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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 24.1906

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Nr. 1
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Bogner, Heinrich: Die Bedeutung des Aachener Oktogons als Zentralbau, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15939#0010

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2

Strzygowski will? *) Dohme2) meint,
vielleicht wirkte alles zusammen.-

Nach Kreuser3) wissen es die Kenner
des Christentums längst, daß in ihm nichts
ohne tiefere Bedeutung sei, daß also not-
wendigerweise auch die Formen der christ-
lichen Baukunst nicht so bedeutungslos
sein könnten, als man gewöhnlich an-
ninnnt, und daß sie keineswegs freut Zu-
fall ihren Ursprung verdankten, vielmehr
in den Schriften beider Bündnisse ihre
heilige und oft vielfache Begründung
hätten. Gewisse Gesetze sind denn ur-
christlich. Auch für den Zentralbau wußte
man die Beziehung zur heiligen Schrift
herznstellen: „Ist die Kirche weder Viereck
noch Kreuz, sondern Rundbau, so sind
beide doch darin enthalten, außerdem
deutet die runde Kirche an, daß sie über
den ganzen Erdkreis verbreitet ist" (!),4)
und was dergleichen Deutungen der Kreis-
form und des Achtecks mehr sind?)

Von solch symbolischer Deutung ist,
wie fast selbstverständlich, auch die oktogone
Formt des heiligen Grabes nicht frei ge-
blieben. Unger °) glaubt, daß sie zttr Zeit
des hl. Petronins (um 430) noch nicht
maßgebend gewesen sei, später jedoch all-
gemein geworden sein mag. Er vermutet,
dies beruhe darauf, daß der Weihbrunnen
int Vorhofe der griechischen Kirchen und
Klöster regelmäßig unter einer oktogonen
Säulenhalle steht. Mag kluger recht
haben oder nicht, der reale Hintergrund,
von dem sich die schöne Form der Sym-
bolik kräftig abhebt, durfte hier gleichfalls
nicht fehlen.

Auch die Maßverhältnisse uitfr Formen
des Aachener Oktogons samt freut gotischen
Chore wurden Gegenstand symbolischer
Auslegung. Zweifellos würde man sich

ft Vergl. Zeitschrift des Aachener Gesch.-V.
Bd. 12 (1800). S. 317. — Strzygowski, Jos.,
Der Dom zu Aachen und seine Entstellung. Ein
Protest. Leipzig 1904. S. 3.

-) Dohme, Dt., Geschichte der deutschen Bau-
kunst. Berlin 1887. S. 10.

a) Kreuser, I., Der christliche Kirchenban, seine
Geschichte, Symbolik rc. I.Bd. Bonn 1851. S.466.

4) Ebendaselbst, S. 541.

5) Ebendaselbst.

°) Unger, lieber die christlichen Rund- und Ok-
togonbauten (Jahrbuch des Vereins von Alter-
tunisfreunden im Diheinland, Heft 41 von 1860.
S. 36).

heutzutage lächerlich machen, wollte man
ähnlich wie einst Debet)l) vielleicht die Be-
ziehung des Oktogons zu seiner die dop-
pelte Seitenzahl zählenden klmfassnngs-
mauer weiter symbolisch deuten, etwa
derart, daß sich daraus als arithmetisches
Mittel die Zwölfzahl ergibt. — —

Denn so wahr es ist, was schon
Augustinus sagt: „Nimm den Dingen
Zahl und Gestalt und sie sind nicht
mehr", ebensowenig dürfen wir annehmen,
daß in ihnen der Schlüssel göttlicher Ge-
heimnisse und Vorbildungen gesucht werden
muß?) Freilich gibt es Formen, die sich
mit der Symbolik sehr wohl vertragen;
allein die symbolischen Beziehungen, welche
man der Form und den einzelnen Teilen
von Bauten untergelegt hat, sind architekto-
nisch bedeutungslos, ans den üblichen
Formen abgeleitet und, von Kleinigkeiten
abgesehen, ohne Einfluß auf deren Aus-
bildung.

Die Symbolik bestimmt wohl in ge-
wissem Grade Zahl und Maß der archi-
tektonischen Glieder, sie dekoriert auch, wo
sich dafür ein geeignetes Feld bietet, aber
s i e s ch afft keine a rchite kt o n is ch e
Anlage, die weiter keine Be-
de n t u n g h ä 11 e.3) Die Priorität der
Form vor ihrer symbolischen Deutung
liegt auf flacher Hand. Durch langjährige
klebttng und Erfahrung int baulichen Tun
und Denken kristallisiert sich von selbst
für einen bestimmten Zweck eine bestimmte,
stereotype Form heraus. Kreuser und seine
Anhänger vertauschen, ohne daß sie es
wahrscheinlich gewahr werden wollen, Kon-
klusion und Prämisse.

Die Geschichte der Baukunst im Zu-
sammenschluß mit rein verstandesmäßigen
Erwägungen belehrt uns eines anderen.

Wie für so manches Bauwerk des Alter-
tnms und der altchristlichen Zeit, so war
auch für die Aachener Pfalzkapelle gleich-
zeitig mit dem Zwecke als Grabkirche nach
altent Herkommen die Hauptform bestimmt;
denn schon im hohen Altertum war die
runde Form, der Tholus, dem Grab-

ft Dcbey, M. H., Die Münsterkirche zu Aachen
und ihre Wiederherstellung. Mit einer Stcin-
drucktafel. Aachen 1851. S. 12.

") Kreuser, I., Wiederum christlicher Kirchen-
bau. Brixen 1868. S. 543.

°ft Unger, S. 31.
 
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