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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 24.1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.15939#0016

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ijeuicfeit ist. Er hat deshalb auch schon die spät-
gotische Altaranlage des ausgehenden 15. Jahr-
hunderts »nt in den Kreis der Betrachtung gezogen.

Es hat, mie auch anderwärts, in dein Erz-
bistum München und Freising einen staunens-
werten Reichtum von Barock- und Rokokoaltärcn
gegeben, und sie wurden auch hier, ivic ander-
wärts, von den Kunstkritikern vollständig miß-
knnnt und mit dein Namen „Zopfaltäre" schlecht-
hin bezeichnet. Eine Unterscheidung zwischen Ba- |
rock- und Rokoko und der innerhalb derselben !
bestehenden Abstufungen kannte man nicht. Kein !
Wunder daher, ivenn man viele Altarwerke der
damaligen Zeit, die oft hohen künstlerischen Wert !
enthielten, einfach unbeachtet ließ oder gar zu-
saiumenschlng und verbrannte. Das ist jetzt
anders geworden. „Seit ungefähr zwei De-
zennien ist eine Wendung ;>l Gunsten des Bnrock-
und Rokokoaltars eingetreten. Man weiß jetzt
die vielen beachtenswerten Schönheiten an solchen
Anlagen mehr zu schätzen, man bewundert all-
mählich die Meisterschaft in der Holzschneidekunst,
das hohe Geschick im Dekorieren, die Phnutasie-
fülle im Ornament, die Monumentalität im Auf-
bau, die vorzügliche Beherrschung des Materials, ^
die imposante Wirkung der Gesaintkomposition,
— lauter Momente, die auf eine hochentwickelte,
selbständig-produktive Kunst schließen lassen. Via»
läßt sich jetzt sogar herbei, Altäre des 17. und
18. Jahrhunderts, die einst so verachtet waren,
mit einer großen Sorgfalt zu restaurieren, ivobei
man sich genau an die ursprüngliche Forncen-
gebung des betreffenden Stiles zu halten sucht.
Man setzt neue Retabeln und Tnbernakelaulagen
anstatt den ruinös gewordenen alte!: unter die
kolossalen Hochbauten der alten Barockaltäre und
ist bemüht, dieselben in Einklang mit den Formen
des ursprünglichen Hochbaues zu bringen."

Der Verfasser teilt sein Werk in sechs Ab-
schnitte ein, wovon der erste den Altarbau der
späten Gotik behandelt, dann werden die Altar-
bauten der Renaissance, des Barock, des Rokoko
und des Klassizismus besprochen, und der letzte
Abschnitt ist den Marmoraltären gewidmet. Bei
Restaurationen von Altären oder bei neuer Aus-
führung von Retabeln und Tabernakeln ist das
Buch ein Hilfsmittel für Künstler, sich in das
Wesen und den Geist jener Kuustperiode des
Altarbaues zu versenken und einzuleben. Die
vielen Abbildungen, die allerdings nur in kleinem
Maßstabe gegeben werden konnten, mögen hiebei
manchmal eine erwünschte Unterstützung bieten.

1l.

Bücklins Kunst und die Religion.
Bon I. Ai a n s k o p f. 8°. Mit 24 Bilder-
tafeln. Brosch. 2 Ai. Biünchen, Bruckniann.
lieber seine persönliche Stellung zur Religion
hat sich Böcklin bekanntlich niemals deutlich aus-
gesprochen, das vorliegende Buch von Manskopf
läßt auch diese Frage offen, weist aber daraus
hin, daß in Bücklins K u u st das Religiöse eine
gar nicht unbedeutende Rolle spielt. Im ersten
Teile wird der tiefe Stimmungsgehalt der gc-
samteu Kunst des Basler Meisters dargestellt.
Wenn .allerdings der Verfasser aus Böckiinschen

| Bildern wie die „Villa am Meer", „Toteninsel",
I „hl. Hain", „Vita sonmium breve", „Drachen-
schlucht", „Tritoncn" u. s. w. einen religiösen
Grnndton heraushören will, so kann ich ihm
nicht ganz beipflichten. Die Gefühle von Lebens-
freude, von Wehmut über die Vergänglichkeit
des Irdischen, vom Geheimnisvollen der einsamen
Natur, von der Unerbittlichkeit der Naturkräfte,
— das sind doch eigentlich nicht religiöse
Empfindungen, wenigstens nicht im Sinne des
Christentums.

Im zweiten Teil werden Bücklins religiöse
Bilder im engere n Sinn besprochen und
es ist unstreitig ein Verdienst der vorliegen-
den Schrift, daß sie uns mit fast vergessenen
religiösen Schöpfungen des Meisters bekannt
macht wie z. B. der „Frankfurter Pieta", der „bü-
ßenden Magdalena", dem Triptychon, „lux kertur
in tenebras" u. n. Aber zur eigentlichen reli-
giösen Kunst fehlte dem sinuenfreudigen Schivci-
zcr doch das tiefere religiöse Gefühl, am besten
ist ihm noch das religiöse Genre gelungen, der
geigende Klausner, die büßenden Eremiten und
Aehnliches, icud einen „Wegweiser zu einer großen
monumentalen religiösen Kunst" können wir in
ihm keinesivegs erkennen.

Ganz vorzüglich sind die Autotypien und
Mezzotintodrucks ivomit der Verlag das« Schrift-
chen ausgestattet hat und um deretwillen ich
allein schon dasselbe empfehlen möchte. 1 >.

Klassiker der K u n st in Gesamtausgaben
Baud VII: M ichela » g e l o. Des Mei-
sters Werke in Ilili Abbildungen. Stutt-
gart, Deiltsche Verlagsanstalt. 6 M.

Ein neuer Baud der „Klassiker der Kunst"
darf jedesmal einer freudigen Aufnahme seitens
der Kunstfreunde versichert sein, man möchte in
der Tat diese ebenso praktischen als billigen
Gesamtausgaben nicht mehr missen. Auch des
Titanen Michelangelo Werke liegen uns nunmehr
vor, gesammelt in einem solchen schmucken Bande.
Besonders zu begrüßen sind die vielen Detail-
aufnahmen, so werden von der Sixtinischen Decke
deren 70 geboten und 11 vom „Jüngsten Gericht".
Damit allein ist ein Material für Studium und
Genuß gegeben, wie es bisher in keinem für
weitere Kreise zugänglichen Werke über Michel-
angelo geboten werden konnte. Die Aufgabe,
in knapper und doch erschöpfender Darstellung
Leben und Entwicklung des Künstlers zu schildern,
hat Fritz Knapp in der Einleitung zu diesem
Band sehr gut gelöst, nur hätte das für Michel-
angelos Charakter sehr wesentliche religiöse Mo-
ment etwas mehr in den Vordergrund gerückt
werden dürfen. Michelangelos Werk, wie wir
es jetzt so bequem an uns vorüberziehen lassen
können, ist das Denkmal einer fast übermenjch-
lichen künstlerischen Gestaltungskraft, eines großen
einzigartigen Zeitalters und auch ein Ruhnies-
denkiual der Kirche, in deren Dienst dieser Gei-
stesriese sein Genie gestellt hat. Mögen die
„Klassiker der Kunst" und speziell der vorliegende
prächtige Band sich eine» recht zahlreiche», stets
wachsenden Freundeskreis erwerben! 11.

Ctultpart, Auchdruckerei der Alt.-Ges. „Deutsches BoMblnU".
 
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