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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 23.1905

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Nr. 12
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Detzel, Heinrich: Ein Gang durch restaurierte Kirchen, [33]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15938#0130

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117 —

Hostien darauf tragt, »nd letztere an die
Apostel verteilt, von denen acht an der
hintern Seite des Tisches sitzen, vier
rechts knie». Eine ähnliche Verteilung
hat auch unser Meister in Gattnau ein-
gehalten und so die schöne, majestätische
Gestalt Christi in weißem Gewände znm
Mittelpunkt der ganzen großen und wir-
kungsvollen Komposition gemacht. Da
wir ein großes Rundbild vor uns habe»
und die Haupldarstellnng mehr in die
Breite gehen mußte, war oben ein großer
Raum übrig. Diesen füllte der Meister
dadurch aus, daß er mit der heiligen
Handlung des Abendmahles die Dar-
stellung der Trinität verband. Der obere
Teil zeigt nämlich Gott den Vater in ehr-
würdiger Greisengestalt und den hl. Geist
im Bilde der Taube, umgeben von einer >
Engelschar.

Wie diese scenische», fignrenreichen Dar- l
stellnngen aus der Legende des hl. Gallus ;
und das heilige Abendmahl in der Kirche
zu Gattnau den Charakter echter christ- j
l ich er, kirchlicher Kunst an sich tragen, so
müssen auch die Einzel sign reu, bie (
Licbcnrock noch dorthin gemalt hat, als!
schöne Kunstwerke bezeichnet werden, lieber
der Orgelempore sehen wir im Felde links
die schöne, ideale Gestalt der h l. C ä c i li a,
welche die Orgel spielt, während zur Seite
zwei Engel singen, im Felde rechts ist der j
königliche Sänger David gemalt, welcher
die Harfe spielt, eine kraft- und würde-
volle Gestalt. Im Chore der Kirche sind
als Einzelfiguren an die Seitenwände die
Eltern der heiligen Jungfrau und die des
hl. Johannes des Täufers gemalt. Links
sehen wir Z a ch a r i a s und Elisabeth,
letztere mit dem kleinen Johannes, zwei
ehrwürdige Figuren des Alten Testamentes,
rechts stehen I o a ch i m und A n n a,
crsterer mit den Tauben in einem Körb-
chen, letztere die kleine heilige Jungfrau
führend, beide in gleichfalls schöner und I
würdiger Anffassnng.

Neben dem, daß die Kirche in fignraler \
und dekorativer Weise so ansgemalt und
erneuert wurde, mußten auch, sollte alles j
zusammenstimmen, die plastischen Arbeiten
einer Renovation unterzogen werde» und
es wurden diese znm Teil sehr schwierigen
Arbeiten der tüchtigen Kraft und dem

! künstlerischen Geschmack des Bildhauers
Th. Schnell in Ravensburg übertragen,
i Der Hochalt a r mußte fast ganz nin-
j gestaltet werden, sollte er seinem litur-
gischen Zweck und der künstlerischen Schön-
■ heit der übrigen Ausstattung der Kirche
entsprechen. Der Tabernakel wurde da-
her um 50 cm erhöht und ein offener
Expositionsranm geschaffen. Die Seiten-
teile wurden ebenfalls erhöht und mit
Reliefdarstellungen versehen: links sehen
wir die Hochzeit zu Kana und rechts die
Brotvermehrung: beide Darstellungen zeigen
gelungene Entwürfe und gut geschnitzte
Figuren im Charakter der Spätstile. Die
Kreuzigungsgruppe, die auseinander ge-
rissen war, wurde wieder zusammengestellt
und bildet jetzt als Bekrönnngsteil des
Altares den passendsten Abschluß nach
oben; das Antependium wurde neu her-
gestellt. Die Seitenaltäre bilden in
ihrer Konstruktion eigentlich bloß eine
reiche, aber sehr geschmackvolle Umrahmung
von zwei Oelgemälden „Mariä Himmel-
fahrt" und „Johannes der Täufer" von
dein verstorbenen Professor Beutele in
Stuttgart, einem geborenen Tettnanger.
Sie erhielten je neuen Architrav und Auf-
satz und wurden neu gefaßt. Diese Fas-
sung ist geschmackvoll und einfach in
ganz schöner Farbenharmonie durchgesührt,
die Vergoldung ist reich, aber nicht über-
laden angebracht. In gleich guter Weise
wurde auch die aus der Empirezeit stam-
mende Kanzel gefaßt. Die ganze Fassung
der Altäre, Kanzel n. s. w. ist überhaupt
ganz dem Stile dieser Ansstattnngsgegen-
stände der Kirche entsprechend eine ganz
stimmungsvolle und äußerst vornehme, so
daß sie einen ganz günstigen und würdigen
Eindruck macht. Die Kosten für die vor-
stehenden Arbeiten, die bis ans einige
hundert Mark von der „ober» Pfarrei",
inkl. Retterschen, aufgebracht wurden, be-
trugen 19 000 M. Dazu kommt noch
die neue Orgel mit 6000 M., welche
im letzten Jahre ausgestellt wurde. Ehre
der Gemeinde, die solche Opfer gebracht,
Ehre aber auch nicht weniger dem Psarr-
herrn Schürer, der diese große Restau-
ration mit kräftiger Hand durchgeführt hat.
 
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