulkralen christlichen Denkmälern
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https://doi.org/10.11588/diglit.15938#0053

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— 43 —

Katakomben mit Erlaubnis der päpst-
lichen Kommission di archeologia cristi-
ana mitgenommen habe, befinden sich
zwei, welche mein besonderes Interesse in
Anspruch nahmen. Non zwei Inschriften
ist nur noch je ein Bruchstück erhalten.
Das eine ist in der Cömeterial-Basilika
der hl. Nereus und Achilleus in der Nähe
des Einganges zur Krypta der Petronella
und Veneranda befestigt und stellt einen
an einein Band hängenden Esel dar; der
Rest der zweiten Inschrift in einem Parallel-
gang zur ebengenannten Petronellakrypta
zeigt ein Schwein.

Besonders letzteres Zeichen ans einer
christlichen Inschrift war ausfallend, zumal
in den Katakombengemälden das Schwein
nur ein einzigesmal vorkommt. Msgr.
Wilpert entdeckte 1901 ein Deckengemälde
in der sogenannten großen Kammer der
Prätextatkatakombe, welches den guten
Hirten, die Herde vor dem Feinde be-
schützend, darstellt. Der gute Hirte in
der Mitte sucht die sich ängstlich an ihn
herandrängende Herde von sieben Schafen
zu beschützen, während der Feind, ein Esel
und ein Schwein, auf der andern Seite
sichtbar sind und vom Hirten mit hem
Stock zurückgehalten werden.') Die Sym-
bolik des Freskos löst Wilpert mit Hilfe
des Physiologus, jenes bei den christlichen
Schriftstellern wohlbekannten alexaudri-
nischeu Tierdenters und sieht in dein
Schwein den Teufel in seiner Ohnmacht;
„denn er brüllt, weil sein Reich der Finster-
nis abnimmt". Die zweite Bedeutung,
welche dieses Buch dein Eber beilegt, läßt
ihn als Symbol der Begierlichkeit und
Eifersucht erscheinen und trägt zur Er-
klärung des Geiiiäldes nichts bei. Beide
Deutungen aber sind für unsere Inschrift
belanglos, da auf ihr wohl nicht eine ähnliche
Scene gleich der soeben geschilderten abge-
bildet war. Tiersymb o le a n f In sch ri f-
t en pflegen meistens das Gewerbe oder eine
Lieblingsbeschäftigung darzustellen. Aber
auch in keiner dieser Beziehungen ist
uns zur Entzifferung des rätselhaften
Symboles etwas geholfen, da ivir nicht
annehmen können, daß der Verstorbene
Schweinehändler gewesen ist oder besonders

’) Die Maleeeie» der Katakombe» Ronis I L34;
II (Tafelband) Tafel 51, 1.

der Eberjagd gehuldigt habe. Wohl die
einzige und zugleich richtige Deutung ist
jene, welche in dein Symbol den Per-
sonennamen des Verstorbenen erblickt.
Boldetti, der Kustos der Katakomben zu
Anfang des 18. Jahrhunderts, hat in
seinen osservazioni sopra i cimiteri dei
ss. martiri ed antichi cristiani di Roma
(Roma 1720) 376 eine unserer Dar-
stellung ganz ähnliche Illustration des
Namens Porcella abgebildet. Ans einer
andern Inschrift ist zur Erklärung des
Namens Caprioles eine Ziege dargestellt.')

Auch das Symbol des Esels könnten
wir auf dieselbe Weise erklären als Glosse
eines der ans christlichen Inschriften vor-
kommenden Namen Asella, Asellus, Asinia
tlnd verwandter. Doch läßt dieses Zeichen
noch andere Deutungen zu. Ans dem
schon genannten Gemälde in der Kata-
kombe des hl. Prätextatus würde dem
Esel die Bedeutung eines starrsinnigen
Feindes der Kirche Christi, eines Häre-
tikers, znkoulmen, so daß „der Esel die
Häretiker, das Schwein die Unreinen ver-
sinnbildet, deren sich der Teufel bedient,
um der Herde Christi zu schaden". Da
nun aber der Esel als Sinnbild der
Synagoge nach Melito von Sardes auf-
gefaßt werden kann,^) so wäre es wohl
richtiger und der Zusammenstellung ent-
sprechender, unter dem Schwein das Heiden-
tum sich vorzustellen.

Bekanntlich erscheinen bei den Krippen-
darstellungen Ochs und Esel, und zwar
durch Beeinflussung des sogenannten Psendo-
Matthäusevnngeliums, wozu die Stelle des
Jsa. I, 3: „Es kennt der Ochs seinen
Eigentümer und der Esel die Krippe seines
Herrn; Israel aber kennt mich nicht und
mein Volk versteht mich nicht" die nn-
mittelbare Handhabe bot. So ziemlich
derselben Zeit, der Mitte des vierten Jahr-
bunderts, gehört das Gemälde in S. Se-
bastiano zu Rom und ein Jnschriften-
fragment an, welche als erste uns diese
Darstellung aufbewahrt haben. Mit Be-
rufung ans Melito von Sardes kann man
den Esel als Typus der Juden-, den
Ochs als Typus der Heidemvelt auffassen.

’) Vgl. Schill, Artikel „Rainen" in Kraus,
II. E. II. 477 f.

2) Heuser, Artikel „Esel" in Kraus, II. E. I.
431.
 
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