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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 23.1905

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Nr. 12
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Detzel, Heinrich: Die neuen Glasgemälde in der Pfarrkirche zu Schussenried
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Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.15938#0132

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119

ein angenehmes Violett angewendet hat
und dieses zart mit Schwarzlot schattierte.
Nun folge» die Bilder der vier Evan-
gelisten mit ihren bekannten Attributen:
ans der Evangelienseite Matthäus und
Markus, auf der Epistelseite Lukas
und Johannes. Weitere Attribute der
Evangelisten werden von Engeln gehalten:
bei Matthäus und Markus trägt die
Engelsfignr Mitra und Hellebarde; elftere
meist auf die Bischofswürde des hl. Mat-
thäus, letztere ans das Martyrium des
hl. Markus hin. Unter Lukas und Johannes
sehen wir als Sinnbilder die Malerpalette
und den Kelch. Unter diesen Evangelisten-
gestalten fällt namentlich wohlgefällig auf
das jugendlich schöne Haupt des hl. Lukas
und daneben das vergeistigte Antlitz des
Lieblingsjüngers Johannes. Auch in diesen
Brustfignreu ist die glasmalerische Technik
eine ausgezeichnet gewandte und schöne,
indem durch geschickten Auftrag von Silber-
gelb und durch Abtönung des Schwarzlot
in den farbigen Hüttengläsern eine Wirkung
erzielt wird, welche man für Kabinetts-
glasmalerei halten könnte, und doch finden
wir auch hier nur in der Fritte gefärbte
Gläser verwendet, allerdings Gläser mit
einer Kraft, Glut und Klarheit der Farbe,
die sich zu großer Pracht und Schönheit
im Bilde vereinigen. Auch die Umrah-
mungen dieser Bilder sind außerordentlich
reich und in abwechslungsvollen Motiven
gehalten. Vortrefflich wußten die Künstler
hier besonders mit dem Silbergelb um-
zngehen. Ich sehe es nicht gern, wenn
in das Silbergelb so viel hineinschattiert,
namentlich wenn noch eine stark schmutzige
Patina verwendet wird; sie nimmt dem
Silbergelb seine Leuchtkraft und zerstört
seine brillante Wirkung. Hier sehen wir
diese gelbe, kostbarste aller Farben in der
Vollkraft ihrer Wirkung leuchten.

Die Kosten für die Fenster samt Draht-
gittern beliefen sich ans 4850 Mark, wozu
die K. Staatsfinanzverwaltung, welche
baupflichtig ist, in dankenswerter Weise
durch Vermittlung des Herrn Baurates
Weiß in Ravensburg die Summe von
1087 Mark, welche für einfache Glas-
fenster hätten ansgewendet werden müssen,
beigetragen hat. Es ist mit der Einsetzung
dieser herrlichen Glasgemälde ein richtiger
und gelungener Anfang zur notwendigen

Kirchenrestauration gemacht worden; möchte
es dem neuen Pfarrherrn Köhler und
seinem Kirchenstiftungsrat vergönnt sein,
die Restauration bald fertig sehen zu
können und namentlich in erster Linie das
herrliche Chorgestühl mit Hilfe der
K. Staatsfinanzverwaltung und opfer-
williger Pfarrangehöriger, welche auch die
Hanptsumme für die Fenster geschenkt,
bald erneuert und an den ursprünglichen
Standort in den Chor versetzt zu sehen.
Es würde dadurch ein bedeutendes Kunst-
werk in unserm Lande erhalten bleiben.

Detzel.

Literatur.

Jerusalem und der Kreuzestod
C h r i st i. Rnndgemälde von G e b h.
Fuge! und Jos. Krieger. In zehn
Autotypie» nach dem Originale mit er-
klärendem Text von Or. Joh. Dam rieh.
Ravensburg, Verlag von Hans Hartlieb,
Lehrmittelanstalt, Preis 2 1, (19 Seiten
Text.)

Eine Erscheinung, ans die wir aufmerksam
machen. Es ist die Reproduktion des Rund-
gemäldes zu Altötting. Der figürliche Teil ist
von Fugel, der landschaftliche von Krieger unter
Leitung Fugels gemalt. — Was der Heiland
gesagt: „Wenn ich erhöht bi», werde ich alles
an mich ziehen," das, buchstäblich genommen, ist
hier in großartigen Zügen dargestellt. Die Blicke
und Gedanken einer vielhundertköpfigen Menge
sind ans die bleiche Gestalt am Kreuze gerichtet:
zum Teil in Verehrung (Maria, die Freunde Jesu
und die hl. Frauen), in Mitleid (die Frauen
Jerusalems >, in folgeschwerem Nachdenken (der
römische Hauptmann, Longinus, Simon von Ep-
rene und seine zwei Knabe»), in banger Trauer
(die Apostel, zu vorderst Petrus), in Schmerz
und Verwunderung (die Aussätzige» und die an.
kommenden Festpilger); zum Teil aber auch in
Haß (die Pharisäer und Schriftgelehrte»), in
innerer Unruhe und aufsteigendeni Schuldbewußt-
sein (die heimkehrenden Juden) oder in bloßer
Neugierde (die Menge des Volkes im Hinter-
gründe). Nur wenige kümmert der ernste Vor-
gang gar nicht, die Vertreter der Gewinnsucht
(die taxierenden Juden und die Soldaten, welche
das Los ziehen), des stumpfen Wohllebens (der
selbstzufrieden heimkehrende Sadduzäer, der Typus
des echten Epikuräers), der harten Pflicht (die
abmarschierende römische Kohorte). In gedrängter
Darstellung ein Bild der Menschheit, wie sie sich
heute noch zur Lehre des Gekreuzigten stellt. Der
Zeitpunkt ist die Verfinsterung der Sonne. Tie
darob bei manchen sich einstellende Unruhe und
Angst bringt Mannigfaltigkeit in das Bild, ohne
die meisterhafte Konzentration zu stören. Diese
und die treffende Charakterisierung der einzelnen
Gruppen kennzeichnen den Meister. Namentlich
fesseln, wie in Fugels Gemälde „Christus vor
 
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