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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 24.1906

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Nr. 2
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Groner, Anton: Ueber die Historienzyklen der Sixtinischen Kapelle, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15939#0025

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langer Abwesenheit abtrünnig gewordene
Volk anbetend den ans seinen Altar er-
hobenen goldenen Stier nnisteht und um»
tanzt, (Er. 32, 1 ff.') und Moses, der von
Josne begleitet, eben unten am Berg
ankonnnt, angesichts der Abgötterei seines
wankelmütigen Volkes die Tafeln Gottes
zerschmettert. Im Hintergrund des Tales
rechts vollzieht Moses die Bestrafung der
Verstockten und die AuSerwählnng des
Stammes Levi 51111t Priesterstamm (Ex. 32,
29). Dann aber opfert sich Moses wieder
für sein Volk und erlangt von Jahwe
Begnadigung (Ex. 33, 7 ff.). Um dieses
anzudenten, hat der Künstler in der oberen
linken Ecke des Bildes (über dem Lager
im linken Tal, wo wir noch den Stcin-
altar vom Bnndesschlnß erblicken) einen
merkwürdigen Vorgang, der freilich dem
Auge des nuten in der Kapelle stehenden
Beschauers kaum erkennbar ist, das Vor-
überziehen der Herrlichkeit Jahwes (Ex. 33,
17 ff.), angebracht: Moses kniet in der
Felsenspalte und die Erscheinung Jahwes
zieht in den Farben des Regenbogens
vorbei. Den linken Vordergrund füllt die
Erzählung, wie Moses »nt seinem Begleiter
Josne znm 2. Mal von dem Berg zu-
rückkommt und die Söhne Israels sich vor
ihm fürchten, da sein Antlitz noch die Herr-
lichkeit Jahwes widerstrahlt (Ex. 34, 29 ff.).

Das 6. Gemälde, von Botticelli, schil-
dert in der Mitte (vor dem Konstantins-
bogen als Hintergrund) zum erstenmal
in der Kunstgeschichte den Untergang der
Rotte Kore. Der Künstler hat den bib-
lischen Stoff (Rum. 16, 1 ff.) in sehr freier
Weise behandelt. Nach Mosis Vorschlag
haben sich Kore und ein paar seiner An-
hänger (nach Nnm. 16, 35 waren es 250!)
um einen kleinen Altar versammelt, die
brennenden Rauchfässer schwingend, und
Aaron im hohepriesterlichen Ornat hat sich
mit seinem Rauchfaß daneben gestellt.
Den Blick himmelwärts gerichtet, gibt
Moses mit dein Stabe Gottes das Zeichen
znm Gottesurteil zwischen Aaron und den
Koreiten und siehe, während Feuer vom
Himmel die aufrührerischen Priester ver-
tilgt, schwingt Aaron unverletzt sein Rauch-
faß ruhig weiter und wird so als der
gotterwählte Hohepriester knnd(Nnm. 16,5).
Aarons Sohn Eleasar trägt die Ranch-
sässer der Verbrannten weg, um sie nach

Gottes Weisung am Ranchopferaltnr ans-,
znhängen (Rum. 16, 36 ff.). Links von
der Hanptgrnppe hat der Künstler das mit
der Empörung Kores zusammenhängende
Strafgericht über Dathnn und Abiron
(Nuni. 16, 12 ff.) und das freisprechende
Urteil Mosis über Eldad und Medad
(Nnm. 11, 26 ff.) zu einer überaus
wirkungsvollen Kontrastscene verbunden:
während Dathnn und Abiron ans da§
Zeichen Mosis hin jählings von dem Erd-
boden verschlungen werden, stehen die
beiden vom Geiste Gottes erfaßten Pro-
pheten wie Traumwnndler auf einer
Wolke ahnungslos über dem Abgrund.
Rechts von der Hanptgrnppe läßt Moses
einen Frevler zur Steinigung abführen.

Im 7. Fresko, das gewöhnlich als
„Testament Mosis" bezeichnet wird, schil-
dert Signorelli die letzten Erlebnisse des
Moses. Links ini Vordergrund ernennt
er den Josne durch Uebergabe seines
Stabes znm Führer (Deut. 31, 3). Rechts
verliest der scheidende Führer dem ver-
sammelten Volk (Deut. 31, 12; rechts
von seinem erhöhten Sitz die Männer,
links die Frauen) noch einmal das von
ihm verfaßte Gesetz tDeut. 31, 24 ff.),
seinen Lobgesang und seine Weissagungen
(Deut. 32) und den Segen über die 12
Stämme (Deut. 33). Deren 12 Vertreter
füllen die Mitte des Vordergrundes. Zu-
vörderst sitzt ein nackter Jüngling, der
mit einer rührenden Hingabe den letzten
Worten des Propheten lauscht. Es ist
der Stamm Levi, der bei der Landver-
teilung leer ausgeht, dessen Los der
Priesterdienst Jahwes ist. Der Hintergrund
zeigt drei weitere Scenen. Auf dem Berg
Nebo läßt- der Engel des Herrn den Moses
hineinblicken in das verheißeneLandKanaan,
dann steigt der Hnndertzwanzigjährige
einsam, mit dem Stabe tastend, den Ab-
hang herab und endlich im Tale des
linken Hintergrundes betrauern einige
Juden den Leichnam ihres großen Führers.
Alle drei Scenen stehen im Widerspruch
mit der Hl. Schrift. Es war Gott selbst,
nicht ein Engel, der dem Moses das ver-
heißene Land zeigte (Deut, 34, 1), Moses
starb ans dem Nebo selbst (Deut. 32, 49;
vgl. 34, 5 f.) und kein Mensch hat den
Moses nach seinem Weggang lebend oder
tot oder sein Grab gesehen (Deut. 34, 6),
 
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